Die Schweizer Beherbergungsbranche steht mitten in einem fundamentalen Strukturwandel: Getrieben von veränderten Gästebedürfnissen, digitaler Transformation und zunehmendem Wettbewerbsdruck, erleben wir eine markante Verschiebung von kleinbetrieblichen Strukturen hin zu grösseren, professionell geführten Einheiten. Dieser Strukturwandel ist kein temporäres Phänomen, sondern Ausdruck einer neuen Normalität. Wer bestehen will, muss strategisch investieren: in Betriebsgrösse, Digitalisierung, Mitarbeitende, Markenaufbau und in die Fähigkeit, flexibel auf sich wandelnde Marktbedingungen zu reagieren. Gleichzeitig braucht es Raum für Vielfalt – für regionale Identitäten, soziale Innovation und resiliente Geschäftsmodelle jenseits der reinen Skalierung.

Was heisst das konkret? Die Hotellerie von morgen muss mehr sein als eine gut geölte Betriebsmaschine. Sie muss ein Ort werden, an dem Gastfreundschaft nicht nur transaktional gedacht wird, sondern als Beitrag zu einem grösseren Ganzen: zur Lebensqualität vor Ort, zur Regeneration natürlicher Ressourcen, zur sozialen Kohäsion und zu einer sinnstiftenden Beziehung zwischen Gastgebenden, Mitarbeitenden, Gästen und der Bevölkerung.

Das Konzept der regenerativen Hotellerie geht einen entscheidenden Schritt weiter als klassische Nachhaltigkeitsansätze. Es stellt nicht nur die Frage «Wie können wir unseren negativen Einfluss minimieren?», sondern vielmehr: «Wie können wir aktiv zur Erneuerung von Ökosystemen, Gemeinschaften und dem Wohlbefinden der Menschen beitragen?» Dieser Paradigmenwechsel verlangt ein Umdenken auf allen Ebenen – im Mindset, im täglichen Handeln und in der Art, wie wir Erfolg definieren und messen.

Dieser Paradigmenwechsel verlangt ein Umdenken auf allen Ebenen.

In der Praxis heisst das: weg vom reinen Wachstumsdenken hin zu neuen Formen gemeinsamer Wertschöpfung. Hotels könnten zu lokalen Zentren für Dialog, Bildung und Begegnungen zwischen Gästen und Einheimischen werden und gleichzeitig die Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme fördern. Statt eines austauschbaren Standardangebots braucht es Beherbergungskonzepte, die die lokale Identität stärken, ökologische Verantwortung übernehmen und Mitarbeitende nicht nur als Kostenfaktor, sondern als zentrale Akteure im Transformationsprozess begreifen.

Solche Beispiele gibt es bereits: Betriebe, die mit lokalen Firmen kooperieren, sich an der Renaturierung von Landschaftsräumen beteiligen oder Mitarbeitenden Weiterbildung und Mitgestaltung ermöglichen. Beispiele aus dem Ausland zeigen inspirierende Wege auf. So illustriert das «Fogo Inn» in Kanada, wie durch eine intensive Beteiligung der Community schon bei der Planung und beim Bau stimmige Konzepte entstehen. Beim Rockhouse Hotel in Jamaika führten Projektbeteiligungen direkt zur Entstehung neuer lokaler Unternehmen, beispielsweise in den Bereichen Wasserversorgung und urbane Landwirtschaft. Solche Beispiele zeigen, dass regenerative Hotellerie kein Idealismus ist, sondern ein realistischer Ansatz.

Der wirkliche Wandel in der Branche zeigt sich nicht nur in den Bilanzen, sondern auch in den Haltungen – und im gemeinsamen Wert, den eine Organisation schafft. Regenerative Hotellerie lädt ein, das Geschäftsmodell Hotel neu zu denken – als Gastgeber für Menschen, Natur und Zukunft. Wie ein solcher Prozess in der Praxis umgesetzt werden kann, zeigt das Regenerative Hospitality Canva, eine forschungsbasierte und kollaborative Methodik, die von der EHL und der HES-SO Valais-Wallis entwickelt wurde.

Roland Schegg ist Professor am Institut für Tourismus der HES-SO Valais-Wallis in Siders. Er forscht im Bereich des digitalen Tourismus.