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Dossier: Internationalen Quellmärkte
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Bild: Christian Lue / unsplash.com

Dossier: Internationalen Quellmärkte

Die Gäste des Schweizer Tourismus

Der Tourismus definiert sich zu Recht als eine internationale Branche. Die neue Serie liefert Antworten auf Fragen wie: Was ist diesen internationalen Gästen besonders wichtig? Womit kann man sie entzücken, womit vergraulen? Warum sind diese Gäste besonders interessant oder eine besondere Herausforderung?

Nun, da sich die Pandemie aus dem Alltag verabschiedet hat und Touristikerinnen und Touristiker wieder vermehrt ausländische Gäste in der Schweiz begrüssen dürfen, widmet sich die htr hotelrevue dieses Jahr in jeder zweiten Ausgabe den wichtigsten internationalen Quellmärkten – von traditionellen wie Deutschland und Grossbritannien bis zu solchen, die erst in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen haben, wie Brasilien und Südostasien.

Quellenmärkte Benelux

3-Länder-Markt mit preissensiblen Gästen

Benelux hat sich im Jahr 2022 stark zurückgemeldet und erreicht Vor-Pandemie-Werte. Digitale Kampagnen bringen Gäste in die Schweiz, genauso wie historische und kulturelle Bezüge. 
Andreas Lorenz-Meyer
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Frau, die eine Schweizer Flagge schwenkt
Eine junge niederländische Touristin schwenkt auf der Diavolezza im Oberengadin die Schweizer Flagge.
Eine junge niederländische Touristin schwenkt auf der Diavolezza im Oberengadin die Schweizer Flagge. Bild: iStockphoto
Bild: iStockphoto

Seit letztem Jahr fährt wieder ein Nachtzug direkt von Amsterdam nach Basel. Das «Eingangstor zur Schweiz» wird damit für niederländische Gäste noch attraktiver. 2022 zählte Basel Tourismus knapp 40 000 Logiernächte aus den Niederlanden. Innerhalb von Benelux ist der niederländische Markt für Basel somit wichtiger als der belgische.

Basel liege aber nicht nur für niederländische Städtereisende günstig, sondern auch für Durchreisende, betont Christoph Bosshardt, Stellvertretender Direktor und Marketingleiter von Basel Tourismus.:«Es ist für sie der perfekte Stopover auf dem Weg in den Süden.»

Bei den «tendenziell preissensiblen» Niederländern seien passende Angebote wichtig. Die Basel Card, die alle Übernachtungsgäste kostenlos erhalten, komme gut an. Damit können unter anderem alle Museen zum halben Preis besucht werden. Das Marketing von Basel Tourismus richtet sich bei allen Zielmärkten an ein kunst- und architekturaffines Publikum. Es gibt aber auch Kampagnen speziell für den Markt Niederlande.

Glaubwürdige Influencer

Beim Onlinemarketing setzt Basel Tourismus Kanäle ein, die der jungen kulturaffinen Zielgruppe entsprechen. 2022 kooperierte man mit zwei niederländischen Reise-Influencern. Ihre Followerzahlen liegen im fünfstelligen Bereich. «Wir arbeiten gerne mit solchen Micro-Influencern zusammen. Sie haben eine hohe Glaubwürdigkeit und treue Follower», erklärt Christoph Bosshardt.

Noch besser sei, wenn sie auch bloggten, da Blogs nachhaltiger seien als andere Posts. Der Blog der beiden Niederländer, «We are Travellers», hat eine Reichweite von 300 000 Unique Visitors. 2022 fand auch die Kampagne mit dem niederländischen Lifestyle-Magazin «Zin Magazine» statt. Zwei grosse Fotos auf einer Doppelseite zeigten Basler Museen mit jungen Leuten davor. Titel des Beitrags: «Culturele hotspot aan de Rijn». Der Beitrag erschien online, auf Facebook und Instagram. «Die Zahlen konnten sich sehen lassen: Wir erreichten damit rund drei Millionen Kontakte in den Niederlanden», resümiert Bosshardt.

Wir arbeiten gerne mit Micro-Influencern zusammen. Sie haben eine hohe Glaubwürdigkeit und treue Follower.

