René Baggenstos, wenn ein Hotelier, eine Hotelière die Öl- oder Gasheizung ersetzen will, kostet das. Gibt es wirtschaftliche Gründe, es dennoch zu tun?
Alte Anlagen sind im Betrieb meist weniger effizient und somit teurer. Wer umstellt auf Wärmepumpen, Holz oder Fernwärme, kann die Energieeffizienz steigern und damit Ausgaben senken. Und es vermindert das Risiko von hohen Energiepreisen. Fossile Brennstoffe sind aktuell aufgrund des Ukraine-Konflikts enorm hochpreisig.

Gemäss einer Erhebung aus dem Jahr 2010 machen Energiekosten circa 3 Prozent des Umsatzes aus in der Hotellerie. Ist das Sparpotenzial finanziell gesehen damit nicht eher überschaubar?
Das mag auf den ersten Blick so wirken. Wenn wir aber die inzwischen stark gestiegenen Energiepreise berücksichtigen, dürften die Energiekosten teils bis zu 10 Prozent des Umsatzes betragen. Allerdings ist es schon so, dass sich verschiedene Sanierungen unterschiedlich rasch auszahlen. Eine Fassaden­sanierung nur der Energie wegen zahlt sich nicht aus. Die Nutzung von LED statt Glühbirnen bereits in zwei Jahren. Auch beim Wechsel von Gas auf beispielsweise Fernwärme ist die neue Anlage nicht gar so schnell amortisiert. Hier sind Förderprogramme des Bundes sinnvoll, um Unternehmer zu einer Investition zu motivieren. Ich bin der Ansicht: Wenn Sparen wirtschaftlich ist, dann spart man.   

Wo steht die Schweizer Hotellerie aktuell in Sachen Energie­sanierungen?
Sehr viele Hoteliers haben in den letzten Jahren richtig viel Geld in ihre Anlagen investiert. Eine statistische Erhebung dazu ist mir aber nicht bekannt. Im Vergleich zu Deutschland und Österreich dürfte die Schweizer Hotellerie etwa ähnlich weit sein. Allerdings fällt auf, dass es im Vergleich zu den anderen deutschsprachigen Ländern auf den Dächern der Schweizer Hotels auffällig wenige Fotovoltaikanlagen gibt. Da hinken wir wohl deutlich hinterher.

Bei der Fotovoltaik hinken wir deutlich hinterher.

Gibt es im nahen Ausland eine stärkere staatliche Förderung?
Wir haben in der Schweiz eine grosszügige Förderung. Wer jetzt nicht in Fotovoltaik investiert, macht etwas falsch. Einer unserer Kunden aus der Industrie hat kürzlich 1,5 Millionen Franken in eine Fotovoltaikanlage investiert. Diese wird in vier Jahren amortisiert sein bei einer Lebensdauer von 20 Jahren. Früher dauerte es bis zum Payback mindestens doppelt so lang.

In Zukunft könnte die Politik den CO2-Ausstoss bestrafen beziehungsweise die Vermeidung belohnen. Wie blicken Sie diesbezüglich auf die nächsten zehn Jahre?
Der Druck, von fossilen Brennstoffen wegzukommen, wird definitiv weiter steigen im Hinblick auf das Ziel netto null bis 2050 respektive Halbierung bis 2030. Nicht nur aus Klimagründen, sondern auch wegen der Versorgungssicherheit.

Wo orten Sie Energiesparpotenzial, abgesehen vom Heizen?
Die Schwierigkeit bei Hotels ist ja immer, dass der Gästekomfort nicht leiden darf. Deswegen sollten Energieeinsparungen mit Augenmass geschehen. Grosse Einsparungen sind bei Warmwasser möglich. Im Vergleich zum Ausland ist der Druck in Schweizer Wasserleitungen und damit auch der Wasserverbrauch hoch. LED und Bewegungsmelder helfen, Energie bei der Beleuchtung zu sparen. Hotels sollten die Abwärme aus der Küche, der Wäscherei und den Kühlräumen nutzen, zum Beispiel für die Wellnessanlage. Neue Waschmaschinen, Tumbler, Induktionsherde brauchen deutlich weniger Energie. Angesichts der heutigen Energiepreise lohnen sich teurere, aber deutlich energieeffizientere Geräte. Sinnvoll ist auch eine Lüftung, die aufgrund von Messwerten arbeitet, etwa des CO2-Gehalts in der Raumluft.[DOSSIER]

Welche sind Ihre Kernstandpunkte, die Sie am Hospitality Summit vertreten werden?
Bei der Frage, ob die Politik durch Strafen oder positive Anreize lenken soll, bin ich ein klarer Verfechter des Rüeblis statt der Peitsche. Wenn sich Investitionen in die Dekarbonisierung und damit ins Klima auszahlen, werden diese auch getätigt. Energieexperten sollen für die Hotels die besten Lösungen finden und nicht als Klimapolizisten des Bundes auftreten. Beim Bund fokussiert man aktuell zu stark auf das Vermeiden von sogenannten Mitnahmeeffekten. Damit will man verhindern, dass jemand gefördert wird, der sowieso investieren will. So werden aber jene bestraft, die vorangehen, die Dinge proaktiv angehen. Ist doch super, wenn jemand investiert und etwas für die Umwelt macht – egal, wie lange das bereits geplant war.

Reicher Austausch
Der Hospitality Summit (1./2. Juni 2022) ist der Beherbergungskongress für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger der Branche. Der diesjährige Kongress in der Halle 550 in Zürich-Oerlikon steht im Zeichen des Wandels. Referate, Interviews und Podiumsdiskussionen sorgen für Wissenstransfer und zeigen Chancen und Lösungen für die Branche auf. Highlights: das Finanzforum der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH), die Abendveranstaltung «Hotelier des Jahres» sowie zwei Diskussionen mit internationalen Hoteliers zum Thema «We believe in» und «Adventure Hospitality». Energie-Experte René Baggenstos nimmt an einer Podiumsdiskussion zum Thema Energiesanierung im Hotel teil. Mitglieder von Hotellerie­Suisse profitieren von einem reduzierten Ticketpreis.(ua)
Tickets bestellen