Das Image der teuren Schweiz hält sich hartnäckig. Obwohl sich der Konsumentenpreisindex seit Jahren auf Talfahrt befindet, die Güter in der Schweiz unterm Strich also immer günstiger werden, Hotellerie eingeschlossen (siehe Grafik oben), scheint bei den Gästen weiterhin stark verankert, dass Ferien in der Schweiz deutlich teurer als in anderen Alpenländern sind. «Der Preis und die Freundlichkeit sind die Hauptkritikpunkte. Das höre ich ein paarmal pro Woche», erzählt  Thierry Geiger, Direktor Hotel Saratz in Pontresina.

Eine Kritik, die nicht mehr der Realität entspricht, sind die Bündner Hoteliers überzeugt, die aufgrund der Nähe zu Österreich und Südtirol dem Preiswettbewerb mit den wichtigsten alpinen EU-Destinationen besonders ausgesetzt sind. Die gute Nachfrage, wie in Südtirol mit entsprechend preistreibender Tendenz, und der nun wieder leicht schwächere Franken haben diese positive Entwicklung noch gefördert. «Stellt man die Übernachtungspreise vergleichbarer Hotels in vergleichbaren Destinationen gegenüber, dann sind wir in der Schweiz nicht mehr teurer», ist Tomas C. Walther, Inhaber des Hotels Walther, Pontresina, überzeugt.

Die neue preisliche Wettbewerbsfähigkeit gilt das ganze Jahr
Dass sich die Engadiner Logementpreise an jene der Südtiroler und österreichischen Hotellerie angeglichen hätten, sei nicht mehr von der Hand zu weisen, meint auch Kurt Baumgartner, Inhaber der Belvédère Hotels in Scuol. «Preislich sind wir inzwischen voll konkurrenzfähig.» Seit fünf Jahren habe er die Zimmerpreise nicht mehr erhöht oder Preise für Leistungen sogar nach unten korrigiert.

Nicht wegzudiskutieren sei die weiterhin günstigere Gastronomie im grenznahen Ausland, konstatiert Tomas C. Walther. Dabei gehe aber schnell vergessen, dass die Schweizer Hotellerie Leistungen im Übernachtungspreis inkludiert, die das unterm Strich wieder wettmachen können: Bergbahnen und öffentlicher Verkehr als Bestandteil des Übernachtungspreises gehören in vielen Schweizer Destinationen zum Standard. In Südtirol beispielsweise ist das dagegen nur bei einigen Hotels der Fall, wie man bei Südtirol Tourismus bestätigt.

Die Schweizer Hotelpreise sinken seit rund sieben Jahren. Der Gleichstand bei den Preisen gegenüber Südtirol und Österreich ist aber noch ein junges Phänomen. Tomas C. Walther stellt äquivalente Preise seit einem Jahr fest. Christoph Maximilian Schlatter, Direktor Hotel Laudinella und Hotel Reine Victoria in St. Moritz, sah das «Äquilibrium» erst diesen Sommer erreicht. «Zwischen letztem und diesem Jahr gab es nochmals einen Preisrutsch», so Schlatter. In der Standardkategorie lägen bei ihm die Zimmerpreise heute rund 20 Prozent tiefer als vor fünf Jahren, die stärkste Anpassung hätte es dabei in den letzten zwei Jahren gegeben. In Südtirol kann man dagegen bei Hotels Zimmerpreissteigerung in einem ähnlichen Umfang finden. Beispiel Hotel Dorner bei Meran: Das 3-Sterne-Standard-Doppelzimmer mit 4-Sterne-Superior-Inklusivleistungen im Stammhaus kostete 2010 pro Person und Nacht in der Hauptsaison 80 Euro, heute 100 Euro – ein Plus von 20 Prozent.

Die attraktiven Preise der Schweizer Hotellerie beschränken sich dabei nicht nur auf Sommer oder Herbst. Kurt Baumgartner hat für den kommenden Winter (Woche 6 im 2018) 7-Tage-Arrangements für zwei Erwachsene und zwei Kinder in der Familiensuite inklusive Skipass, Bergbahn und Halbpension in seinem Hotel Belvédère einer vergleichbaren Leistung vergleichbarer Hotels in Ischgl, Serfaus und Tannheimer Tal gegenübergestellt: Gegenüber den ersten beiden österreichischen Topdestinationen ergab sich für das «Belvédère» ein mindestens um ein Drittel tieferer Totalpreis. Mit dem Tannheimer Tal zeigte sich annähernder Gleichstand.

