«Zweitwohnungen erfreuen sich nach wie vor hoher Beliebtheit, können aber in gewissen Fällen auch zu Unmut bei der einheimischen Bevölkerung führen», so Philippe Ritschard, Gemeindepräsident von  Interlaken. Im Wissen um die Aktualität zur Zweitwohnungs- und Plattformwohnungsthematik entschied sich der Interlakner Gemeinderat, gemeinsam mit Interlaken Tourismus (TOI) einen Ausschuss zu bilden. Dabei wurde die auf rechtliche und raumplanerische Fragen spezialisierte Beratungsfirma Ecoptima AG beigezogen. Erste Ergebnisse des Ausschusses liegen nun vor.

Interlaken als Vorreiter
Interlaken ist die einzige Gemeinde auf dem Bödeli und auch gegenüber zahlreichen Regionen, welche bereits über ein Reglement zum Zweitwohnungsthema verfügt. «Dieses Reglement führt dazu, dass aktuell zahlreiche Umnutzungsgesuche publiziert werden – dabei handelt es sich zu einem grossen Teil um nachträgliche Bewilligungen für bereits als Zweitwohnung zur kurzzeitigen Vermietung genutzte Objekte», erläutert die Gemeinde. [RELATED]

Dies, aber auch die aktuellen Medienbeiträge rund um Luzern oder das geplante Reglement in Unterseen BE heizen die Diskussion weiter an. Da könne es passieren, dass Fakten verzerrt oder falsch interpretiert werden, heisst es seitens Gemeinde. Und: «Fakt ist, dass wir in Interlaken einen Zweitwohnungsanteil von rund 13 bis 14 Prozent aufweisen. Schauen wir auf die Leerwohnungsziffer, liegen wir mit aktuell 1,47 Prozent im Schweizer Schnitt.»

Der Tourismus ist der Antrieb der Interlakner Wirtschaft, daher sind auch Zweitwohnungen wichtig und nicht wegzudenken.
Kaspar Boss, Vizegemeindepräsident Interlaken

Gemeinde und Tourismus spannen zusammen
«Der kurzzeitige Aufenthalt in Zweitwohnungen hat sich als feste Beherbergungsform etabliert. Stark touristisch nachgefragte Destinationen wie Interlaken sind von dieser Entwicklung stärker betroffen. Dieser können wir uns nicht verschliessen, aber wir können dafür sorgen, dass rufschädigende und unlautere Angebote zur Rechenschaft gezogen werden», so Philippe Ritschard. Diese komplexe Thematik erfordere einen noch intensiveren Dialog und Konsensfindung zwischen allen involvierten Seiten.

Im August 2023 wurde ein Ausschuss mit Interessensvertretern aus Gemeinde und Tourismus gebildet. Die Gemeinde will die Nutzungen zur kurzzeitigen Vermietung nicht verhindern, sondern dafür sorgen, dass mangelhafte Objekte sich nicht imageschädigend auf das lokale Übernachtungsgewerbe auswirken. Alle hätten ein Interesse daran, dass ein qualitatives Angebot sichergestellt werde und negative Auswirkungen wie Lärmimmissionen, fehlende Durchsetzung von Hausordnungen oder gar unzumutbare Angebote wie umgebaute Nebenräume eliminiert werden, heisst es weiter.

Erste Resultate der Ausschussarbeit
«Alle neu erarbeiteten Überbauungsordnungen (UeO) und Zonen mit Planungspflicht (ZPP) werden ab sofort mit 100 Prozent Erstwohnungsanteil (EWA) belegt», sagt Kaspar Boss. «Der Tourismus ist der Antrieb der Interlakner Wirtschaft, daher sind auch Zweitwohnungen wichtig und nicht wegzudenken. Allerdings ist es eben auch zentral, ausgleichend einzugreifen, um zum Beispiel Wohnraum für einheimische Familien zu schützen.» Als aktuelles Beispiel nennt Boss das IBI-Areal, auf welchem 100 Wohnungen entstehen und ein Erstwohnungsanteil von 100 Prozent durchgesetzt ist. Zudem werden 30 Wohnungen zu vergünstigtem Mietzins angeboten werden.

Wir begrüssen eine qualitative Tourismusentwicklung im Sinne des Angebots, aber auch in Bezug auf Tourismus und Einheimische gemäss unserer Strategie Ferienregion Interlaken 2030.
Daniel Sulzer, Tourismusdirektor Interlaken

Unmittelbare Massnahmen eingeleitet
Laut Gemeinderat kann die Gemeinde durch ihre Organe Untersuchungsmassnahmen im Sinne der Steuergesetzgebung bei den Beherbergenden durchführen. Die TOI gilt gemäss Reglement als Vollzugsstelle. Der Prozess für die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde, der Bauverwaltung, der Vollzugsstelle und weiteren involvierten Stellen wird jetzt erstellt. Die Umsetzung ist ab dem 3. Quartal 2024 vorgesehen.

Verschärfte Kontrollen über die Belegung aller nicht als Erstwohnungen registrierten Objekte mit Verstössen können mit Bussen geahndet werden – dazu zählen unter anderem nicht gemeldete Objekte oder fehlende Kurtaxenabrechnungen. Auch die baupolizeilichen Zustandsprüfungen der touristisch genutzten Wohnungen führen bei Widerhandlungen zu Bussen. Die Angleichung der Auflagen an die bereits stark reglementierten und systematisch geprüften Anbieter wie Hotels, Hostels, Campings und Gruppenunterkünfte erachtet der Ausschuss  als fair und zielführend für einen qualitativen Tourismus.

«Wir begrüssen eine qualitative Tourismusentwicklung im Sinne des Angebots, aber auch in Bezug auf Tourismus und Einheimische gemäss unserer Strategie Ferienregion Interlaken 2030. Die Sensibilisierung ist eine permanente Aufgabe der TOI», so Daniel Sulzer, Tourismusdirektor von Interlaken. Das korrekte Ausfüllen des Kurtaxenformulars komme auch den Gästen zugute: «Zahlen die Beherberger die Kurtaxe, haben die Gäste Anrecht auf eine Gästekarte, die ihnen viele Vergünstigungen und die kostenlose Benützung des öffentlichen Verkehrs bietet.»

Ausschussarbeit wird fortgesetzt
Weitere Handlungsmöglichkeiten wurden vertieft geprüft, wären jedoch aufgrund gesetzlicher Rahmenbedingungen nur mittel- bis langfristig umsetzbar. Dazu gehören zum Beispiel die Veränderung des EWA in den verschiedenen Zonen oder die Einführung eines EWA in den Wohnzonen.  Ebenso wurde die Beschränkung der Anzahl Fremdübernachtungen pro Jahr sowie eine Lenkungsabgabe für neue und bestehende Zweitwohnungen analysiert. Der Ausschuss wird weiter darüber befinden.

Andere Handlungsoptionen sind aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht umsetzbar: Beispielsweise eine Wohnsitzpflicht für Vermieter von Zweitwohnungen, welche gegen die Niederlassungs- und Wirtschaftsfreiheit verstossen würde. Oder eine Reduktion des Zweitwohnungsanteils auf unter 20 Prozent, was einem Verstoss gegen das Bundesrecht gleichkäme.

«Wir sind überzeugt mit diesen Schritten erste wirkungsvolle Massnahmen getroffen zu haben. Diese Thematik wird uns noch weiter beschäftigen – immer mit dem Ziel, diese Beherbergungsform in unserer touristisch geprägten Gemeinde in Einklang mit der einheimischen Bevölkerung zu bringen», so Philippe Ritschard. (mm)