Alois Vinzens, seit 2013 haben Sie Einsitz in der SGH-Verwaltung und rücken nun als Präsident nach. Was bedeutet der Schritt für Sie?
Ich freue mich, die SGH zu präsidieren. Schon während meiner Karriere als Chef der Graubündner Kantonalbank hatte ich oft mit Hotelfinanzierungen zu tun. Im Ferienkanton Graubünden mit seiner langen Hoteltradition war das ein naheliegendes Geschäftsfeld. Schon damals stand ich oft mit der SGH in Kontakt, ich habe den Nutzen des Förderinstrumentes SGH kennen und schätzen gelernt. In diesem Sinne ist das SGH-Präsidium eine Fortsetzung dessen, was ich schon immer gemacht und als wichtig erachtet habe. [RELATED]

Nur mit den Banken und Branchenverbänden zusammen kann die SGH erfolgreich sein.

[IMG 2]Wo sehen Sie die grösste Herausforderung der anstehenden Amtszeit?
Grosse Herausforderungen sehe ich unmittelbar keine. Die SGH ist heute sehr gut aufgestellt, sowohl im Verwaltungsrat wie auch in der Geschäftsleitung und im ganzen operativen Team. Wir haben die notwendigen Expertisen verfügbar, um die SGH erfolgreich zu führen. Ich denke, dass die Herausforderungen vor allem bei den Veränderungen in der Branche liegen. Darauf wollen wir mit neuen Dienstleistungen reagieren.

Ich denke insbesondere an die Mitfinanzierung neuer Geschäftsprozesse wie Robotisierung und Digitalisierung. Dies nicht zuletzt auch als Reaktion auf den akuten Arbeitskräftemangel. Ein weiteres Tätigkeitsfeld ist die Förderung von Nachhaltigkeitsthemen. Mit der bevorstehenden Gesetzesrevision ergibt sich hier eine grosse Chance, die wir nutzen wollen. Weiter wollen wir die gute Zusammenarbeit mit den Banken weiterführen. Nur mit ihnen und zusammen mit den Branchenverbänden kann die SGH erfolgreich sein. Künftig wollen wir unsere Beratungsleistungen noch bekannter machen. In der Zusammenarbeit mit Banken und weiteren Partnern können wir diese noch besser verankern.

Wirtschaftsprüfer und Banker
Alois Vinzens (64) studierte an der Universität St. Gallen (HSG) Betriebswirtschaft. Es folgte das Diplom als eidgenössisch diplomierter Wirtschaftsprüfer und Weiterbildungen, unter anderem an der Harvard Business School in den USA. Vinzens war 16 Jahre lang CEO der Graubündner Kantonalbank. Heute ist er im Verwaltungsrat verschiedener Firmen und Branchen tätig. Seit 2013 ist er Mitglied der neunköpfigen SGH-Verwaltung, 2019 wurde er zum Vizepräsidenten gewählt. Bundesrat Guy Parmelin wählte ihn für die Amtszeit 2023 bis 2027 zum Präsidenten der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH). Alois Vinzens wohnt in Domat Ems. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne. Er spielt Golf, liebt das Kochen und liest «leidenschaftlich gerne» Zeitungen.

Zu den grossen Herausforderungen der Branche gehört die Nachhaltigkeit. Wie will die SGH in diesem Bereich künftig Hotelbetriebe unterstützen?
Nachhaltigkeit ist ein grosses, umfassendes Thema, das zum strategischen Hauptbestandteil jeder Unternehmungsführung geworden ist. Derzeit erarbeiten wir eine Nachhaltigkeitsstrategie, einerseits intern als SGH, aber auch in Bezug auf die Finanzierung und Beratung von Beherbergungsbetrieben. Wir wollen Anreizsysteme schaffen, um Veränderungen in den bekannten Nachhaltigkeitsdimensionen wie Umwelt, Soziales und Führung zu unterstützen.

Dabei ist aber auch klar, dass die SGH als Institution alleine keine grosse Wirkung erzielen kann. Wir können schliesslich nicht Nachhaltigkeitspolizistin sein. Nur in Kombination mit Bewilligungsinstanzen und Banken könnten wir hier eine Wirkung erzielen. In diesem Sinne stützen wir uns als Immobilienfinanzierer primär auf die bereits strengen baulichen Bewilligungsvorschriften ab, und wir suchen den Dialog mit den Banken und der Branche, um beim Thema Nachhaltigkeit voranzukommen.

Ein weiterer Trend ist die Digitalisierung und Automatisierung. Bislang hat die SGH immer nur Hardware finanziert. Gibt es Bestrebungen, künftig auch bei Investitionen in Software zu unterstützen?
Es ist richtig, wir finanzieren primär Immobilien, vor allem im Bereich von Neu- und Umbauten. Künftig wollen wir im Hinblick auf neue Bedürfnisse in den Bereichen Automatisierung und Digitalisierung stärker aktiv sein. Bei Neubauprojekten wird die Investition in diese Bereiche oft in den Gesamtkosten mitberücksichtigt und so heute schon mitfinanziert. Die Gesetzesrevision, die 2026 in Kraft treten soll, sieht denn auch in diesem Bereich eine Änderung vor. Seitens Staatssekretariat für Wirtschaft erfahren wir dabei Unterstützung. Wie es aussieht, hat das Vorhaben politisch gute Chancen.

