Nötig ist der zweite Tunnel in den Augen des Bundesrates, um während der Totalsanierung des 1980 eröffneten Strassentunnels die Strassenverbindung durch den Gotthard offen halten zu können. Ab etwa 2030, wenn die neue Röhre gebaut und die alte renoviert ist, werden zwei Tunnels durch den Gotthard führen.

Rücksicht auf das Tessin
Der Bundesrat hält damit am Plan fest, den er im Juni 2012 präsentiert hatte.Die Mehrheit der Kantone habe sich für diese Lösung ausgesprochen, hiess es dazu in der Mitteilung des Bundesamtes für Strassen (ASTRA). Auch eine knappe Mehrheit von Verbänden, Parteien und Organisationen sei dafür.

Mit seinem Entscheid für eine während der Sanierung durchgehend offene Gotthard- Strassenverbindung nahm der Bundesrat Rücksicht auf den Kanton Tessin. Dessen Regierung zeigte sich zufrieden: Nur mit dem zweiten Tunnel könne eine mehrere Jahre dauernde Isolierung des Tessins vom Rest der Schweiz verhindert werden.

Gegen die Vorlage ist ein Referendum möglich, und eine Volksabstimmung ist bereits jetzt so gut wie sicher. Die Gegner der zweiten Röhre - darunter SP, Grüne und Alpen-Initiative – haben ein Referendum angekündigt. Eine Abstimmung könnte 2015 stattfinden.

Die Gegner befürchten, dass mit dem zweiten Tunnel die Verlagerungspolitik untergraben wird. Ausserdem werde das in der Verfassung verankerte Verbot der Kapazitätserweiterung durchlöchert. Gegen die zweite Röhre ist auch der Kanton Uri.

Es wäre das dritte Mal nach 1994 (Alpenschutzinitiative) und 2004 (Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative), dass das Volk direkt oder indirekt über den Bau eines zweiten Tunnels durch den Gotthard befinden würde. Bisher lehnte es solche Bestrebungen ab.

Nicht mehr Kapazitäten
Mehr Autos als der heutige Strassentunnel sollen die zwei Tunnels aber nicht schlucken. Das will der Bundesrat mit einem Artikel im Bundesgesetz über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet (STVG) sicherstellen, damit der Alpenschutz gewahrt bleibt.

Ein temporärer Betrieb von mehr Fahrspuren wird also verboten – auch wenn sich in den Sommerferien auf der A2 die Autos kilometerlang vor den Tunnelportalen stauen. Eine der beiden Fahrspuren in den Tunnels dient als Pannenstreifen.

«Das ist kein Ausbauprojekt, sondern eine reine Sanierungsvorlage», stellte Verkehrsministerin Doris Leuthard in Bern vor den Medien klar. Solche Unterhaltsarbeiten seien ein «Must». Andere Projekte für die Beseitigung von Engpässen im Strassennetz würden durch die Sanierung am Gotthard nicht verdrängt.

Ebenfalls im Gesetz verankern will der Bundesrat das nach dem schweren Unfall2001 eingeführte «Tropfenzählersystem» für Lastwagen: Camions sollen auch künftig mit mindestens 150 Metern Abstand durch den Tunnel fahren müssen.

Am 24. Oktober 2001 stiessen im Tunnel zwei Lastwagen frontal gegeneinander, was einen Brand auslöste. Elf Menschen kamen ums Leben.

Gegen Tunnelgebühren
Kosten sollen die Bauarbeiten am Gotthard insgesamt rund 2,8 Milliarden Franken. Auf eine Tunnelgebühr zur Finanzierung will der Bundesrat verzichten.
In der Vernehmlassung hatte er mehrheitlich ablehnende Antworten zu dieser Frage erhalten. Schweizer Strassen sollten grundsätzlich gebührenfrei sein, lautete der Tenor.

Überwiegend kritisch war das Echo auch zu einer Private-Public-Partnership- Finanzierung, also einer Beteiligung von Privaten am Bau. Gewünscht oder begrüsst wurde dagegen ein Fonds für die Finanzierung von Nationalstrassen, was der Bundesrat ebenfalls anstrebt.

Das «redundante System» am Gotthard hält der Bundesrat für wichtig, um die Funktionalität der wichtigen Nord-Süd-Verbindung zu sichern. Wegen Unfällen und Unterhaltsarbeiten muss der Tunnel heute immer wieder vorübergehend gesperrt werden.

Ausserdem kämen künftige Generationen bei nächsten Grosssanierungen um eine Sperrung herum, hiess es in der Mitteilung. Die zweite Röhre sei deshalb auch aus finanzieller Sicht langfristig sinnvoll.

Knapp 17'000 Fahrzeuge pro Tag
Der heutige Gotthard-Strassentunnel wurde 1980 eröffnet. Die Verbindung durch die Alpen gilt als wichtigste Nord-Süd-Achse der Schweiz: Rund 60 Prozent aller die Alpen querenden Fahrzeuge benutzen den Tunnel – 2011 waren es rund 6,3 Millionen. Pro Tag waren es im Durchschnitt 16'835.

Weil der zweite Strassentunnel frühestens ab 2027 geöffnet werden kann, müssen im über 30-jährigen bestehenden Tunnel ab 2020 Überbrückungs-Umbauten mit vorübergehenden Tunnelschliessungen von insgesamt 140 Tagen vorgenommen werden, damit er weiterbenutzt werden kann. Total saniert wird der bestehende Tunnel nach der Eröffnung des neuen und bis etwa 2030. (sda/dbo)

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