47 Jahre dauerte es, bis einer Seilschaft aus drei Grindelwalder Bergführern und einem japanischen Gast am 10. September 1921 die Begehung des Mittellegigrats gelang.

Bereits 1919 kam der 25-jährige Japaner Yuko Maki nach Grindelwald, lernte dort den Bergführer Samuel Brawand kennen und machte mit ihm verschiedene Bergtouren in der Jungfrauregion. Im Herbst 1921 beschlossen sie gemeinsam mit den Bergführern Fritz Steuri und Fritz Amatter die Besteigung des Eigers über den Mittellegigrat. Ein Wagnis, denn der Grat war im Abstieg zwar bereits begangen worden, zahlreiche Aufstiegsversuche auch bedeutender Alpinisten waren bis zu diesem Zeitpunkt jedoch fehlgeschlagen.

Die vier Bergsteiger starteten den Aufstieg am 9. September. Am 10. September 1921 standen sie abends auf dem Gipfel auf 3970 m ü.M. Der Abstieg bis zum Eigergletscher nahm über sechs Stunden in Anspruch, da die Seilschaft nur eine Laterne hatte und nicht immer den einfachsten Weg fand. Am 11. September zogen die erfolgreichen Vier triumphal in Grindelwald ein.

Sommeraktionen in Grindelwald
Das Jubiläum wird in diesem Sommer mit besonderen Attraktionen im Rahmen des Kultursommers 2021 in Grindelwald zelebriert. So beleuchten Lichter am Mittellegigrat historisch wichtige Punkte auf der Route der Erstbegehung (siehe unten). Von Juli bis September erstrahlen sie von Einbruch der Dunkelheit bis nach Mitternacht. In einer Sonderausstellung im Grindelwald Museum werden ab Mitte August Fotos und Exponate der abenteuerlichen Geschichte der Erstbegeher zu sehen sein. Am 11. September folgt ein Jubiläumsanlass im Kreis der Bergführerschaft Grindelwald.

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Sechs historische Etappen im Licht
Die Lichter am Mittellegigrat markieren sechs historische Punkte:

1. Mittellegihütte
Drei Jahre nach dem Erstaufstieg wurde auf 3355 m auf dem Grat eine Hütte mit 16 Schlafplätzen gebaut. Yuko Maki ermöglichte den Bau mit einer Spende von  10‘000 Franken. 2001 wurde diese erste Mittellegihütte durch eine neue Hütte mit 32 Schlafplätzen ersetzt. 2019 wurde die Hütte noch einmal den erhöhten  Ansprüchen angepasst.

2. Biwakplatz der Erstbegeher
Am 9. Septembers 1921 erreichte die Viererseilschaft von der Station Eigergletscher aus bei Sonnenuntergang den Grat etwas westlich der Stelle, wo später die  Hütte erstellt wurde. Sie stiegen noch bis auf ca. 3500 m Höhe, wo sie in einem Loch auf der Südseite des Grates ihr Nachtlager einrichteten. Von hier aus  starteten sie um 7 Uhr morgens den weiteren Aufstieg.

3. Beim Grosser Gendarm
Bereits im Juli 1885 erreichte der Walliser Bergführer Alexander Burgener mit seiner Partie den Grossen Gendarm. Beim Anblick des Grossen Aufschwungs fasste er den Entschluss, die Scharte zwischen Gendarm und Grossem Aufschwung im Abstieg vom Gipfel her zu erreichen. Diese erste Begehung des Mittellegigrates im Abstieg gelang der Gruppe wenige Tage später.

4. Im Hick
An dieser Stelle beginnt der Grosse Aufschwung, welcher bis anhin im Aufstieg nicht überwunden werden konnte. Hier liessen die drei Bergführer auch ihren Gast Yuko Maki zurück, um die schwierigen Stellen für den Aufstieg vorzubereiten. Nachdem dies gelungen war, holte Samuel Brawand Yuko Maki und führte ihn über die gesicherten Stellen hinauf.

5. Ende des grossen Aufschwungs
Es war bereits 17 Uhr als die vier Bergsteiger das Ende des Grossen Aufschwunges erreichten. Allein für den fast 200 Meter hohen Aufschwung benötigten sie sieben Stunden. Hier stiessen sie auch auf den Pickel von Alexander Burgener, an dem er sich 36 Jahre zuvor abgeseilt hatte.

6. Gipfel
Um 19.15 Uhr erreichten die drei Bergführer mit ihrem Gast den Gipfel. Von hier brauchten sie – nur noch mit einer Laterne ausgerüstet – sechs Stunden für den Abstieg über die Westflanke. Um 2.30 Uhr trafen sie bei der Station Eigergletscher ein, wo der Wirt ihnen noch ein Nachtessen kochte.

(htr/pt)

Entstehung des Bergführerberufes vor 200 Jahren
1856 setzte der Bernische Regierungsrat das erste Bergführerreglement in Kraft und machte dadurch vor 165 Jahren die Tätigkeit des Bergführers zu einem offiziellen Beruf. Bereits vorher entwickelte sich in Grindelwald der Bergführerberuf aus den damaligen Fremdenführern und den Gletscherhirten, welche nahe am Unteren Grindelwaldgletscher Vieh sömmerten. 1898 wurde auf Initiative von Pfarrer Gottfried Strasser der Bergführerverein Grindelwald mit dem Zweck gegründet, das «Führergewerbe auf dem Platze Grindelwald zu fördern und den Führerstand in Grindelwald und dem Berner Oberland mit vereinten Kräften zu wahren». Seither hat sich das Bergführerwesen in Grindelwald verändert und weiter entwickelt, noch immer gilt jedoch der Wahlspruch aus der Gründerzeit: «Grindelwalder Führerschaft: Treue, Vorsicht, Mut und Kraft.»