Bauen ist auch heute harte und oft gefährliche Arbeit. Beim Bau des 2016 eröffneten Gotthard-Basistunnels kamen neun Bauarbeiter ums Leben. Doch so tragisch diese Todesfälle sind, sind heutige Baustellen kein Vergleich mit jenen um die Jahrhundertwende. Eine Zahl belegt das eindrücklich: Als im späten 19. Jahrhundert der erste Gotthardtunnel gegraben wurde, verloren dabei über 200 Bauarbeiter ihr Leben (wenn man jene Toten mitrechnet, die beispielsweise an den Spätfolgen der Arbeiten verstarben).

Um die Jahrhundertwende wurden in der Schweiz wichtige touristische Infrasturkturprojekte realisiert, von denen die Branche teils bis heute profitiert: Bergbahnen wurden gebaut, Eisenbahntrassen durch Berge und über Täler verlegt und Hotelpaläste und Kurbäder errichtet. Schwere Maschinen wie Krane und Bagger gab es zwar damals bereits, doch sie waren auf den Baustellen dieser Zeit eher selten anzutreffen. Und von modernen Tunnelbohrmaschinen wie sie sich heute durchs Gestein fressen, konnten Bauarbeiter nur träumen.

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Tunnelbau:  Hitze, Explosionen und Krankheiten
Heute betrachten wir es als Selbstverständlichkeit, dass täglich Hunderte Reisende durch Eisenbahntunnel wie Gotthard, Simplon und Lötschberg fahren. Dass solche Grossprojekte in der Belle Epoque realisiert werden konnten, forderte jedoch von den Arbeitern einen hohen Zoll.

Teils mussten sie das Gestein mit einfachsten Werkzeugen von Hand aus dem Berg schlagen. Am Südportal des Gotthards etwa kamen die Bauarbeiter in den Monaten zwischen Baubeginn Mitte September 1872 und dem Jahresende in Handarbeit nur 18 Meter weit. Später kamen Druckluft-Bohrmaschinen zum Einsatz, mit deren Hilfe die Arbeiter Löcher für die Sprengladungen in den Fels trieben.

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Die Abluft dieser Bohrmaschinen war gleichzeitig die einzige Belüftung der unterirdischen Baustelle. So erstaunt es nicht, dass Dynamitdämpfe und Baustaub die Atemwege und Augen der vornehmlich aus Italien stammenden Gastarbeiter schädigten. Weil die Tunnelbauer unter prekären hygienischen Bedigungen in Quartieren hausen mussten, für die ihnen auch noch ein Teil des Lohns abgenommen wurde, grassierten zudem Krankheiten wie Durchfall und Wurmerkrankungen.

Wer sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen zur Wehr setzte, musste mit dem Schlimmsten rechnen: In Göschenen wurden 1875 vier streikende Mineure von der Polizei erschossen, am Simplon wurden Armee und Bürgerwehren eingesetzt, um Streiks zu zerschlagen.

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Wie wenn harte Arbeit, schlechte Bezahlung und modrige Unterkünfte nicht schon schlimm genug gewesen wären, herrschten in den Stollen teils Temepraturen von über 40 Grad. Trotzdem zogen die rund 3000 Tunnelbauer in der Schweiz oft von einer Tunnel-Baustelle zur nächsten. Dazu muss man allerdings auch wissen: Die Bauarbeiter kamen häufig aus armen Gegenden im Piemont und der Lombardei und hatten kaum eine andere Wahl.

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Brückenbau: Eine Zeit der Modernisierung
Im 19. Jahrhundert erfuhr der Brückenbau einen Innovationsschub. Hänge- und Eisenbrücken wurden immer beliebter. Eine der imposantesten Hängebrücken der damaligen Zeit war die 1834 gebaute Grand Pont in Freiburg – an ihrer Stelle steht heute die 1924 eröffnete und deutlich weniger beeindruckende Zähringerbrücke.

Im Verlauf des Jahrhunderts wurden die Spannweiten länger und die Bauten grösser. Im frühen 20. Jahrhundert folgten die ersten Eisenbetonbrücken. Eine der bedeutendsten Betonbogenbrücken dieser Zeit ist die von 1907 bis 1908 gebaute Gmündertobelbrücke im Appenzell. Bei ihrer Fertigstellung war die Brücke mit ihrer Spannweite (lichte Weite) von fast 80 Metern sogar die weitest gespannte Betonbogenbrücke der Welt – wenn auch nur für kurze Zeit.

