Die Ergebnisse der Umfrage, die Schweiz Tourismus Ende November durchgeführt hat, klingen sehr zuversichtlich für den Winter. Aber sind diese nach dem Auftreten von Omikron und dem Quarantäne-Intermezzo des Bundesrats nicht Makulatur?
Nein, das sind sie auf keinen Fall. Klar, es hat einen Dämpfer gegeben und Schaden angerichtet. Aber, dass sich die Situation grundlegend geändert hat, glaube ich trotzdem nicht. Beim Schweizer Gast hat sich die Ausgangslage kaum verändert. Und wir gehen davon aus, dass diesen Winter etwa 70 Prozent der Gäste aus der Schweiz kommen. Bei den Fernmärkten hat sich auch kaum etwas verändert. Die machen in unseren Prognosen aber so oder so nur 5 Prozent der Gäste aus. Wo das Ganze ins Gewicht fällt, ist bei den europäischen Gästen – vor allem bei den Briten und den Holländern, weil die von der Quarantäne betroffen waren. Frankreich, Deutschland, Italien dagegen nicht, und das sind auch sehr wichtige Wintermärkte.

Summa summarum, was ist Ihre Prognose?
Ich rechne mit einem soliden Winter – dank vielen Schweizer Gästen. Die Branchenumfrage sieht für die Wintersaison in den Bergen rund einen Drittel mehr Übernachtungen als letztes Jahr. Und das macht durchaus Sinn: Dieser Winter wird deutlich besser ausfallen als der letzte, weil wir im letzten Winter erschwerte Einreisebedingungen und geschlossene Restaurants hatten. Jetzt können die Europäer wieder reisen, und die Menschen haben Lust auf Berge und Wintersport. Mit drei Instrumenten kommen wir gut durch diesen Pandemie-Winter: Impfen, Testen, Winterferien.

Aus einigen Regionen ist aber zu hören, dass 30 bis 40 Prozent der Buchungen storniert worden seien. Sind das Ausnahmen mit einer sehr starken internationalen Positionierung?
Es gibt tatsächlich regional sehr grosse Unterschiede. Graubünden zum Beispiel hat traditionellerweise vor allem Schweizer und deutsche Gäste. Die werden viel weniger Stornierungen gehabt haben. Verbier dagegen oder Wengen, die viele britische Gäste haben, hat es stark getroffen.

Welche Rückmeldungen hören Sie zu den Schweizer Gästen? Immerhin könnten die verschärften Massnahmen einen psychologischen Effekt haben.
Da gibt es weniger Reaktionen als erwartet. Wer grosse Angst hat, hat entweder gar nicht oder eine Ferienwohnung gebucht. Und wer sich auf Winterferien eingestellt hat, kennt die Situation. Die Lage im eigenen Land kann man immer besser einschätzen.

In der Schweiz sind die Zahlen im internationalen Vergleich hoch und die Massnahmen bescheiden. Ist das im internationalen Geschäft eine Chance, weil die Schweiz mehr Freiheiten gewährt als andere Länder, oder ein Hemmnis, weil sich die Gäste Sorgen machen?
Wenn die Pandemie andauert, immer wieder neue Varianten auftauchen und viele Länder die Massnahmen – teils erratisch – verschärfen, entsteht Verunsicherung. Und Verunsicherung hemmt den Konsum. Das ist nicht nur beim touristischen Konsum so. Mit der Quarantäne ist immerhin ein Konsumkiller wieder abgeschafft worden.

«Für einmal kam uns das kurzfristige Buchungsverhalten entgegen.»

