Seit dem Jahr 2000 haben HotellerieSuisse und htr hotelrevue mit dem Milestone-Award innovative Projekte im Tourismus ausgezeichnet. Nun sorgen die beteiligten Akteure selbst für eine Neuerung: Sie geben die Marke Milestone auf – und damit auch die alljährliche Verleihung des Preises.

«Nun konzentrieren wir uns
auf den Hospitality Summit.»
Claude Meier, Direktor HotellerieSuisse

Laut Claude Meier, Direktor von HotellerieSuisse, will sich der Verband künftig auf die Kernkompetenz Hospitality fokussieren. Dies unter anderem mit dem Hospitality Summit, der dieses Jahr zum zweiten Mal stattfindet. «22 Jahre lang haben wir den Milestone geführt und viele Ressourcen zugunsten der gesamten Tourismusbranche investiert. Das haben wir gerne gemacht, aber nun konzentrieren wir uns auf den Hospitality Summit», sagt Meier.

Seit Beginn der Preisverleihungen war der Schweizer Tourismus-Verband (STV) Partner des Events. Pläne zur Weiterführung eines Innovationspreises in gleicher Form wie des Milestone existieren nicht, wie Martina Bieler, Leiterin Kommunikation, auf Anfrage bestätigt. «Innovationsförderung findet im Tourismus bereits heute über viele unterschiedliche Gefässe und Kanäle statt. Der Schweizer Tourismus-Verband wird sich dafür einsetzen, dass dies auch in Zukunft so bleibt.»

Jury zeigt Verständnis für Entscheid
Urs Wohler ist Geschäftsführer der Niesenbahn AG. Er sitzt seit 2020 in der Milestone-Jury. «Wir verstehen, dass die Trägerschaft sich darüber Gedanken gemacht hat, wie man künftig Innovation fördern könnte, und nun einen anderen Weg gehen will», sagt er als Vertreter des Gremiums. Am Entscheid, den Milestone nicht mehr weiterzuführen, sei die Jury nicht beteiligt gewesen. Nach internem Bekanntwerden des Entscheids letzten Herbst habe die Jury gemeinsam überlegt, wie man das Format sinnvoll reflektieren könne – einfach aufhören sei für sie keine Option gewesen. «So kamen wir auf die Idee, dass wir die Projekte der vergangenen Jahre nochmals ins Scheinwerferlicht stellen und die Besten der Besten küren wollen.»

Inspiration dazu sei aus der Juryarbeit gekommen. Denn: Die teils sehr unterschiedlichen Projekte fair einzuordnen, sei oftmals anspruchsvoll gewesen. «Der Milestone war stets eine Momentaufnahme.»
Eine übergeordnete Betrachtung sei in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen. Nun wolle man mit einer Gesamtschau der langjährigen Entwicklung im Tourismus besser Rechnung tragen.

Niesen Summit: Community wählt Top Ten
Zwei Tage nach Saisonschluss treffen sich auf dem Niesen am 15. November die Gewinnerinnen und Gewinner des Milestone der letzten 22 Jahre. Auf dem Ausflugsberg am Thunersee blicken sie während des Niesen Summit 2022 auf die vergangenen Jahre zurück. Vorab können die Teilnehmenden in einem Voting aus dem Pool der frühren Preisträger ihre Favoriten-Projekte küren. Laut Urs Wohler von der Milestone-Jury soll die Community, ähnlich wie beim Eurovision Song Contest, die besten zehn Projekte wählen. An drei Projekte aus diesen Top Ten werden Jury und Teilnehmende zudem die Podestplätze vergeben. Zum Programm gehört auch ein Grundsatzreferat zum Stand der Dinge in Sachen Innovationsförderung. Dieses soll «state of the art know-how» vermitteln. ua
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Interessengruppe könnte Preisverleihung übernehmen
Monika Bandi Tanner ist Co-Leiterin der Forschungsstelle Tourismus an der Uni Bern (siehe «Nachgefragt») und Jurymitglied. Aus ihrer Sicht ist es zentral, dass innovative Projekte sichtbar gemacht werden und der Wissensaustausch dazu stattfindet. «Wenn sich die Verbände nun schwertun, möchten wir mit einer Projektgruppe aus Jurymitgliedern 2022 überbrücken, reflektieren und diskutieren. Vielleicht ist die Zeit reif, dass eine Interessengruppe übernimmt», sagt Bandi Tanner.
Mit der Community der Teilnehmenden des Niesen Summit könne möglicherweise etwas Neues entstehen. «Wir wollen alles etwas agiler und auch exklusiver gestalten. Geladen sind jene, die sich tatsächlich als innovativ erwiesen und dies mit einem Milestone bewiesen haben.