Christoph Bosshardt, Stellvertretender Direktor und Marketingleiter Basel Tourismus

Auch über die Ferienregion Engadin-Scuol-Zernez wird in den Niederlanden berichtet. Die Artikel niederländischer Journalisten erscheinen beispielsweise in der Bergsport-Fachzeitschrift «Hoogtelijn». «Solche Medienreisen ermöglichen eine breite Präsenz zu vergleichsweise tiefen Kosten», weiss Roger Kreienbühl von der Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG. Zwar lasse sich der genaue Werbeeffekt nicht messen, doch führten die Publikationen zu erhöhter Aufmerksamkeit.

Der Markt Benelux ist für die Region der zweitwichtigste Auslandsmarkt. Wie in Basel kommen mehr Niederländer als Belgier. Im Winter sei Schlittschuhlaufen auf dem Eisweg Engadin bei Sent bei den Niederländern sehr beliebt. Aber auch die rätoromanische Kultur begeistere sie.

Roger Kreienbühl bezeichnet die Niederlande als «speziellen Markt», was kulturelle und historische Gründe hat. Jedes Jahr findet im Engadin das Piz Amalia Music Festival statt. Eingeladen sind Nachwuchsmusikerinnen und -musiker des Königlichen Konservatoriums in Den Haag. Sie treten an besonderen Orten in der Bergwelt rund um den Piz Amalia auf, dem nach der Kronprinzessin der Niederlande benannten Berg. Zudem steht in Zuort die Chasa Mengelberg, die 1911 errichtete Sommerresidenz des niederländischen Dirigenten Willem Mengelberg.

Wichtig: Familienfreundlichkeit

In der Nähe von Scuol gibt es einen absoluten Niederlande-Spezialisten, das Hotel Val Sinestra. Das schlossähnliche ehemalige Kurhotel beherbergt 85 bis 90 Prozent niederländische Gäste. Wöchentlich fährt ein eigener Bus in die Niederlande und zurück. «Wir füllen bewusst eine Nische», sagt Gastgeberin Adrienne Kruit. Ihre niederländischen Gäste charakterisiert sie so: «Sie kommen zum Wandern und brauchen keinen Luxus.»

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Täglich, im Winter wie im Sommer, bringt sie ein Bus vom Hotel zu den Wandereinstiegspunkten. Auch das Gratis-Abendprogramm mit Singen, Tanzen oder Yoga findet Kruit wichtig. So etwas sollte ein Hotel für niederländische Gäste auf jeden Fall anbieten. Und familienfreundlich sollte es sein. Im Hotel Val Sinestra gibt es extra ein Kinderprogramm und ein Programm für Jugendliche. Während die Eltern mit dem Bus zum Wandern gebracht werden, fährt der Nachwuchs Bergbahn oder geht zum Raften.

Kindheitserinnerungen bringen Gäste
Im Geschäftsjahr 2022/23 sorgten belgische Gäste in St. Moritz für knapp
45 000 Logiernächte. Damit liegt der Markt auf Rang 3, knapp hinter dem Markt Deutschland. «Belgien war historisch gesehen schon immer wichtig für uns und das Engadin», sagt Marijana Jakic, Brand Manager St. Moritz. Die Liebe der Belgier zum Engadin geht auf das späte 19. Jahrhundert zurück. Von 1882 bis 1884 liess der belgische Graf Camille de Renesse in der Nähe von St. Moritz das gigantische Maloja Palace Hotel bauen. Das Hotel betreibt heute der italienische Herzog Amedeo Clavarino. «Hinzu kommt, dass fast jeder Belgier als Kind einmal in einem Schullager in der Schweiz war», so Jakic weiter. Zu den Topdestinationen gehörte dabei auch das Engadin. «Viele Belgierinnen und Belgier haben dadurch einen positiven Bezug zur Region und kommen später zurück, oft mit ihren Kindern.» Spezielle Belgien- oder Benelux-Kampagnen gibt es in St. Moritz nicht.

Die Schweiz hat auch einen Belgien-Spezialisten, den Belgischen Intersozialen Dienst Intersoc. Seit 1949 organisiert er Schweiz-Ferien für mehrere Millionen Belgier. Heute sind es mehr als 200 000 Übernachtungen pro Jahr in insgesamt vier Hotels.

«Intersoc ist sehr wichtig für den Tourismusstandort Schweiz, wenn es um den Markt Belgien geht», sagt Herman Buys, Direktor des Grand Hotel Surselva in Flims und des Hotel Stahlbad in St. Moritz. Seit über 30 Jahren begrüsst er belgische Gäste im Engadin, vorwiegend Flamen aus dem nördlichen Teil Belgiens.

