Das Ergebnis der neuen BAK-Studie ist keine Überraschung: Ein hypothetischer Wegfall der Bilateralen ab 2028 würde die Schweizer Wirtschaft stark belasten. Die grössten Negativeffekte entstünden laut Studie durch das Ende der Personenfreizügigkeit. Diese Einschätzung deckt sich kurz vor Winterbeginn mit der personellen Lage in der Berghotellerie. [RELATED]

«Die Rekrutierungsbedingungen sind weiterhin schwierig», sagt Myriam Schlatter, CEO der St. Moritzer Laudinella Group und Mitglied der Verbandsleitung von HotellerieSuisse. «Mitarbeitende zeigen keine grosse Loyalität mehr zum Betrieb. Wir können weniger auf langjährige Mitarbeitende zählen und müssen häufiger neu rekrutieren.» Für diesen Winter waren 80 neue Stellen zu besetzen. Bis Redaktionsschluss sind rund 20 vergeben worden.

Rekrutierung bleibt eine Herausforderung
Erfahrungsgemäss dauert die Rekrutierung bis kurz vor Saisonbeginn. Schweizer Mitarbeitende seien nur schwer zu finden, so Schlatter. Der Weg nach St. Moritz sei vielen zu weit, der Winter zu streng. Hinzu komme die Wohnungsknappheit. Die Hotelgruppe ist auf Arbeitskräfte aus der EU angewiesen. Der grösste Teil kommt aufgrund der Grenznähe aus Italien.

Doch sucht man im ganzen EU-Raum gezielt nach Nationalitäten, bei denen eine Tätigkeit in der Beherbergung hohes Ansehen geniesst. «Sehr gute Erfahrungen haben wir mit Rumänen gemacht: Sie arbeiten gästeorientiert, haben eine gute Einstellung und stecken damit auch die übrigen Mitarbeitenden an», sagt Schlatter.

Ein Wegfall der Personenfreizügigkeit wäre gemäss der Laudinella-CEO ein harter Schlag – nicht zuletzt wegen massiv steigender Personalkosten. Doch auch mit der Personenfreizügigkeit bleibe die Lage angespannt. Das Dubai-Modell sei eine Überlegung wert: Wer keine Arbeit mehr hat, muss das Land wieder verlassen. Damit würden Aufenthalte ohne Beschäftigung vermieden und offene Stellen könnten gezielter mit neuen Kräften besetzt werden.

Ein Wegfall der Personenfreizügigkeit wäre ein harter Schlag.
Myriam Schlatter, CEO Laudinella Group und Verbandsleitungsmitglied HotellerieSuisse

Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit
Das Hotel Alpenrose Wengen ist für die Wintersaison personell gut aufgestellt. «In den Bereichen Service, Küche und Reinigung sind wir komplett besetzt», so Gastgeber Daniel Binder. An der Réception ist Bestandspersonal im Einsatz, das vorab für die Tätigkeit geschult wurde. «So konnten wir die Kontinuität im Team sicherstellen und unseren Mitarbeitenden neue Perspektiven bieten.» In der Schweiz finde sich nicht genügend Personal, da das Hotel hauptsächlich Saisonverträge anbiete, sagt Binder.

Die Personenfreizügigkeit hält er für unverzichtbar. «Langfristig ist sie für die Schweizer Hotellerie ein Schlüsselfaktor, um weiterhin eine hohe Servicequalität gewährleisten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben.» Bewerber achten heute stärker auf Arbeitsbedingungen und Work-Life-Balance. Das Hotel Alpenrose setzt deshalb auf flache Hierarchien und investiert in gute Personalunterkünfte. «Wir sehen darin grosse Chancen, attraktiver zu werden, ohne sofort extreme Kosten zu haben.»

Langfristig ist die Personenfreizügigkeit für die Schweizer Hotellerie ein Schlüsselfaktor für die hohe Servicequalität und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe.
Daniel Binder, Gastgeber Hotel Alpenrose Wengen

Vertragspaket Bilaterale III
Einen politischen Rahmen erhält die Debatte mit dem neu ausgehandelten Vertragspaket Bilaterale III. Es soll die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU fortführen und vertiefen. HotellerieSuisse begrüsst in einer ersten Beurteilung dieses Folgepaket, das sich noch in der Vernehmlassung befindet. Der erleichterte wirtschaftliche Austausch mit der EU und die Weiterentwicklung wichtiger bestehender Abkommen wie des Personenfreizügigkeitsabkommens stärkten die Planungs- und Rechtssicherheit sowie die stabilen Beziehungen zur EU. Sie seien von eminenter Wichtigkeit für den Wirtschaftsstandort Schweiz.