Tiefere Preise heisst nicht per se tieferer RevPAR
Tiefere Zimmerpreise müssen aber betriebswirtschaftlich auch gestemmt werden. Schlatter hat das in seinen Betrieben durch geänderte Organisation, aber auch klar mit einem Nützen des gegebenen Sparpotenzials erreicht. Die Zahl der Vollzeitstellen wurde um an die 15 Prozent reduziert und die Restaurantö nungszeiten angepasst. Trotz Preisreduktion bei rund Dreiviertel der Zimmer konnte dank Yielden und einem Plus beim Logiernächtevolumen von 9 Prozent der durchschnittlichen RevPAR im Ende September geendeten Geschäftsjahr um 5 Franken erhöht werden, freut sich der Hotelier.

Die Kunst scheint nun zu sein, die neue preisliche Wettbewerbsfähigkeit dem Gast zu kommunizieren, ohne dass das gehobene Image der Schweiz als Tourismusland darunter leidet. «Die Gunst der Stunde, dass die Preise tiefer sind, muss man nutzen», ist Schlatter, der auch Präsident vom Hotelierverein St. Moritz ist, überzeugt. Die Bündner Hotellerie wird für die kommende Wintersaison einen ersten Versuch in diese Richtung starten (siehe Zweittext unten). Kurt Baumgartner hofft, dass der Gast mündig genug ist und die neue Preissituation im Vergleich zum umliegenden Ausland selbst feststellt. Schliesslich stehe der Preis in der Wahrnehmung per se im Zentrum. Und damit hat der neue Preisvorteil der Schweizer Hotellerie eine valable Chance, von den Gästen über kurz oder lang auch ohne viel Zutun entdeckt zu werden.


Hotelverband plant Kampagne
Dass beim Logement die Preise der Hotellerie in Graubünden «an und für sich» nicht mehr über jener der Alpendestinationen jenseits der Grenze liegen, bestätigt auch Ernst A. Wyrsch, Präsident von hotelleriesuisse Graubünden. Teurer sei man noch bei der Gastronomie, die Gesamtkosten für Ferien in der Schweiz fielen für den Gast unter dem Strich in der Regel aber nicht wesentlich höher aus, konstatiert Wyrsch.

Die inzwischen konkurrenzfähigen Preise im Logement seien aktuell ein viel diskutiertes Thema unter den Bündner Hoteliers, weiss deren höchster Vertreter. Auf diese neue Tatsache will man nun mit attraktiven Angeboten den Gast offensiv hinweisen, um die neue preisliche Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zur Hotellerie in ähnlich gelagerten Alpendestinationen in Österreich und Südtirol im Marketing aktiv zu nützen.

«Wir arbeiten im Rahmen eines Projekts mit dem Obertitel ‹in Dossiers denken› an einem effektiveren Marketing zur preislichen Attraktivität der Bündner Hotellerie», bestätigt Ernst A. Wyrsch.

Aktuell entwirft der Regionalverband dafür gemeinsam mit weiteren touristischen Partnern das Konzept. Anfang Dezember soll dieses stehen: Denn die Lancierung der Kommunikationskampagne zur preislich attraktiven Bündner Hotellerie ist bereits für den kommenden Winter angedacht.

Ernst A. Wyrsch warnt seine Hotelierskollegen aber gleichwohl, zu sehr auf den Preis zu fokussieren. «Wichtig ist ein enger Draht zum Gast. Dann wird eine Leistung auch weniger über den Preis verglichen.» Eine andere gute Möglichkeit ist gemäss Wyrsch, die Leistungen so zu verpacken, dass der monetäre Wert der einzelnen Leistungsbestandteile für den Gast nicht direkt offensichtlich ist. Sprich Arrangements mit unverwechselbaren Bestandteilen kreieren, die den Gast erreichen. (htr/gsg)