«Unser Hauptgeschäft sind ganz klar die Familienferien.» In seinen Hotels gibt es ein Komplettangebot mit Animation, Betreuung und Vollpension. Die Familien fahren zwar gemeinsam in die Ferien, müssen vor Ort aber nicht den ganzen Tag zusammen etwas unternehmen. Oft ist man tagsüber getrennt unterwegs: Der Vater fährt Bike, die Mutter macht Wellness, und die Kinder gehen auf Schnitzeljagd.

Buys behält auch jeweils neue Freizeittrends in Belgien im Auge. «Die Belgier sind in den letzten Jahren zu richtigen Rennveloenthusiasten geworden. Als Hotel reagieren wir mit entsprechenden Freizeitangeboten darauf.»

Preissensible Kunden

Herman Buys weiss: «Für belgische Gäste ist Essen und Trinken sehr wichtig.» Morgens, mittags und abends steht in seinen beiden Häusern deshalb ein Buffet für die Gäste bereit. Ergänzt wird das Angebot durch ein extra Kindermenü, auf niedrigeren Tischen serviert, sodass sich die kleinen Gäste selbst bedienen können.

Die belgischen Gäste schätzen zudem das All-Inclusive-Paket.  «So wissen sie vorher schon, wie viel der ganze Urlaub kostet», sagt Buys. Selbst bei Ausflügen entstehen in der Region keine Nebenkosten: Die Benutzung von Rhätischer Bahn, Postauto und Bus ist in einem Umkreis von rund 50 Kilometern im Preis mit drin.

Eine Win-win-Situation, findet Buys: «Der ÖV in der Region bekommt so mehr Fahrgäste, was ihm hilft, das Angebot aufrechtzuerhalten. Und wir können unseren Gästen ein Komplettpaket anbieten, das auch die Mobilität vor Ort miteinschliesst.» Hinzu komme ein psychologischer Vorteil: Da der Schweizer Franken mittlerweile 1:1 zum Euro stehe, seien Schweiz-Ferien für Gäste aus dem Euroraum noch teuer geworden. Aber durch das All-Inclusive-Paket fühle es sich für die belgischen Gäste nicht so teuer an.


Eigenheiten des Benelux-Marktes

Clevere ÖV-Angebote und der richtige Marketingmix

Armando Troncana leitet das Schweiz-Tourismus-Büro Benelux mit Niederlassungen in Amsterdam und Brüssel. Er weiss, was bei diesem Markt wichtig ist. Fünf Tipps vom Experten.

Geheimtipp für den Herbst
Die Niederländer sind ausgesprochene Outdoor-Enthusiasten, Wandern und Radfahren haben bei ihnen Volkssportcharakter. In die Schweiz reist diese Gästegruppe, um genau diese Aktivitäten auszuüben – und zwar in einer intakten Berg- und Naturwelt. Diesen Trumpf gilt es beim Markt Niederlande auszuspielen.

Die Gäste sind treu und suchen nach Angeboten mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Und: Sie sind auch in den kleineren und weniger bekannten Destinationen anzutreffen. Grundsätzlich hat also jeder Schweizer Touristenort die Chance, sie mit der richtigen Ansprache zu erreichen. Dafür bietet sich zum Beispiel der kommende Herbst an. Im September und Oktober wächst die Zahl der niederländischen Gäste im hohen Einkommens­bereich, die meist ohne Kinder reisen. Wer in diesem Jahr eine Werbeoffensive in den Niederlanden starten will, kann genau da ansetzen.

Umstieg auf den ÖV leicht gemacht
Über 30 Prozent der niederländischen Gäste touren durch die Schweiz – mit dem Zug auf der «Grand Train Tour of Switzerland» oder mit dem Auto auf der «Grand Tour of Switzerland». Berge, Land und Städte so zu einem Gesamterlebnis Schweiz zu kombinieren, das ist die typisch niederländische Art des Reisens.

