Noch Ende des 19. Jahrhunderts war Gstaad ein abgelegenes, kleines Nest mit etwas über 100 Einwohnern, die meist von der Landwirtschaft lebten. Gstaad galt als Dépendence der hablicheren Nachbargemeinde Saanen.

Nach einem Dorfbrand im Jahr 1898, bei dem fast die Hälfte der Einwohner Hab und Gut verloren, setzte man in Gstaad auf den Tourismus, der andernorts bereits blühte. Die Region war schliesslich schneesicher – das müsste doch irgendwie in Geld umzumünzen sein, sagte man sich.

Bahn bringt den Aufschwung
Als 1904 Gstaad an die Bahnlinie nach Montreux und Zweisimmen angeschlossen wurde, kam der Aufschwung in Gang. Innerhalb weniger Jahre entstanden gegen1000 Hotelbetten und die Nachfrage war noch immer grösser als das Angebot. Das geht aus einem am Donnerstag zum «Palace»-Jubiläum im Orell Füssli-Verlag erschienenen Bild- und Textband hervor.

Einer der umtriebigsten Tourismuspromotoren war damals der Ortslehrer Robert Steffen. Er ergriff die Initiative für den Bau des Palace-Hotels und suchte Investoren.

Fündig wurde er bei Hoteliers vom Genfersee, die erkannten, dass sie mit Gstaad ihrer noblen Sommerkundschaft auch einen Wintersportort anbieten konnten. Der erste Name des Gstaader Hotels lautete sinnigerweise denn auch «Royal-Hotel & Winter Palace Gstaad».

Ein Mann für alle Fälle und ein Tresor für den Notfall
Am 8. Dezember 1913 öffnete das Nobelhotel seine Tore und meisterte schon die erste Saison mit Bravour. Auf die zweite Saison hin schaffte man sich ein Automobil an, um die Gäste an den Bahnhof zu fahren. Auch sonst liess man es der gutbetuchten Gästeschar an nichts fehlen.

Selbst einen «Maitre de Plaisir» beschäftigte das Hotel – ein Beruf, den es so heute wohl in keinem Hotel der Welt mehr gibt. Der Mann für alle Fälle war tagsüber als Schwimmlehrer für die Kinder der Gäste tätig, abends tanzte er mit Damen, deren Ehemänner sich lieber an der Bar aufhielten oder er setzte sich zu einer 13-köpfigen Gesellschaft als 14. Person dazu.

Die beiden Weltkriege sorgten für eine Baisse, doch das «Palace» überlebte. In den Kriegsjahren 1939/40 liess die damalige Schweizerische Bankgesellschaft vorsorglich einen massiven Tresorschutzraum unter der «Palace»-Terrasse einbauen. Im Notfall hätten sich die Bankdirektoren im Nobelhotel einquartiert.

Scherz-Dynastie
1938/39 übernahmen Ernst und Silvia Scherz die Hoteldirektion. Heute ist das Hotel in dritter Generation in Familienbesitz und von Andrea Scherz geführt.

Der Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit bescherte dem «Palace» wiederum goldene Zeiten. Stars traten im Hotel an glanzvollen Parties auf. Die Liste reicht von Maurice Chevalier über Ella Fitzgerald und Gilbert Bécaud bis zu Petula Clark.

Doch die Stars sangen nicht nur im Hotel, zunehmend residierte die Prominenz aus dem Showbusiness auch dort. James Bond-Darsteller Roger Moore soll sich einmal als Retter in der Not profiliert haben, als er in einem der «Palace»-Restaurants eine beim Flambieren entstandene Stichflamme flugs mit der Tischdecke erstickte.

So zumindest erzählt es eine der vielen Anekdoten, die im «Palace»- Jubiläumsbuch eingestreut sind. Sie lassen den Leser einen Blick auf Menschliches und mitunter auch Allzumenschliches hinter der verspiegelten Architektur des Grandhotels werfen.

Andere Geschichten erzählen von merkwürdigen Sonderwünschen der noblen Gästeschar. Etwa von der russischen Dame, deren Hündchen im Winter partout nicht nach draussen wollte. Der Haustechniker musste in der Dusche der Suite deshalb ein Stück Rollrasen verlegen, damit das Tierchen dort sein Geschäft verrichten konnte.

Zahlreiche «Palace»-Gäste waren von ihrem Aufenthalt in der Region so angetan, dass sie sich in der Nähe des Hotels eigene Chalets zulegten. Die Schauspielerin Liz Taylor residierte zeitweise ebenso in Gstaad wie Audrey Hepburn oder Opel-Erbe Gunter Sachs.

Offene Türen
In seinem Jubiläumsjahr lädt das «Palace» am Wochenende des 7. und 8. Dezember zu einem Tag der offenen Tür. Mit den Stammgästen des 5-Sterne-Superior-Hauses und der umliegenden – nicht minder edlen – Chalets stossen die Hotelverantwortlichen am 27. Dezember bei einem Cocktailempfang an.

Übrigens: Eine Nacht in der Penthouse Suite des Hotels kostet je nach Saison bis zu 15'900 Franken. (Therese Hänni/sda/npa)