Wenn es um die Nachfolge geht, bleibt vielen Betrieben oft nur die Schliessung oder die Umnutzung. Eine weitere Lösung könnten Kooperationen sein, etwa durch den Zusammenschluss von Immobilien in einer Aktiengesellschaft. Welche Möglichkeiten bietet die SGH in diesem Bereich an?
Grundsätzlich ist die SGH bei Nachfolgefinanzierungen schon heute sehr aktiv. Wir helfen bei der Finanzierung des Besitzwechsels und beim Kauf durch Neuinvestoren, aber auch bei der Bündelung von Betrieben. Kooperationen sind oft grosse und komplexe Projekte, welche von der SGH mitfinanziert werden können. Bei Kooperationen muss vor allem der Wille der Akteure vorhanden sein, mit dem Ziel, bessere Dienstleistungen zu erbringen und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Dieser Schritt ist oft anspruchsvoller als die darauffolgende Finanzierung. Seitens SGH gibt es keine Hindernisse. Schliesslich wird bei Kooperationen die Tragbarkeit oftmals verbessert.

Fördert die SGH solche Projekte also nicht aktiv?
Doch, im Rahmen unserer Beratungsdienstleistungen machen wir auch Wirtschaftlichkeitsanalysen und Machbarkeitsstudien. In diesem Kontext können wir solche Optionen ins Spiel bringen.

Dass nur Hotels in den Bergen gefördert werden, ist nicht mehr zeitgemäss. Welche Nachfrage nach Krediten gibt es in den Städten?
Die politische Forderung zur Öffnung des Förderperimeters sehen wir positiv, solange der heutige Perimeter nicht benachteiligt wird. Unser primäres Tätigkeitsfeld darf nicht geschwächt werden. Die Nachfragesituation nach Fördergeldern in der Stadthotellerie wird derzeit diskutiert. Wir gehen aufgrund unserer Rückmeldungen davon aus, dass die Nachfrage nach SGH-Finanzierungen in den Städten eher bescheiden sein dürfte. Denn in den Städten kommen Hotelbetriebe oftmals mit der klassischen Bankenfinanzierung aus. Die Stadthotellerie, welche tendenziell höhere Profitabilitätsraten und weniger Saisonalität aufweist, ist zudem stark von finanzstarken Investoren geprägt.

 


Thomas Bieger, durch welche Entwicklungen war Ihre Amtszeit bei der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit geprägt?
Die 24 Jahre meiner Amtszeit haben einen vollen Finanz- und Konjunkturzyklus abgedeckt. Dieser startete mit einer Hochzinsphase in den 90er-Jahren. Die Immobilienpreise sanken, und viele immobilienlastige Klein- und Mittelunter-nehmen, auch die Hotellerie, waren mit Finanzierungsproblemen konfrontiert. [IMG 3]

Dies unter anderem auch verstärkt durch die Änderung der Bewertungspraxis. Viele landeten im sogenannten Work-out der Banken. Die Banken kamen selbst unter Druck und mussten ihre Finanzierungspolitik verschärfen. Schliesslich folgte, was immer nach einer Periode günstigen Geldes mit steigenden Zinsen passiert – riskante Investments kamen unter Druck, die erste Dotcom-Blase platzte Anfang der 2000er-Jahre. 2007 folgte dann die Finanzkrise. Dies löste wieder eine Phase günstigen Geldes aus, denn die Notenbanken wollten eine Wirtschaftskrise zuletzt auch während Covid vermeiden. Und jetzt sind wir als Resultat wieder in einer Inflationsphase, und die Zinsen steigen. Und die Immobilienpreise beginnen zu sinken.

Dank guter Zusammenarbeit konnten wir immer wieder pragmatische Lösungen finden.

Was waren die Herausforderungen für die Beherbergungswirtschaft?
In den 90er-Jahren wurden die Bewertungssysteme von Substanzwert auf Ertragswert umgestellt. Viele Hotels hatten Mühe, ihre Kredite zu refinanzieren und die Risikozuschläge auf ihren Kreditzinsen zu zahlen. Als Folge davon wurden die von der SGH gewährten Bürgschaften von den Banken beansprucht. Die SGH musste viele Wertberichtigungen vornehmen und die Bilanz mithilfe des Bundes sanieren.

Seit der Gesetzesänderung im Jahr 2003 gewährt die SGH nur noch Darlehen zur Mitfinanzierung von Investitionen. Später kam die Finanzkrise mit den Unsicherheiten der Finanzierung. Und zuletzt die Covid-Krise, bei der man nicht wusste, wie sie sich auf den Tourismus und die Ertragskraft der Branche auswirkt. Dank der guten Zusammenarbeit der SGH mit der Branche, den Banken und vor allem mit dem Bund konnte man immer wieder pragmatische Lösungen finden. Dies zeigte sich etwa in der Covid-Krise, als mit der Verlustübernahmegarantie des Bundes die Funktionsfähigkeit der SGH pragmatisch aufrechterhalten werden konnte.