Gut 80 Prozent der Niederländer reisen mit dem Auto an, immer mehr mit dem Elektroauto. Trotz direkter Zugverbindungen wird sich der hohe Anteil von Autoanreisenden auch nicht so schnell ändern. Jedoch sollten diese Gäste dazu bewegt werden, nach Ankunft in der Schweiz auf den ÖV umzusteigen. Hier besteht noch viel Potenzial, neue niederländische Gästegruppen zu erreichen. Zum Beispiel, indem ein Schweizer Hotel ab drei Übernachtungen einen Gratisparkplatz inklusive Aufladen anbietet. Der Effekt: Die altbekannte Schweizer Stärke, der ÖV, erscheint in einem neuen Licht. Er ist nicht nur für Bahnanreisende eine praktische Sache, sondern auch für Auto­anreisende.

Die richtige Mischung finden
Beim Marketing sind Kollaboration und eine klare Strategie wichtig. Kollaboration im Sinne von Bündelung der Kräfte und Marketingressourcen. Zum Beispiel Schweizer Hotels: Sie können sich für gezielte Promotionen im Markt Niederlande ihrer Destination anschliessen. Gemeinsam funktioniert es einfach besser.

Und Social Media? Instagram und Tiktok sind nicht mehr aus dem Marketing wegzudenken. Aber aufgepasst! Niederländer, die sich die Schweiz leisten wollen, haben meist eine höhere Kaufkraft. Um diese 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung zu erreichen, genügen Social-Media-Kampagnen alleine nicht. Es braucht den richtigen Marketingmix. Dieser sollte sowohl digitale als auch analoge Elementen beinhalten. Und dazu Kooperationen mit starken Brands. So lassen sich neue Zielgruppen zu Schweiz-Ferien animieren.

Erkennbar – und damit buchbar
Es ist längst mehr als ein Trend: Niederländische Gäste erwarten nachhaltige Reiseangebote. In den letzten Jahren haben wir diese auch entwickelt, zum Beispiel die 5-tägige Bergrundwanderung im Tessin. Ein voller Erfolg: Sie war sehr schnell ausgebucht. Es geht aber nicht nur darum, solche Angebote im Programm zu haben, sondern sie auch erkennbar zu machen – und damit buchbar. Nach dem Motto: Seht her, so nachhaltig ist das Reiseland Schweiz!

Das Kulinarische ist für die Belgier wichtig
Auch für belgische Gäste sind Natur und Berge die wichtigsten Gründe für Schweiz-Ferien. Im Vergleich zu den Niederländern pflegen sie aber eher einen burgundischen Lebensstil. Bei ihnen geht die Liebe zu einem Land durch den Magen – und sie sind bereit, hierfür etwas mehr zu bezahlen. Also sollten gastronomische Highlights und Spezialitäten unbedingt zur Kommunikation von Hotel oder Destination gehören. Und vergessen wir nicht Luxemburg, das dritte Land im Benelux-Bund. Ein kleiner Markt, aber mit sehr Schweiz-affinem Publikum.

Quellmärkte UK und Irland

Viel Historie, viel Potenzial

Britische Touristen haben lange schon ein enges Verhältnis zur Schweiz. Sie haben den Tourismus hierzulande gross gemacht. Nun erholt sich der Markt UK vergleichsweise langsam von der Pandemie. Er könnte aber trotz Brexit in den nächsten Jahren kräftig zulegen.
Andreas Lorenz-Meyer
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Roger Federer auf der Tower Bridge: Eine traditionelle Sportart wie Tennis passt zum britischen Markt.
Roger Federer auf der Tower Bridge: Eine traditionelle Sportart wie Tennis passt zum britischen Markt.
Roger Federer auf der Tower Bridge: Eine traditionelle Sportart wie Tennis passt zum britischen Markt.
Als Leiter des Londoner Büros von Schweiz Tourismus ist Alex Herrmann zuständig für den Markt UK/Irland.
Als Leiter des Londoner Büros von Schweiz Tourismus ist Alex Herrmann zuständig für den Markt UK/Irland.
Als Leiter des Londoner Büros von Schweiz Tourismus ist Alex Herrmann zuständig für den Markt UK/Irland.

Mit dem Ausbruch der Pandemie brach für den Schweizer Tourismus die internationale Nachfrage abrupt ein. Zwar konnten in dieser schwierigen Zeit viele Gastgeberinnen und Gastgeber zahlreiche einheimische Gäste empfangen und so trotzdem erfolgreich wirtschaften. Doch der Tourismus definiert sich zu Recht als internationale Branche. Das Kennenlernen anderer Kulturen, das Erkunden fremder Landschaften und das Erleben ungewohnter Geschmäcker gehören seit je zum besonderen Reiz des Reisens.

