Auch wenn Stromsparen wichtig und richtig ist: Die Schweiz braucht zukünftig massiv mehr sauberen Strom. Innerhalb von 27 Jahren, bis 2050, soll die Produktion von nachhaltigem Strom auf jährlich knapp 83 Terawattstunden ansteigen und sich damit praktisch verdoppeln. Für Solaranlagen eignen sich in den Bergen insbesondere Standorte an höheren Lagen: Hier scheint die Sonne länger, der Schnee sorgt durch Reflexion des Lichts für zusätzliche Lichtausbeute. [RELATED]

Doch das scheint zunächst nicht ins Bild zu passen: Ursprünglich und unberührt, so wünschen sich Touristinnen und Touristen die Natur. Spuren des Menschen sollen – wenn schon – möglichst traditionell und somit malerisch daherkommen. Nach dem Prinzip: historische Windmühlen in Spanien oder den Niederlanden sind okay, Windparks mit mutmasslich lärmigen und vogelzugfeindlichen Propellern sind nicht okay. Das Beispiel zeigt, dass ästhetisches Empfinden und damit die Akzeptanz von Bauten grob gesagt davon abhängt, wie viel Zeit seit dem Bau vergangen ist.

Offensichtlich ist es meist bloss eine Frage der Zeit, bis Betrachter ein technisches Bauwerk wie etwa den Chasseral-Sendemast, das Landwasserviadukt oder auch die Jungfraujoch-Bergstation mit Sternwartekuppel sogar als charakterisierenden Bestandteil der Landschaft wahrnehmen. Und viele Skitouristen dürften die Abfahrt auf der Piste an der frischen Luft und mit Blick aufs Bergpanorama als Naturerlebnis wahrnehmen, auch wenn sie sich dabei gerade in einer hochgradig vom Menschen geprägten Umgebung aufhalten. Es macht dennoch absolut Sinn, die benötigten neuen Kraftwerke dort zu bauen, wo bereits ein Netzanschluss besteht. Wenn Starkstromleitungen schon vorhanden sind, sollten sie nach Möglichkeit genutzt werden. So wie etwa am Lai da Nalps bei Tujetsch GR. Das Solarprojekt Nalpsolar in unmittelbarer Nähe eines Stausees ist für die Stromproduktion bereits erschlossen, was dem Prinzip der Bündelung Rechnung trägt.

Es ist schlicht ehrlich, wenn Touristen solche Anlagen zu Gesicht bekommen.

Doch auch in den vom Wintertourismus erschlossenen Gebieten muss es Platz haben für Solar-Freiflächenanlagen und eventuell Windparks. Immerhin vermarktet der Tourismus die Schweiz als nachhaltige Destination. Swisstainable muss auch heissen: Wir stehen dazu, dass es für den benötigten sauberen Strom entsprechende Anlagen braucht. Es ist somit schlicht ehrlich, wenn auch Touristen in ohnehin menschlich geprägten Landschaften solche Anlagen zu Gesicht bekommen. Schliesslich brauchen Skilifte, Bergbahnen und Wärmepumpen in Hotels grössere Mengen Strom. Ohne gewisse Kompromisse wird es nicht möglich sein, die Schweiz von Importen unabhängiger zu machen. Dabei gilt es auch, ursprüngliche Landschaften zu erhalten. Eine aktuelle Studie der ETH zur Windkraft zeigt auf, wie die alpine Landschaft durch die geschickte Wahl der Standorte etwas geschont werden könnte.

Neue Nationalpärke, wie sie die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz als Ausgleich fordert, wären eine Chance für den Tourismus. Vor wenigen Jahren scheiterten gleich zwei Projekte an der Urne. Vielleicht ist mit der Energiewende die Zeit nun reif für einen zweiten Anlauf.