Karriere in Lehre und Forschung
Thomas Bieger (62) studierte an der Universität Basel Wirtschaftswissenschaften. Er hat die Höheren Fachschulen für Tourismus Luzern und Graubünden mitgegründet. Er forschte und lehrte auch in Wien, Innsbruck und Vancouver. 1997 wurde er als Lehrstuhlinhaber für BWL und Tourismus an die Universität St. Gallen (HSG) berufen und leitete dort das Institut für Tourismus und Verkehr. 2011 bis 2020 amtete er als HSG-Rektor. Parallel war er über verschiedene Mandate in Stiftungs- und Verwaltungsräten tätig, bis 2022 als Verwaltungsratspräsident der Jungfraubahn Holding. Seit 1999 ist er Mitglied der Verwaltung der SGH, die er von 2013 bis 2023 präsidierte. Bieger ist verheiratet. Er hat eine Tochter und einen Sohn.

Was waren die drei wichtigsten Meilensteine in Ihrer Amtszeit?
In meine zehn Jahre als Präsident fallen die Ingangsetzung der Gesetzesrevision und die personelle Erneuerung der operativen und strategischen Führung. Wir haben eine total erneuerte Geschäftsleitung, und wir haben seit der Generalversammlung vom 26. Juni einen total erneuerten Verwaltungsrat.

Was ist Ihnen gelungen?
Das müssen andere beurteilen! Für mich war wichtig, dass der Dialog mit der Branche, aber auch mit den Banken und dem Bund sehr gut war und die Zusammenarbeit funktioniert hat, so etwa während der Covid-Krise 2020. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Vertretern der Beherbergungsbranche, der Banken und der SGH während des Lockdowns im Frühjahr 2020 – natürlich per Zoom –, als man die möglichen Szenarien der Krise für die Finanzierung der Beherbergungsbranche besprach. Thema war damals insbesondere auch die Auswirkung der Krise auf die Bewertung der Hotellerie. Dieser offene und lösungsorientierte Dialog ist typisch für die Schweiz und ein Erfolgsfaktor der Branche und unseres Landes.

Was gelang weniger?
Die SGH finanziert sich aus den Zinserträgen auf den Darlehen sowie den flüssigen Mitteln. Dagegen entfällt eine Verzinsung auf dem Genossenschaftskapital und den Bundesdarlehen. Auch die Risiko- und Betriebskosten müssen daraus finanziert werden. Die SGH ist zur Eigenwirtschaftlichkeit verpflichtet. Das war während der langen Phase der Negativzinsen ab 2015 eine Herausforderung. Man musste der Versuchung widerstehen, für kurzfristig höhere Erträge langfristig höhere Risiken einzugehen. Dank guter Zusammenarbeit und der übereinstimmenden Denkweise in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung hat man zugunsten der langfristigen Stabilität agiert.

Braucht es in der Zukunft eine SGH?
Die SGH ist einschliesslich der Vorgängerorganisationen mehr als 100 Jahre alt. Meine 24 Jahre Amtszeit waren geprägt von einem sehr langen Zyklus, einem von vielen. In jedem Zyklus gibt es Phasen, in welchen die Finanzierung der Beherbergungswirtschaft aufgrund ihrer Besonderheiten wie Saisonalität und reduzierter Fungibilität schwierig ist.

Trotzdem ist eine Erneuerung der Beherbergung nötig, weil sie der Kern des Aufenthaltstourismus ist und externe Effekte über die ganzen Destinationen generiert. Besonders in solchen Phasen braucht es eine Finanzierungsinstitution, die günstige, langfristig orientierte, nachrangige und damit riskantere Finanzierungstranchen übernimmt. Die Herausforderung ist es, die Existenzberechtigung zu vermitteln in einer Phase, in der es gut läuft. Wir sind darauf angewiesen, dass Politik und Banken uns auch dann anerkennen, wenn es uns allenfalls gerade nicht braucht.

Warum braucht die SGH eine Gesetzesrevision?
Die Herausforderungen der Branche haben sich geändert, vermehrt braucht es Investitionen in Automatisierungen. Betriebe müssen robotertauglich werden, die Produktivität muss erhöht werden. Es braucht damit Investitionen in Prozesse und nicht nur in «brick and mortar». Nur damit kann die vergleichsweise tiefe Produktivität und Rentabilität der Branche verbessert werden. Produktivität ist Voraussetzung für höhere Löhne und damit auch für die Attraktivität der Branche in Zeiten des Fachkräftemangels. Auch die Nachhaltigkeit erfordert Investitionen zur Erneuerung von Heizungen und zum Erhalt der Gebäudequalität.


Die 56. Generalversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) am 23. Juni in Zürich stand im Zeichen des Präsidiumswechsels. Thomas Bieger verabschiedet sich nach zehnjähriger Amtszeit.

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