«Im Freizeittourismus fangen wir komplett bei null an», sagt Renya Heinrich, Geschäftsführerin von Zug Tourismus. «Das Bewusstsein, dass auch Freizeitgäste Wertschöpfung bringen können, fehlte bislang komplett.» Bis zur Corona-Pandemie. Der massive Einbruch der Businessgäste traf Zug mit voller Wucht. Verzeichnete der Businesskanton im Jahr 2018 über 302'000 Logiernächte, waren es 2020 nur noch 136 000.

Vergleicht man die wichtigsten Länder in diesem Zeitraum, wird deutlich: Die Anzahl Schweizer Gäste reduzierte sich von rund 113'700 auf 84'800, die der Deutschen, Zugs zweitwichtigster Markt, von 38 000 auf 16'000. Die Logiernächte der US-Amerikaner schrumpften von 15'200 auf 3'000, die der Gäste aus Indien von 20'500 auf 1100 und derjenigen aus China von 22'000 auf gerade noch 700.

Schmerzhaft erfuhren die Zuger Touristiker und der Detailhandel, wie abhängig sie von Geschäftsreisenden sind. Bis zu 90 Prozent machen diese teilweise aus. Frischen Wind bekam die globalisierte Kleinstadt erstmals im Mai 2020. Andreas Zgraggen, ein erfahrener und langjähriger Touristiker, wurde zum neuen Präsidenten für Zug Tourismus gewählt. Ein paar Monate später nahm Renya Heinrich die Geschäftsführung in die Hand. «Ein Glückstreffer», sagen viele Zuger Touristiker. Die diplomierte Tourismusfachfrau mit Weiterbildungen in Marketing und Kommunikation ist eine Einheimische – im Rucksack trägt sie einen Erfahrungsschatz von 25 Jahren Bündner Tourismus. Die Zielstrebige freut sich über erste Erfolge, darüber, dass der Tourismus in Zug mehr Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit erhält. «Wir haben uns bei Stadt und Kanton Gehör verschafft. Sie haben sich dem Tourismus verpflichtet.»

Ringen um neue digitale Gästekarte
Eine Neuausrichtung erfordert auch eine frische Strategie. Diese wurde mit der Agentur Schmid, Pelli & Partner erarbeitet und im März 2021 vom Vorstand abgesegnet. «Zug wird als Tourismusdestination total unterschätzt», sagt Jürg Schmid, Agentur-Partner und ehemaliger Direktor von Schweiz Tourismus. Er schwärmt von dem «unglaublich schönen See» mit Strandpromenade, der gut erhaltenen Baustruktur der «charmanten Altstadt» und dem «überraschend vielfältigen Kulturangebot». Hinzu kommt, dass alle Seebadis gratis sind, Gäste am gleichen Tag Berg und See geniessen können, moderne Plastiken von bekannten Kunstschaffenden aus aller Welt den öffentlichen Raum bereichern und es auf engem Raum viele Architekturhighlights gibt.

Nebst dem urbanen Zentrum Zug mit internationalem Flair bietet der Kanton in kompakter Form auch viel Natur und Tradition. All diese Vorteile und wichtigsten Leuchttürme sollen den Touristen ab 2023 gratis oder vergünstigt in Form einer digitalen Gästekarte angeboten werden. Die Gespräche und Verhandlungen dazu laufen mit diversen Tourismusakteuren auf Hochtouren.

Neuausrichtung erfordert Umdenken von Hoteliers
Christoph Ruckli, Geschäftsführer des Hotels Löwen in Zug und seit Juli 2022 Präsident von HotellerieSuisse Zugerland, sieht gute Chancen für die Freizeitgäste. Er betont jedoch, dass die neue Fokussierung ein Umdenken, Hartnäckigkeit und Ausdauer brauche. «Das wird kein Selbstläufer nach ein bis zwei Jahren.» Ruckli macht auch keinen Hehl daraus, dass nicht alle Hoteliers gleicher Meinung sind. Die Zimmerpreise in Zug liegen unter der Woche – wegen der grossen Nachfrage und der hohen Bodenpreise – bei 160 Franken aufwärts für ein 3-Sterne-Hotel. Bei der komfortablen Zimmerauslastung von 80 bis 100 Prozent unter der Woche nehmen manche Häuser in Kauf, dass an den Wochenenden nur jedes dritte Bett warm ist. Dazu Christoph Ruckli diplomatisch: «Das muss jeder Betrieb für sich selbst entscheiden.»

«Im Freizeittourismus fangen wir komplett bei null an.»
Renya Heinrich, Geschäftsführerin Zug Tourismus

Eine Hotelière, die gerne auf die Karte Freizeitgäste setzt, ist Irene Gangwisch. «Ich habe lange in einer Feriendestination gearbeitet und bin begeistert von Zug. See, Berge. Alles an einem Fleck.» Gangwisch ist seit Februar 2022 General Manager von Parkhotel Zug und City Garden Hotel Zug, beide im 4-Sterne-Superior-Segment. Zu den rund 400 Zimmern in der Stadt Zug tragen ihre Häuser knapp die Hälfte bei. Obwohl sie ihre Zimmer während der Woche bis zu dreimal vermieten könnte, bietet sie ihren Gästen an Wochenenden und in Ferienzeiten neu Wander-, Bike- und Familien-Packages an. Weitere Ideen sind in der Pipeline. «Unsere Hotels sowie die Stadt Zug sollen auch am Wochenende belebt sein.»

Hoffen auf neue Hotels und internationale Marken
Philipp Hofmann, unter anderem Geschäftsführer der Zugerberg-Bahn und der Zugersee-Schifffahrt, ist froh, «dass Zug endlich aus seinem Dornröschenschlaf erwacht». Der Touristiker wünscht sich jedoch mindestens ein bis zwei zusätzliche Hotels. «Gute Destinationen brauchen gute Übernachtungsmöglichkeiten. Denn nur Gäste, die hier sind, bringen hier auch Wertschöpfung.»

Gerade noch sechs Hotels hat die Stadt Zug seit der Pandemie. Einen ersten Lichtblick bietet das Areal des alten Kantonsspitals Zug, wo ab 2027 unter anderem ein Boutique-Hotel direkt am See entstehen soll. Renya Heinrich wünscht sich zudem, dass eine internationale Hotelmarke in Zug Fuss fasst. Und dass die hiesigen Hotels umdenken und auch für Freizeitgäste Angebote entwickeln und aufrüsten. Zum Beispiel mit Ladestationen und besseren Infrastrukturen für die zahlreichen Velotouristen der Veloland-Route 9 (vom Bodensee bis zum Lac Léman) und der Herzroute (Willisau nach Zug). «Wir wollen Zug als Kanton mit hoher Lebens- und Erlebnisqualität und als touristischen Geheimtipp positionieren.»