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Unsere Bilder zeigen allerdings, dass um die Jahrhunderwende auch die gute alte Steinbogenbrücke nach wie vor äusserst beliebt war. Gerade beim Ausbau des Eisenbahnnetzes wurden häufig solche Bogenbrücken erstellt.

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Das wohl bekannteste Beispiel einer Steinbogenbrücke dieser Epoche hat es sogar ins Welterbe der Unesco geschafft: der 65 Meter hohe und rund 140 Meter lange Landwasserviadukt. Beim Bau der Brückenpfelier wurde aus Kostengründen kein Gerüst verwendet. Stattdessen wurde in jedem Pfeiler ein eiserner Stützturm aufgebau, der nach und nach eingemauert wurde. Daran befestigt war auch eine Kranbrücke mit einer elektrischen Winde, mit der das Material nach oben gezogen wurde.

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Bergbahnen: Abgeseilte Arbeiter und Wein als Belohnung
Die 1889 eingeweihte Pilatusbahn ist mit einer Steigung von 48 Prozent die steilste Zahnradbahn der Welt. Zu Recht wurde dieses Meisterwerk der Ingenieurskunst damals gefeiert (der besondere Zahnradantrieb wurde sogar an der Weltausstellung 1889 in Paris präsentiert). Doch zu Unrecht gehen oft jene vergessen, die damals die Bahn bauen mussten.

Das steile Gelände war für die Arbeiten eine besondere Herausforderung. «An der Eselwand mussten sich die Arbeiter gar an Seilen herunterlassen, um ihre Arbeit ausführen zu können», schreibt die Bahn auf ihrer Website. Kaum je sei eine Bahn unter derart schwierigen Bedingungen gebaut worden. Speziell war auch, dass die Strecke abschnittweise fertiggebaut werden musste, weil die Bahn gleichzeitig als Transportmittel für das Baumaterial diente. Einen Eindruck, unter welchen harten Bedingungen die Arbeiter damals schufteten, vermitteln die Illustrationen von I. Weber aus dem Jahr 1889.

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Auch am Fusse des Eigers leisteten die Arbeiter ab 1896 Unglaubliches. Den ersten Streckenabschnitt der Jungfraubahn erstellen die meist italienischen Bauarbeiter mit Schaufel, Pickel und Muskelkraft. Weil die Bahn auf die Kleine Scheidegg damals nur im Sommer verkehrte, stellten im Winter Hundeschlitten die Versorgung ab Wengen sicher. Nach nur zwei Jahren Bauzeit wurde der Abschnitt zum Eigergletscher in Betrieb genommen.

Beim anschliessenden Tunnelbau kamen dann zwar auch schwere Geräte wie Druckluftbohrer zum Einsatz. Trotzdem war die Arbeit kräftezehrend und gefährlich. «Sechs Mal streiken die Arbeiter, acht Mal wechselt die Bauleitung, und 30 Bauarbeiter bezahlen mit ihrem Leben – mehrheitlich aufgrund von Sprengunglücken», schreiben die Jungfraubahnen zu ihrer Geschichte. Um die Arbeiter bei Laune zu halten, garantierte man ihnen eine Flasche Rotwein pro Arbeiter und Tag.

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Hochbau: Wo ist denn hier der Kran?
Die Bilder von Baustellen im Hochbau um die Jahrhunderwende muten aus heutiger Sicht beinahe surreal an. Denn heute dominiert auf praktisch jeder grössen Baustelle ein Kran den Gesamteindruck. Doch Turmkrane in der Form, wie wir sie heute kennen, wurden erst 1910 entwickelt und setzten sich erst um die 1950er-Jahre auf den Baustellen durch.

Auch sonst ist wie eingangs erwähnt kaum schweres Gerät auf den Baustellen auszumachen. Dabei wären solche Hilfsmitteil teilweise bereits verfügbar gewesen. Historiker erklären das Fehlen von Baumaschinen auf den damaligen Baustellen damit, dass es oft am Wissen um die Geräte gefehlt hat. Ausbaden durften das dann die Arbeiter, die mit umso mehr Muskelkraft ans Werk gehen mussten.

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