Dass es in neuer Form weitergeht, ist auch im Sinne von Milestone-Geschäftsführerin Anja Peverelli. «Der Milestone hat während vieler Jahre die Branche inspiriert. Die Preisverleihung ist zu einem wichtigen Branchentreffen geworden und erfreute sich hoher Beliebtheit. Innovationen sollten auch weiterhin gefördert und gezeigt werden», sagt Peverelli. «Ich finde es sehr schade, dass die Tourismusverbände den Milestone nicht weiterführen. Umso mehr freut mich die Initiative der Jurymitglieder, und ich hoffe, dass neue Ideen zur Innovationsförderung entstehen, die auch weiterverfolgt werden.»[DOSSIER]

Seco stellt auf Antrag Mittel bereit
Am Geld dürfte es jedenfalls nicht scheitern. «Sofern ein Nachfolgeprojekt die üblichen Kriterien für eine Innotour-Förderung erfüllt, ist eine Unterstützung möglich», teilt Christoph Schlumpf, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), auf Anfrage mit.

Der Milestone habe im Schweizer Tourismus viel bewirken können. Unabhängig vom Milestone-Event sei die touristische Innovationsförderung aus Sicht des Seco zentraler Bestandteil der Tourismuspolitik des Bundes und Kern des Förderinstruments Innotour.


Nachgefragt

Monika Bandi, warum braucht es Innovations­förderung im Tourismus?
Dass die Branche nicht von sich aus innovationsfreudig ist, hat zum Teil strukturelle Gründe: Das touristische Angebot ist sehr zerstückelt und involviert oft kleine Betriebe. Innovation ist vielmals gemeinsam dienlicher. In der Hotellerie und Gastronomie ist das Innovationspotenzial in den Kernleistungen oft überschaubar. Innovation kann vor allem in den Nebenleistungen und mit weiteren Partnern geschehen.[IMG 2]

Was bedeutet im Tourismus  «innovativ»?
Dass Akteure gemeinsam auf eine Herausforderung reagieren und einen Lösungsprozess starten. Entscheidend ist, dass die Idee auch umgesetzt wird und für die Gäste ein Nutzen resultiert.
Wie herausfordernd war die Bewertung der Projekte?
Die Arbeit der Jury war sehr heraus­fordernd und bereichernd zugleich. Wir mussten quasi Äpfel mit Birnen und Bananen vergleichen. Wir haben das nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Teils waren Innovationen für die Preisverleihung extrem gut visualisierbar, wie etwa der Bärenpark in Arosa. Das Zermatter Start-up Bonfire zur Digitalisierung der Destination war ebenso innovativ, aber eben primär im Tourismus­system wirkend. Bei den Bären begriff man in der Präsentation schon nach 10 Sekunden, wo die Innovation vorlag, bei Bonfire vielleicht nicht einmal nach 30.

Bräuchte es nun einen anderen Innovationspreis?
Aus meiner Sicht sind Auszeichnen und Sichtbarmachen zentral. Nach der Pandemie hat die Tourismuswirtschaft mit dem Neustart einen besonderen Effort geleistet. Da wäre es unwürdig, im folgenden Jahr keinen Innovationsakzent mehr zu setzen.