Während viele andere Quellmärkte eine klare Hauptreisezeit kennen (meistens Sommer), ist das bei den Briten und Iren weniger ausgeprägt. Sie reisen rund ums Jahr in die Schweiz.

Grossbritannien und Irland

Im 19. Jahrhundert ging es los: Junge Briten entdeckten die Schweiz als Reiseland und erklommen die Berggipfel. Bis heute ist Grossbritannien wichtig für den hiesigen Tourismusstandort, für manche Regionen zählt es zu den Top-Märkten.

Die Jungfrau-Region zum Beispiel besuchen jährlich 270 000 Britinnen und Briten, was 10 Prozent des gesamten Gästeaufkommens entspricht. Richtige britische Hochburgen sind die Bergdörfer Mürren und Wengen. In Wengen gibt es den traditionsreichen britischen Skiclub Downhill Only, in Mürren den Kandahar Skiclub. Jetzt im Winter ist der Anteil britischer Gäste dort besonders hoch: In Wengen liegt er bei 20 Prozent.

Es braucht Angebote für Familienmitglieder, die der Piste fernbleiben. 

Rolf Wegmüller, Geschäftsführer Wengen Tourismus

Rolf Wegmüller, Geschäftsführer von Wengen Tourismus, kennt die Briten und weiss, was bei ihnen zu beachten ist. «Zum Beispiel braucht es Angebote für Nichtskifahrer, da bei britischen Familien oft Personen dabei sind, die der Piste fernbleiben.» Ihnen werde einiges geboten: Ausflüge zum Jungfraujoch – Top of Europe oder Winterwanderungen. Zudem gibt es für die Nichtskifahrer extra einen Schlittel- und Wanderpass, der mehrere Tage gültig ist. «So können sie sich entlang der Piste mit ihren skifahrenden Familienmitgliedern treffen, um gemeinsam Mittagessen zu gehen.» Für solche Treffen eigne sich die Wengernalpbahn bestens.

Präsenz vor Ort ist ein Must, um die Briten zu erreichen

Jungfrau-Region und Briten verbindet viel Tourismusgeschichte, dennoch ist der Markt UK kein Selbstläufer, sondern muss permanent gepflegt werden. Bei den Werbekampagnen hat Marc Ungerer, Geschäftsführer der Jungfrau-Region Tourismus AG, die Gästesegmente genau im Blick. Da gibt es Wintergäste, «snow sports enthusiasts», Nichtwintergäste, darunter die «outdoor enthusiasts», und einfache Naturliebhaber, «nature lovers». 

Darauf gehen die Massnahmen gezielt ein: «Für den Winter suchen wir den Kontakt zu B2B-Agenturen oder britischen Skiclubs, die ihren Kunden und Mitgliedern auf die Jungfrau-Skiregion zugeschnittene Aufenthalte anbieten.» Inserate oder journalistische Beiträge in bekannten Zeitungen, «Daily Telegraph» oder «Sunday Mirror», gehören auch zu den Werbemassnahmen. Genauso Beiträge auf Lifestyle-Portalen wie «Country and Town House». «Wir nutzen hier das Know-how der lokalen Vertretungen von Schweiz Tourismus», so Ungerer.

Präsenz vor Ort auf der Insel muss auch sein. So stellte sich die Jungfrau-Region bei der Chelsea Flower Show der Royal Horticultural Society vor, der berühmtesten britischen Gartenschau. «Die Teilnahme an solchen Publikumsmessen bringt uns Spillover-Effekte: Das Renommee dieser einmaligen Veranstaltungen überträgt sich auf uns. So erreichen wir ganz neue Besuchergruppen.»

Wichtig sind auch Marktzugänge, die die Konkurrenz nicht bekommt. Die Jungfrau-Region hat eine eigene Agentur in London, die Kontakte zu wichtigen britischen Reiseagenturen herstellt. «Sie arbeitet exklusiv für uns. So präsentieren wir uns bei den organisierten Kontakten auch nicht als eine Schweizer Destination von vielen, sondern ganz ohne Mitbewerber», erklärt Ungerer.

