«Die Situation ist ernst, aber wir haben die Mittel und die Möglichkeiten, ihr zu begegnen – medizinisch und auch finanziell.» Das sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am Freitag bei der Präsentation der neuen Massnahmen gegen das Coronavirus. Diese gelten seit Freitagnachmittag.

Die Massnahmen seien einschneidend, sagte Sommaruga. Unternehmen und Selbständige würden hart getroffen. «Ihnen sagen wir: Wir lassen euch nicht im Stich. Der Bundesrat kümmert sich um euch.» Dafür seien die Mittel vorhanden und würden auch zur Verfügung gestellt.

Fast 10 Milliarden für Wirtschaft
Der vom Virus hart getroffenen Wirtschaft greift der Bundesrat mit insgesamt fast 10 Milliarden Franken unter die Arme. «Wir sind fest entschlossen, die Wirtschaft in dieser besonderen Lage zu unterstützen», sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Die Unterstützung soll schnell und unbürokratisch erfolgen. Oberstes Ziel sei die Lohnfortzahlung für Mitarbeitende.

Für die Kurzarbeitsentschädigung können im Fonds der Arbeitslosenversicherung bis zu 8 Milliarden Franken beansprucht werden. Die Karenzfrist für die Kurzarbeit wird ab sofort auf einen Tag reduziert, die Unternehmen tragen so nur den Arbeitsausfall von einem Tag selber. Der Bundesrat prüft zudem, den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung auf befristete Arbeitsverhältnisse auszudehnen.

Betrieben, die unter Liquiditätsengpässen leiden, soll im Sinne einer Härtefallregelung mit bis zu 1 Milliarde Franken geholfen werden. Zusätzlich werden 580 Millionen Franken zur Verbürgung von Bankkrediten zur Verfügung gestellt.

Der Bundesrat denkt auch an Veranstalter von Sportanlässen und des Kultursektors. Für ehrenamtlich tätige Organisationen im Sportbereich werden A-fonds-perdu 50 Millionen Franken bereitgestellt. Für den Profibetrieb im Mannschaftssport will der Bundesrat zinslose, rückzahlbare Darlehen gewähren. Trotz all dieser Massnahmen: Eine Rezession wird laut Parmelin schwierig abzuwenden sein.

Kontrollen an der Grenze
Die Einreise von Italien in die Schweiz wird weiter eingeschränkt. Nur noch Schweizer Staatsangehörige, Personen mit gültigen Aufenthaltsbewilligungen und Menschen, die aus beruflichen Gründen oder aus «absoluter Notwendigkeit» einreisen müssen, dürfen die Grenze passieren. Erlaubt bleiben der Transit- und der Warenverkehr.

Die Reisebeschränkung gilt laut Justizministerin Karin Keller-Sutter auch für Asylsuchende. Sie würden gleich behandelt wie alle anderen aus Italien kommenden Personen, sagte sie. Eine absolute Notwendigkeit für eine Einreise bestehe für sie nicht, da sie ein Asylgesuch in Italien stellen könnten. [IMG 2]

Einschränkungen für den Tourismus
Die Landesregierung hält an ihrer Empfehlung fest, den öffentlichen Verkehr möglichst zu meiden. Von einem Verbot sieht sie aber ab. Das Grundangebot müsse sichergestellt werden, sagte Verkehrsministerin Sommaruga. Stosszeiten sollten gemieden und Freizeit- und Tourismusangebote müssten eingestellt werden.

Die SBB als «Systemführer» vermeldete daraufhin, den Verkehr «auf rein touristischen Linien ohne Erschliessungsfunktion, Extrafahrten und historische Fahrten» ab sofort einzustellen. Die Rhätische Bahn stellt den Betrieb des «Bernina Express» und des «Glacier Express» ab Sonntag ein.

Auf eine Frage an der Medienkonferenz in Bern sagte Berset: «Das bedeutet die Schliessung für die Skigebiete.» Im Verlaufe des Freitagnachmittags gab die Bündner Regierung bereits bekannt, dass sämtliche Skigebiete im Kanton ab Montag den Betrieb einstellen müssten.

Schulen drei Wochen geschlossen
Alle Schweizer Schulen, Hochschulen und weitere Ausbildungsstätten bleiben drei Wochen, bis am 4. April, geschlossen.Davon betroffen sind auch die Schulhotels von HotellerieSuisse. Bereits angesetzte Prüfungen dürfen nur mit strengen Schutzmassnahmen durchgeführt werden. Kinderkrippen bleiben in der Verantwortung der Kantone. Fernkurse sind weiterhin möglich.

«Wir müssen alles tun, um zu verhindern, jüngere mit älteren Personen zusammenzubringen», erklärte Gesundheitsminister Alain Berset die Massnahme. Die Kantone seien gehalten, Lösungen für die Kinderbetreuung bereitzustellen. «Die Kinder dürfen nicht von den Grosseltern betreut werden», sagte er mehrmals und mit Nachdruck.

Einfluss auf den Entscheid des Bundesrats habe eine Studie des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) gehabt. Diese empfiehlt, die Schulen sicherheitshalber zu schliessen. Mehrere Kantone hatten schon vor der Notverordnung des Bundesrats Schulschliessungen kommuniziert.

Weitere Einschränkungen bei Veranstaltungen
Ab sofort und bis Ende April verboten sind auch alle öffentlichen und privaten Veranstaltungen ab 100 Personen. Bei Anlässen bis 100 Teilnehmende müssen Massnahmen zum Schutz der Anwesenden ergriffen werden. Dies gilt auch für Freizeitbetriebe wie Museen, Sportzentren oder Schwimmbäder sowie Skigebiete. Es gehe jetzt darum, «nicht Party zu machen», sagte Berset.

Restaurants, Bars und Diskotheken müssen zwar nicht schliessen. Doch dürfen sich maximal 50 Personen gleichzeitig in den Lokalen aufhalten. Die Anwesenden müssen zudem die Hygieneempfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) einhalten und Abstand halten können.

Notrecht angewendet
Rechtsgrundlage der Massnahmen ist eine «Verordnung zur Bekämpfung des Coronavirus». Der Bundesrat stützt diese auf das Epidemiengesetz und direkt auf die Verfassung, es handelt sich also um Notrecht. Dazu hat der Bundesrat das Recht, wenn die äussere oder innere Sicherheit bedroht ist.

Die Verordnung ist am Freitag unmittelbar mit Beginn der Medienkonferenz des Bundesrats in Kraft getreten. Sie gilt maximal sechs Monate. Die Einschränkungen für Schulen gelten ab Samstagmorgen und vorerst nur bis am 4. April. Jene für Veranstaltungen, Restaurants, Bars und Clubs gelten vorerst bis am 30. April. (sda)