Anders als für ihre Kollegen in der übrigen Schweiz muss  dieser Winter für die Tessiner Hoteliers eine Enttäuschung gewesen sein. Im Vergleich zum Vorjahr sank von November bis April die Zahl der Übernachtungen um happige 9,2 Prozent auf noch 601'000. Damit haben die Tessiner Hotels den stärksten Einbruch seit dem Winter 2008/09 erlebt. Jutta Ulrich von Ticino Turismo und Stefano Scagnolari, Tourismusspezialist am wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Universität Lugano, sehen dafür zwei Hauptgründe.

Sonderfaktoren im vorletzten Winter
Zum einen habe das Wetter und der reichliche Schneefall dafür gesorgt, dass viele Feriengäste in diesem Winter in die Berge und nicht ins Tessin gefahren seien, schreibt Ulrich auf Anfrage. Zum anderen habe diesmal der Tessiner Tourismus nicht mehr von Sonderfaktoren wie der Eröffnung des Neat-Tunnels profitiert wie im Winter zuvor.

Zu den Sonderfaktoren zählt Scagnolari unter anderem auch die Einführung des Ticino Tickets auf Anfang 2017, mit denen Hotelgäste gratis den öffentlichen Verkehr im Tessin nutzen können. Für zusätzliche Übernachtungen im vorletzten Winter habe aber auch eine Reihe grosser Kongresse der Medizinbranche und die Reiseaktion der Bank Raiffeisen ab März 2017 gesorgt.

Neat-Effekt noch unklar
Nach einem starken Wachstum der Logiernächte im Neat-Winter 2016/17 um 9,2 Prozent sind die Übernachtungszahlen im Tessin jetzt wieder auf oder sogar unter das Niveau vor der Eröffnung des Gotthardtunnels gefallen. Laut Scagnolari lässt sich daraus jedoch noch keine Tendenz ablesen, wie sich die Neat mittel- und langfristig auf den Tessiner Tourismus auswirken wird. Der Neat-Effekt könne nach wie vor positiv oder auch negativ ausfallen.

Klar sei bis jetzt einzig, dass die bessere Verbindung den Tagestourismus fördere. Ob dieser jedoch den bestehenden Übernachtungstourismus ergänzen oder konkurrenzieren wird, sei noch nicht klar. «Dazu haben wir noch zu wenige Daten», sagt Scagnolari.

Ulrich von Ticino Turismo verweist in diesem Zusammenhang zudem darauf, dass mit der Inbetriebnahme des Ceneri- Tunnels 2020 sich die Situation nochmals verändern wird. «Ab diesem Zeitpunkt wird die Bahnreise Zürich-Lugano in weniger als zwei Stunden machbar sein», so Ulrich. «Auch das wird sich sicherlich auf den Tourismus auswirken.» (sda/pt)

sda/pt