Zwar ist der Winter das stärkere Zugpferd, im Sommer sind die Gästezahlen in der Jungfrau-Region fünf bis sechs Prozentpunkte niedriger. Dennoch sollten auch die Sommervorlieben der Briten berücksichtigt werden, rät Ungerer. Sie zeigten besonderes Interesse an jeglicher Form von Dampfantrieb. Eine Dampfschifffahrt auf den Seen oder die Brienzer Rothornbahn dürften im Sommerprogramm also keinesfalls fehlen.

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Britischen Gästen ist die Tradition sehr wichtig

Und der Brexit? Ungerer erwartet, dass sich das «schwierige konjunkturelle Umfeld Grossbritanniens» in jedem Fall auswirkt. Er plant gegenzusteuern. Im Frühjahr wird eine UK-spezifische Landingpage erstellt. Die Informationen und Angebote sind gezielt auf die Bedürfnisse in UK ausgerichtet.

«Britischen Gästen ist das Thema Tradition und kulturelles Erbe immer noch sehr wichtig. Hier punktet unsere Region als Wiege des Ski- und Skirennsports.» Das habe sich bereits letztes Jahr gezeigt, als in Mürren der 100. Jahrestag des ersten Weltcupslaloms gefeiert wurde. Die Resonanz in der britischen Presse sei enorm gewesen.

Es ist eine sportliche Klientel, die aber auch gerne beim Après-Ski feiert.

Simon Wiget, Direktor Verbier Tourisme

Auch für die Walliser Destination Verbier sind britische Gäste sehr wichtig. Ihr Anteil am Gästeaufkommen liegt bei satten 20 Prozent. «Es ist eine sportliche Klientel, die aber auch gerne beim Après-Ski feiert», so Simon Wiget, Direktor von Verbier Tourisme. Entsprechend brauche es gute und ausreichend viele Angebote – Pubs, Bars und Discos.

Wiget beobachtet, dass Gäste von der Insel immer wieder über die hochalpine Umgebung staunen können. In ihrer Heimat gibt es nichts Vergleichbares. «Das macht sie zu Gästen, die auch dann kommen und ihren Urlaub geniessen, wenn die Wetterbedingungen mal nicht perfekt sind.» Wenn zum Beispiel in einem wärmeren Winter die Schneeverhältnisse nicht top sind. Verbier Tourisme setzt auf «weit entwickelte und intensive Partnerschaften», etwa mit der Londoner PR-Agentur Heaven Publicity.

Gute Flugverbindungen 
mit attraktiven Tarifen sind für den UK-Markt sehr wichtig – vor allem, da es für die Schweiz-Anreise keine gleichwertige Alternative gibt. Die Anreise per Zug kostet mehr, dauert länger und ist wegen Umsteigen und Bahnhofwechsel in Paris umständlich. Ein Pluspunkt für eine Schweizer Destination: wenn es eine an den Flug anschliessende Bahn-Direktverbindung gibt, ab den Flughäfen Genf oder Zürich. So wie die seit Dezember bestehende Direktverbindung von Zürich-Flughafen nach Interlaken.

Die Gäste suchen Swissness und Geselligkeit

In der Ferienregion Andermatt-Urserntal gibt es im Sommer viele Tagesgäste: «Wir haben hier regelmässig auto-, motorrad- und radaffine Briten», sagt Tourismusdirektor Thomas Christen. Er stellt fest, dass UK-Gäste Swissness suchen, zum Beispiel einen Swiss-Fondue-Abend mit gemütlichem Cheminéefeuer.

Wichtig sind auch gesellige Orte wie Pubs, Bars und Restaurants, wo sich Einheimische und internationale Gäste mischen. Andermatt hat da die «Alt Apothek» im Hotel The River House mit Livemusik und grosser Whisky-Auswahl oder das Pinte Pub zu bieten. «Den Briten gefällt das Zusammensein in einer rustikalen Location, die jung, dynamisch und lebendig ist. Da bekommen sie ein heimisches Pub-Gefühl.» Speziell junge Briten sind zudem auf Action aus. Im Sommer gehen sie in den Klettersteig, im Winter in den Tiefschnee.

Bei der Werbung für den Markt UK arbeitet die Destination mit Partnern wie dem bei den Briten beliebten Radisson Blu Hotel Reussen zusammen. Auch der Glacier-Express, der in Andermatt hält, spielt mit seiner internationalen Strahlkraft eine wichtige Rolle bei der Vermarktung. Da fahren auch britische Passagiere mit, die auf diesem Weg nach Andermatt kommen.


