Als die Trägerschaft des Innovationspreises Milestone vergangenen Mai offiziell bekannt gab, dass der jährliche Anlass nicht fortgesetzt wird, sorgte das bei der Milestone-Jury für Protest. «Das ist ja der Gipfel», sei die Reaktion gewesen, sagte Monika Bandi Tanner am Dienstag am Niesen Summit vor rund 100 geladenen Gästen. Doch aus dieser Entrüstung heraus entwickelte sich bald die Idee einer Gipfel-Konferenz, die sowohl zurück wie auch in die Zukunft blicken soll. Im Sommer hatte die Community der Milestone-Preisträger aus den letzten 21 Jahren im Rahmen eines Votings die zehn wirkungsvollsten, innovativen Tourismusprojekte bestimmt. Davon wählte die Jury vier Projekte aus (siehe unten), die nun am Summit mit Laudationen geehrt wurden und ein Preisgeld von 2500 Franken erhielten. [RELATED]

Am Nachmittag machten sich die Teilnehmenden in Workshops erste Gedanken, wie ein künftiger Innovationspreis konkret augestaltet sein könnte. Dass die Innovationsförderung fortan von den Tourismusregionen her gedacht werden könnte, war eine der Ideen. Offen blieb die Frage, wer als neue Trägerschaft infrage kommt.

Am Schluss des Niesen Summit kam Alt-Bundesrat Adolf Ogi zu Wort. «Zu einem neuen Innovationspreis würde ich dreimal Ja sagen», erklärte er. Damit schaffe man Aufmerksamkeit, fördere Innovation, und man erreiche, «dass die Öffentlichkeit zur Kenntnis nimmt, dass der Tourismus wichtig ist».


Das sind die Gewinner des Niesen Summit

Märchenhotel Braunwald (2006)
Der Milestone war auch ein wichtiger und persönlicher Meilenstein im Leben des Hotelier-Paars Patric und Nadja Vogel. Denn die beiden lernten sich am Event vom 14. November 2006 kennen. Seine Eltern beziehungsweise ihre heutigen Schwiegereltern erhielten damals den Award. «Kurze Zeit später wurden wir ein Paar, und gut sechs Jahre nach dem Milestone durften wir als dritte Generation das Märchenhotel in die Zukunft führen», sagt Patric Vogel.
Ab 2006 habe man noch klarer fokussiert und sich als Familienhotel in den Glarner Bergen positioniert. In den letzten Jahren hätten sie regelmässig grosse Investitionen für den Betrieb tätigen können. So etwa einen Aquarium-Unterwasserlift, einen vom Europapark Rust gebauten Spielraum mitten im Hotel und eine drei Meter grosse Lokomotive, die die Kinder in den Kinderspeisesaal führt. Dort fliegen die Tische nach dem Abendessen an die Decke, ehe von oben die Hüpfburg herabschwebt.

Grand Tour of Switzerland (2015)
Franziska Brunold, Manager Grand Tour of Switzerland bei Schweiz Tourismus, spricht von einem «Ritterschlag direkt durch die Branche» und einem «Booster»: «Das motivierte zusätzlich, sorgte für Bekanntheit der Tour und bestätigte allen Beteiligten, auf dem richtigen Weg zu sein.»
Zuvor habe es kein nationales Tourismusprodukt gegeben, das die Highlights der vielfältigen Schweiz flächendeckend und als Roadtrip vereinte. «Mit der E-Grand Tour und der Grand Train Tour bestehen heute ausserdem Ergänzungen, die der Nachhaltigkeit Rechnung tragen. So können wir noch breitere Zielpublika ansprechen», sagt Brunold weiter.
Die Bekanntheit der Grand Tour of Switzerland habe man in den vergangenen Jahren stark steigern können – insbesondere im Heimmarkt Schweiz. Heute ist die Grand Tour laut Brunold «langsam, aber sicher ein etabliertes und festes touristisches Produkt mit internationaler Strahlkraft»

«100 % Valposchiavo» (2016)
Für das Projekt «100 % Valposchiavo» war der Milestone in zweifacher Hinsicht entscheidend. «Er bestätigte der lokalen Bevölkerung und unseren Projektpartnern, dass wir auf dem richtigen Weg sind», sagt Kaspar Howald, Direktor von Poschiavo Turismo. Gerade in den Anfangsphasen von Projekten sei Anerkennung von aussen extrem wichtig für die Motivation aller Beteiligten. «Zudem brachte uns der Milestone eine Medienaufmerksamkeit, die wir sonst nie erreicht hätten. Das hatte eine grosse Sichtbarkeit auf dem Hauptmarkt zur Folge und führte sicherlich zu einem höheren Besucheraufkommen.» Ab 2015 stiegen die Übernachtungszahlen von circa 45 000 auf über 60 000 (2019). Inzwischen sind 150 Produkte mit dem Label «100 % Valposchiavo» ausgezeichnet worden, 13 Restaurants haben die Charta «100 % Valposchiavo –
Ristoranti» unterzeichnet, und die 4 lokalen Metzgereien sind bei der Charta «100 % Valposchiavo – Macellerie» dabei.

Jugendherbergen und Nachhaltigkeit (2007)
«Der Milestone brachte vor allem Sichtbarkeit und Publizität und uns selber zusätzliche Motivation und Überzeugung», sagt René Dobler,  Geschäftsleiter der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus, der Inhaberin von rund der Hälfte der Schweizer Jugendherbergen. Diese erhielten im Jahr 2007 den Mile­stone für eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie.
«Neu an unserer Strategie war zu der Zeit der umfassende, konsequente und unternehmensdurchdringende Ansatz zur Nachhaltigkeit; das gab es damals im Tourismus nicht», sagt Dobler. «Unsere Anstrengungen gewannen an Glaubwürdigkeit, und wir haben uns zusätzlich verpflichtet gefühlt, Erwartungen zu erfüllen und Versprechen einzulösen.» Bis heute habe man die Strategie kontinuierlich weiterentwickelt und ergänzt. Aus den Bausteinen CO2-Kompensation und Barrierefreiheit entstanden laut Dobler die Branchenlösungen «Cause we care» respektive «OK:GO». ua

Ueli Abt