Wie hat sich die Nachfrage seit dem Wegfall der Quarantäne entwickelt?
In England haben die Reiseveranstalter leider sehr rasch reagiert und ihre Kunden umgebucht. Die kommen natürlich nicht zurück. Von Anfang an haben wir unsere Niederlassungen angewiesen: Gebt Durchhalteparolen durch. Wir wussten, dass die Quarantänregelung nicht lange dauern würde. Wo das angekommen ist, gab es weniger Stornos. Eines darf man nicht vergessen: Wir leben in einer Zeit, in der viel kurzfristiger gebucht wird. Weil die Quarantäne Ende November verhängt wurde, hatten einige noch gar nicht gebucht. Für einmal kam uns das kurzfristige Buchungsverhalten also entgegen.

Sind gewisse Märkte angesichts der drohenden Quarantäne cooler geblieben als andere?
Nicht in Stornierungswahn verfallen sind die Deutschen und die Franzosen. Dass die Engländer rasch reagieren, wussten wir. Wo ich mir mehr Coolness erhofft hätte, war bei den Niederländern. Ich hätte gedacht, dass sie das entspannter angehen. Sie haben aber relativ rasch reagiert. Dass es die Nachbarländer etwas gelassener nahmen, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass zum Beispiel die angrenzenden Regionen von den Einreisebeschränkungen nicht betroffen sind.

Spielt auch das Verkehrsmittel eine Rolle, mit dem man anreist? Das Auto ist flexibler als das Flugzeug und eventuell komm ich als Einreisender mit dem Auto sogar um einen Test herum.
Die Verkehrsmittel spielt auf jeden Fall eine Rolle – aber nicht wegen dem «bending the rules». Mit dem Auto hat man mehr Flexibilität und so die Situation besser im Griff, kann beispielsweise etwas früher oder später reisen.

Dieses Jahr stand der Städtetourismus oft im Fokus. Was erwarten Sie im Winter für die Städte?
Wir haben einige Städte, die im Sommer/Herbst ganz gut abgeschnitten haben. Das zeigt: Dem Städtetourismus kann es gelingen, einen Wechsel vom Geschäfts- zum Freizeittourismus zu vollziehen. Im Sommer ist das aber einfacher als im Winter. Im Winter ist der Freizeitaspekt einer Stadt wegen der Temperaturen eingeschränkt. Dann ist eine Stadt eher abhängig vom Shopping, von der Kultur und dem Geschäftstourismus. Und der Geschäftstourismus ist immer noch in den Knien.

Shopping, Kultur – sprich die Vorzüge einer Stadt – machen mit Corona weniger Freude als vorher.
Das könnte man meinen. Das ist halt der grosse Vorteil, den der Wintersport in der Pandemie hat: er findet draussen statt; da fühlen sich viele Menschen wohler als drinnen.

«Nun sind wir Touristiker gefordert. Wir müssen als gute Gastgeber helfen, dass die Gäste die nötigen Informationen erhalten und möglichst einfach zu ihren Testresultaten kommen.»

Welche Rolle spielt das Testregime bei der Einreise? Ist das ein Hemmnis, weil es ein Zusatzaufwand ist, oder ein Vorteil, weil sich die Gäste sicherer fühlen?[RELATED]
Wir stellen den Sicherheitsaspekt in den Vordergrund. Es gibt Gäste, die das Testregime begrüssen, weil es ihr Sicherheitsempfinden erhöht. Aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Testen lästig ist. Zuerst müssen die korrekten Infos zu den Gästen gelangen. Dann müssen die Gäste einen Testtermin arrangieren, sich ein Stäbchen in die Nase stecken lassen und das Ergebnis irgendwo hochladen. Und dann kommen noch die Kosten dazu. Immerhin hat sich das Parlament nun dafür ausgesprochen, dass der Staat die Testkosten wieder übernimmt. Das ist gut, damit fällt ein Teil der Mehrkosten weg. Und es gibt die Hoffnung, dass jetzt die Anzahl der Tests sogar reduziert wird. Auf jeden Fall sind nun wir Touristiker gefordert. Wir müssen als gute Gastgeber helfen, dass die Gäste die nötigen Informationen erhalten und möglichst einfach zu ihren Testresultaten kommen. Wenn uns das gelingt, werden es uns die Gäste danken.