Der Countdown für deutsche Mallorca-Fans wird kürzer als erwartet: Mit Hilfe von bis zu 10'900 Deutschen, die ab Montag nach und nach auf die Balearen dürfen, testen Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera den Ernstfall für den Sommerurlaub in Corona-Zeiten.

Erstes sicheres Ziel
«Die Inseln werden das erste sichere Ziel in Spanien nach der Pandemie sein», erklärte Regionalpräsidentin Francina Armengol am Dienstag in Palma de Mallorca. Die Zentralregierung in Madrid, die die Grenzen des einstigen Corona-Hotspots erst am 1. Juli offiziell für Touristen öffnen wird, hatte am Vortag nach tagelangen zähen Verhandlungen endlich grünes Licht gegeben.

Deutschland sei aus zwei «offensichtlichen» Gründen für dieses Pilotprojekt ausgewählt worden, sagte Armengol: «Deutschland ist das Land, aus dem am meisten Urlauber zu uns kommen, und die epidemiologischen Zahlen sind den unseren sehr ähnlich».

Die Urlauber müssten mindestens fünf Tage auf den Inseln bleiben und sich nach der Einreise nicht zunächst in Quarantäne begeben, wie es sonst bisher in Spanien bei Einreisen aus dem Ausland vorgeschrieben ist, erklärte Armengol. Ihr Gesundheitsminister Iago Negueruela betonte, es dürften auch Deutsche einreisen, die einen Zweitwohnsitz auf den Inseln besitzen. Die Menschen würden per Flugzeug nach und nach ins Land gelassen.

Ein Covid-19-Test wird nicht verlangt werden. Armengol: «Die Reisenden müssen im Flugzeug ein Gesundheitsformular ausfüllen, und nach der Landung wird auf den Flughäfen die Temperatur gemessen.» Wenn ein Tourist keine Symptome aufweise, könne er sich dann sofort in seine Unterkunft begeben, so die Sozialistin.

Probe für Ernstfall
Das Pilotprojekt soll dazu dienen, den Ernstfall– den erwarteten Touristenansturm ab Juli – zu proben. Man wolle prüfen, ob die Sicherheitsvorkehrungen unter anderem an den Flughäfen und in den Hotels funktionieren. «Die Sicherheit der Einheimischen, des Personals und natürlich der Gäste steht im Mittelpunkt», sagte die Regierungschefin. Sollte ein Tourist Covid-19-Symptome aufweisen, werde er getestet. Und falls dieser positiv sei, werde ihm und seiner Familie ein spezielles Quartier zugewiesen.

Die fast 11 000 Urlauber sind fast doppelt so viele wie spanische Medien am Vortag berichtet hatten. Aber es sind nicht wirklich viele, eher sehr wenige. Es sind tatsächlich nur 0,91 Prozent der Touristen, die in der zweiten Junihälfte 2019 auf den Balearen Urlaub machten.

Freude auf «Alemanes»
Dennoch freut man sich auf Mallorca und den anderen Inseln nach der dreimonatigen Corona-Schliessung wie noch nie zuvor auf die «Alemanes». Carme Planas, die Präsidentin des Gastronomie-Verbandes CAEB, sagte: «Wir müssen unsere Anstrengungen bündeln, damit das Projekt funktioniert, um Vertrauen herzustellen.» Damit könnte man zum Vorbild für andere Tourismus-Regionen in Spanien werden. Die Chefin der Hoteliers-Vereinigung FEHM, Maria Frontera, sagte: «Wir müssen diesen Anstoss geben, damit die Balearen in aller Welt als sicheres Reiseziel gesehen werden.»

Gesundheitsminister Negueruela hatte zuvor bei den Verhandlungen mit Madrid mehrfach betont, die Balearen benötigten den Tourismus «wie die Luft zum Atmen». Die Einnahmen der Branche machen über ein Drittel des regionalen Gesamteinkommens aus.

Aber nicht alle freuen sich: Unter Einheimischen gab es Proteste. Sie hätten Angst um ihre Gesundheit, sagten Mallorquiner, die unter anderem an der Party-Meile Ballermann leben. Armengol wurde gefragt, ob es keine Angst vor importierten Infektionen gebe: «Deshalb haben wir ja Deutschland ausgewählt, weil die epidemiologischen Daten in Deutschland und den Balearen ähnlich sind.»

Die vielen Briten, die sonst den Deutschen auf Mallorca als grösste Besuchergruppe «Konkurrenz» machen, werden neidisch sein. Denn ein Pilotprojekt mit ihnen sei nicht vorgesehen, sagte Negueruela auf Frage eines Journalisten. Die epidemiologische Lage in Grossbritannien sei nicht so wie auf den Balearen. Grossbritannien sei ja zudem nicht im Schengenraum, lautete die zweite Erklärung des Ministers.

An dem Projekt beteiligen sich vier örtliche Hotelketten. Auf deutscher Seite sind die Reiseveranstalter TUI, DER Touristik und Schauinsland Reisen mit von der Partie. Auf Mallorca sollen die deutschen Urlauber nach Medienberichten an der Playa de Palma und in der Bucht von Alcúdia untergebracht werden.

Spanischen Medienberichten zufolge verhandeln auch die Kanaren mit Madrid über ein ähnliches Pilotprojekt. (awp/sda/dpa)