Nachgefragt

«Wir erwarten ein deutliches Wachstum»

Briten erwarteten von einer Reise ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, sagt Alex Herrmann von Schweiz Tourismus. Die Schweiz müsse besonders die Leistungsseite, den «Value», in den Mittelpunkt stellen.

Herr Herrmann, womit kann die Schweiz bei den Briten punkten? [IMG 3]
Die Briten lieben die Schweiz. Sie steht bei ihnen primär für Skifahren und die sehr populären Panoramazüge, die viele britische Reiseveranstalter anbieten. UK-Gäste schätzen grundsätzlich Schweizer Qualität, Verlässlichkeit und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Und sie erwarten eine gewisse Annehmlichkeit beim Reisen.

Zum Beispiel?
Viele Briten sprechen keine Fremdsprache. Daher sollte es selbstverständlich sein, dass im Hotel alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kundenkontakt gute Englischkenntnisse besitzen. Im Umgang mit den Briten hilft es auch, sich der Schweizer Tourismusgeschichte bewusst zu sein, ist diese doch untrennbar mit Grossbritannien und den britischen Adeligen verbunden, die im 19. Jahrhundert die Schweiz im grösseren Stil zu bereisen begannen.

Die Schweiz ist ein teures Reiseland. Welche Rolle spielt dieser Faktor?
Von den 66 Millionen Briten gehört die Mehrheit nicht zu unserer Zielgruppe. Entweder sie reisen kaum international oder sie suchen kostengünstige Strandferien. Daher konzentrieren wir uns vor allem auf die obere Mittelklasse. Wir haben ein Netzwerk von Reiseagenten, die diese potenziellen Gäste betreuen, beraten und deren Reisen buchen. Generell ist es ratsam, die Qualität und den «Value» in den Mittelpunkt zu stellen, nicht den Preis. Bei bestimmten Zielgruppen versuchen wir aber auch kostengünstigere Optionen aufzuzeigen. Nach dem Motto: Eine Reise in die Schweiz ist möglicherweise weniger teuer, als Sie denken. Was bei den Briten gut ankommt, ist das Thema nachhaltige Schweiz. Wir stellen es mit dem Programm Swisstainable immer mehr in den Vordergrund. Nachhaltigkeit allein ist zwar für Briten kein Reisegrund, hat aber zunehmend unterstützenden Einfluss bei ihrer Entscheidung für eine Destination.

Angenommen, ein Schweizer Hotel will im Markt UK Fuss fassen: Wie gelingt das am besten?
Wer in den Markt UK einsteigen will, sollte wissen: Grossbritannien ist ein umkämpfter Markt. Die reisebegeisterten, an sich Schweiz-loyalen Briten werden von allen Seiten umworben. Daher gehören zwei Dinge zu einer Erfolg versprechenden UK-Strategie: eine realistische Einschätzung der Bekanntheit der eigenen Marke im internationalen Wettbewerb und ein mittel- bis langfristiger Planungshorizont. Dazu etwas Geduld, da sich die Erfolge kaum sofort einstellen werden. Grundsätzlich lohnt es sich, den Markt UK anzugehen. Zwar erholt er sich nach den Pandemie-bedingten Rückgängen langsamer als die meisten anderen europäischen Märkte oder der US-Markt. Dennoch ist Grossbritannien attraktiv und birgt grosses Potenzial für die Schweiz, vor allem auch im Sommer und Herbst. Wir erwarten in den nächsten Jahren ein deutliches Wachstum.

Wer in den Markt UK einsteigen will, sollte wissen: Grossbritannien ist ein umkämpfter Markt.

Sie sind auch für den deutlich kleineren Markt Irland zuständig. Was ist bei irischen Gästen zu beachten?
Irland darf nicht als kleinere Kopie von Grossbritannien gesehen werden. Die Sprache ist zwar die gleiche, aber es gibt kulturelle Unterschiede. Viele Iren suchen aktive Ferien und reisen gerne auch in der Nebensaison. Der Reisemarkt Irland hat sich schneller erholt als Grossbritannien. Es ist aber ein kleiner Markt mit aktuell rund 80 000 Hotelübernachtungen pro Jahr. Das ist weniger, als Schottland produziert, die nach England wichtigste Herkunftsregion in Grossbritannien.