Die grosse Kammer hat am Dienstag eine Motion ihrer Wirtschaftskommission mit 103 zu 77 Stimmen bei 15 Enthaltungen angenommen. Diese verlangt, dass Betreiber von Restaurants und weiteren vom Bundesrat geschlossenen Betrieben ihrem Vermieter grundsätzlich nur 30 Prozent der Miete schulden während der Zeit, in welcher sie aufgrund der behördlichen Massnahmen geschlossen bleiben müssen.

Gleichzeitig soll ein Härtefallfonds für Vermieter geschaffen werden, die aufgrund des teilweisen Mieterlasses in ihrer Existenz bedroht wären. Dieser Fonds soll mit einem Betrag von 20 Millionen Franken geäufnet werden.

«Win-win-Situation für alle»
Kommissionssprecherin Jacqueline Badran (SP/ZH) sagte, es werde momentan nur in wenigen Mietverhältnissen eine einvernehmliche Lösung gefunden, der Bund müsse deshalb aktiv werden. «Es drohen zehntausende Rechtsstreitigkeiten und tausende Konkurse.» Die Mieter seien deutlich am kürzeren Hebel.

Die vorgeschlagene Pauschallösung schaffe Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Laut Badran handelt es sich um eine «faire, ausgewogene Lösung» sowie eine «Win-win-Situation für alle». Die Vermieter könnten mit dem geschuldeten Restmietbetrag ihre Kosten voll decken.

Badran erwähnte auch, dass der Vorschlag in der Branche breit abgestützt sei. Restaurants, Coiffeursalons, Detailhändler oder Fitnesscenter: Alle stünden ausdrücklich für diese Lösung ein.

Kein Kompromiss in Sicht
Der Ständerat hatte am Montag eine andere Lösung vorgeschlagen. Er wollte nur kleineren Betrieben helfen. Es hätte ein zweimonatiger Mieterlass für Kleinunternehmen und Selbstständigerwerbende gegolten, deren Bruttomiete den Betrag von 5000 Franken pro Monat nicht übersteigt. Bei höheren Mieten soll der Bund einen Drittel übernehmen, sofern sich die Parteien auf eine Mitzinsreduktion einigen.

Dieser Vorschlag wurde vom Nationalrat stillschweigend abgelehnt. Der Vorstoss ist damit vom Tisch. Die Kommissionsmehrheit sehe keine Rechtfertigung, warum der Staat nur in ganz wenigen Fällen einschreiten solle, sagte Badran.

Kompromiss steht zur Diskussion
Die Ständeratskommission präsentierte am Dienstagabend einen Kompromissvorschlag. Eine Mehrheit schlägt eine Änderung der nationalrätlichen Motion vor: Von einer Schliessung betroffene Unternehmen und Selbstständigerwerbende, deren Bruttomiete weniger als 15'000 im Monat beträgt, sollen für zwei Monate eine Mietzinsreduktion von je 5000 Franken erhalten.

Zusätzlich soll ein vom Nationalrat eingebrachter Härtefallfonds für Vermieter geschaffen werden mit einem Betrag von 20 Millionen Franken. Falls die Parteien bereits eine Lösung gefunden haben, soll diese ihre Gültigkeit behalten.

Minderheiten beantragen die Annahme der Motion gemäss Nationalrat respektive die Ablehnung der Motion. Es ist also möglich, dass während der ausserordentlichen Session in der Frage der Geschäftsmieten keine Lösung gefunden wird. Roger Nordmann (SP/VD) warnte vor diesem Szenario: «Das Schlimmste wären zwei Lösungsvorschläge, von denen keiner mehrheitsfähig ist.»

Vehementer Widerstand von rechts
Für die SVP sowie Teile der FDP und CVP ist die vom Nationalrat vorgeschlagene Lösung zu starr. Sie plädieren für Verhandlungen zwischen den Parteien. Staatliche Eingriffe seien zu vermeiden.

«Wir beschreiten verfassungsmässig, rechtsstaatlich und wirtschaftspolitisch extrem gefährliche Pfade», sagte Thomas Matter (SVP/ZH). Es handle sich faktisch um eine staatliche Enteignung. Vermieter würden mit der vorgeschlagenen Lösung benachteiligt gegenüber dem Mieter.

Die Minderheit erinnerte auch daran, dass die Mieteinkünfte zur Deckung der Liegenschaftskosten notwendig seien. Eine generelle Herabsetzung der Miete in einer grossen Anzahl der Fälle widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

Leiturteil steht aus
Der Streit zwischen Mieter- und Vermieterschaft schwelt seit Wochen. Während die vom Lockdown betroffenen Geschäfte die Löhne ihrer Angestellten mit Kurzarbeitsentschädigungen decken können, bleiben sie auf den Kosten für die Miete sitzen. Eine von Bundesrat Guy Parmelin eingesetzte Arbeitsgruppe brachte keine Einigung zu Stande.

Der Bundesrat hat bisher lediglich die Nachfrist für die Bezahlung fälliger Mieten auf drei Monate verlängert. Ein verordneter Mietzinserlass stelle aber einen weitreichenden staatlichen Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse von Privaten dar, wie Wirtschaftsminister Parmelin sagte.

Ob mit oder ohne politische Lösung: Die Frage der Geschäftsmieten dürfte noch die Gerichte beschäftigen. Aus Sicht des Mieterverbands handelt es sich bei der behördlich angeordneten Betriebsschliessung nämlich um einen Mangel an der Mietsache, für den der Vermieter aufkommen muss. Das Bundesgericht hat sich dazu noch nicht geäussert. Zur Diskussion steht auch, ob allenfalls die öffentliche Hand Entschädigung leisten muss. (sda)