Seit zwei Jahren pendle ich von einer Stadt in die nächste, immer mit dem Ziel vor Augen, Hotels bei der nachhaltigen Transformation zu unterstützen. Mein Vorgehen in der Beratung ist sehr einfach: Ich höre zu. Denn ich habe gelernt: Ich kann noch so gute Ideen einbringen – wenn ich nicht dort ansetze, wo der Schuh des Hoteliers drückt, dann wird er meine Inputs auch nicht umsetzen. Das Thema Nr. 1, nach dem immer gefragt wird, ist die Bedeutung und die Wahl der «richtigen» Nachhaltigkeitszertifizierung.

Meine Antwort lautet stets gleich: Es kommt darauf an. Diese Antwort ist unbeliebt, aber leider wahr. Um eine seriöse Empfehlung für eine geeignete Zertifizierung abgeben zu können, muss ich zunächst das Unternehmen, seine Erwartungen und seine Rahmenbedingungen genau verstehen.

Eines steht jedoch fest: Eine Zertifizierung ist stets eine sinnvolle Entscheidung. Sie schafft Struktur und hilft, die vielen potenziellen Handlungsfelder in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit auf jene wenigen zu konzentrieren, die den grössten Erfolg versprechen. So entstehen klare Fokusthemen, an denen sich die Organisation in den kommenden Jahren oder bis zur Rezertifizierung orientieren kann.

Durch die Reduktion und Fokussierung der Themen können die Mitarbeitenden gezielter einbezogen werden, Ziele werden greifbarer, und Fortschritte lassen sich durch ein einfaches Monitoring sichtbar machen. Diese Erfolgskennzahlen lassen sich zudem glaubwürdig gegenüber externen Stakeholdern kommunizieren. Damit wird Nachhaltigkeit nicht nur intern gelebt, sondern auch nach aussen wirkungsvoll belegt.

Auch die Frage nach der Auswirkung auf Gästebuchungen lässt sich nicht einfach beantworten. Es gibt Betriebe, bei denen Nachhaltigkeit tief in der Unternehmensphilosophie verankert ist und die damit gezielt Gäste ansprechen, für die ein Nachhaltigkeitslabel ein entscheidendes Buchungskriterium darstellt. Solche Gäste wählen bewusst Betriebe, die ihre Werte teilen. Ich behaupte aber, dass diese Zielgruppe und entsprechend auch die Anzahl Hotels nach wie vor eher klein ist. Bei Buchungsentscheidungen überwiegen weiterhin Faktoren wie Reputation, Lage oder Preis.

Ganz anders die Situation im MICE-Bereich: Immer mehr Unternehmen verankern in ihren Veranstaltungsrichtlinien klare Nachhaltigkeitsanforderungen wie beispielsweise, dass die gewählte Veranstaltungslocation eine Zertifizierung vorweisen muss. In diesem Kontext entwickelt sich ein Nachhaltigkeitslabel rasch zu einem echten Wettbewerbsvorteil.

Kreiert ein Hotel für seine Seminar­gäste zudem attraktive Zusatzpackages wie etwa Bleisure- oder Workation-Angebote, die die Aufenthaltsdauer der Seminargäste verlängern, steigert eine Zertifizierung letztlich eben doch die Anzahl Logiernächte, wenn auch auf Umwegen.

Eines habe ich gelernt: Ich kann noch so gute Ideen einbringen – wenn ich nicht dort ansetze, wo der Schuh des Hoteliers drückt, dann wird er meine Inputs auch nicht umsetzen.

Selina Wälti arbeitet als Nachhaltigkeitsverantwortliche im Grand Resort Bad Ragaz. Ausserdem berät sie mit ihrer Firma Knallgrün Hotels auf ihrem Weg in eine nachhaltige Zukunft.