Als weltoffene Reisende befassen wir uns intensiv mit der Kultur und der Geschichte unserer Reiseziele. So wissen wir bereits vor dem Landeanflug auf Sydney, dass sich das Leben der indigenen Bevölkerung mit der westlichen Entdeckung Australiens im Jahre 1606 dramatisch veränderte. Fortan waren Territorien und Rechte der Aboriginal People auf ein absolutes Minimum beschränkt. Die Vehemenz, mit welcher das heutige Australien beabsichtigt, diese Geschichte mit grösstmöglichem Einbezug der Öffentlichkeit aufzuarbeiten, ist beeindruckend. 

Highlight
Das Melbourne Museum bietet mit der permanenten Ausstellung «First Peoples» einen umfassenden Einblick in die Thematik.

Missing
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit wird einem als Tourist phasenweise aufgezwungen, was zum Teil fast schon befremdend wirken kann.

Aufgefallen
Die indigene Küche arbeitet gänzlich mit Zutaten, die Mutter Erde auf natürliche Weise freigibt – faszinierend und geschmacksintensiv!

Kaum haben wir auf australischem Boden aufgesetzt, werden auch wir Teil davon: «Wir anerkennen das Gadiga-Volk der Eora Nation als rechtmässige Besitzer des Landes und erweisen den Ältesten in Vergangenheit und Gegenwart unseren Respekt», tönt es aus den Lautsprechern. Was wir für eine nette Geste von Qantas halten, wiederholt sich fortan bei jeder Aktivität, welche wir unternehmen. Täglich lesen, sehen oder hören wir, welcher Stamm rechtmässiger Besitzer des Landes ist, auf welchem wir uns gerade befinden.

Wir lernen später, dass das «Statement der Anerkennung» Teil des offiziellen Versöhnungsprogrammes der australischen Regierung ist. Dieses hat zum Ziel, die Beziehung zur indigenen Bevölkerung nachhaltig zu stärken. Die Anerkennung verschiedener Nationen und deren Territorien hatte im Brauchtum der Aboriginal People eine wichtige Bedeutung.

Dass viele Aboriginal People unter schrecklichen Bedingungen leben, geht im Zuge der PR-Maschinerie fast unter.

Infolge der Aufarbeitung des gewaltsamen Landraubes wird die indigene Bevölkerung als «First Nation People» betitelt. Jede Kleinstadt verfügt mittlerweile über ein Museum oder Kulturzentrum, um seinen Teil zur Aufklärung beizutragen. Die grösste Hommage an die reichhaltige Geschichte der «First Nation People» findet sich in der gleichnamigen Ausstellung im Melbourne Museum. Sie thematisiert den Kampf indigener Nachfahren, einen Teil ihrer Kultur zu bewahren. Mit Erfolg, wie sich zeigt. Gerade indigene Künstler erleben in den Bereichen Musik, Kulinarik und Literatur dank des gestiegenen Bewusstseins eine Art Renaissance. Auch in der Politik scheint die Aufarbeitung zu fruchten. Das aktuelle Parlament verfügt über elf Abgeordnete, die den «First Nation People» angehören.

Dass eine Vielzahl an Aboriginal People noch immer unter wirtschaftlich, sozial und medizinisch schrecklichen Bedingungen lebt, geht im Zuge dieser öffentlichkeitswirksamen PR-Maschinerie leider fast gänzlich unter. Dasselbe gilt für den Fakt, dass auch in Australien die rechtspopulistische Bewegung wachsenden Zuspruch erhält. So wurde kürzlich ein Referendum gegen das Programm «The Voice» ergriffen. Dieses soll sicherstellen, dass die «First Nation People» eine Art permanente Stimme in der Ausarbeitung von Gesetzen und Regulatorien erhalten.

Australien geht einen offensiven Weg und lässt seine Besucherinnen und Besucher spüren, dass es sich mit der Bewältigung seiner Vergangenheit befasst. Wir lernen, wie facettenreich und kontrovers das Thema gerade für Australierinnen und Australier ist. So sind wir ungemein froh, dass wir als Schweizer höchstens erklären müssen, wieso genau Wilhelm Tell einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schiessen musste.

Gemeinsam mit seiner Partnerin Lena-Maria Weber reist Patric Schönberg mit dem Rucksack für ein Jahr um die Welt. Der ehemalige Leiter Kommunikation von HotellerieSuisse berichtet aus seiner persönlichen Perspektive über Dinge, die auffallend anders sind als bei uns. Interessierte können die gesamte Reise auf Instagram unter @losnescos mitverfolgen. [IMG 2]