Die heutige Situation sei allerdings nicht mit derjenigen im März vergleichbar, sagte Rudolph Minsch, Chefökonom von Economiesuisse, gegenüber AWP. Die Unternehmen hätten mittlerweile gut funktionierende Schutzkonzepte umgesetzt und seien somit grundsätzlich gut auf die zweite Welle vorbereitet.

Die Firmen wüssten auch, was zu tun sei, um die Ausbreitung des Coronavirus am Arbeitsplatz einzudämmen. Und sobald neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Pandemie verfügbar seien, bemühten sie sich nach Kräften, diese in ihre Schutzkonzepte einzuarbeiten.

Das Homeoffice sei in diesem Kontext zum Standard in vielen Unternehmen geworden. Sie hätten ihre Prozesse so angepasst, dass die Mitarbeiter auch von zu Hause aus produktiv seien und sich mit allen anderen Angestellten digital austauschen könnten.

Homeoffice ist als Massnahme zielgerichtet
Dabei betont er den Wert dieser Massnahme explizit. «Die Aufforderung zum Homeoffice durch den Bundesrat ist eine sehr zielgerichtete Massnahme, denn ein zweiter Lockdown muss um jeden Preis vermieden werden», warnt der Ökonom.

Gleichzeitig sei es wichtig, dass die Bildungseinrichtungen, insbesondere Kindergärten und Primarschulen, offen blieben. Seien die Eltern im Homeoffice und die Kinder gleichzeitig zu Hause, so komme man sich bloss gegenseitig in die Quere.

Bedeutung für die Wirtschaft
Doch was bedeutet die zweite Welle für die Schweizer Volkswirtschaft als Ganzes? Gemäss Martin Neff, Chefökonom bei der Raiffeisen Bank, könnte der Ausbruch der zweiten Corona-Welle in Europa tatsächlich für böse Überraschungen sorgen.

«Die Wirtschaftsleistung der Schweiz wird im vierten Quartal voraussichtlich wieder schrumpfen. Die Erholung könnte viel länger dauern, als Experten erwartet hatten», sagt er.

Die Folgen eines Mini-Lockdowns seien auch in keiner Weise vergleichbar mit denen einer (vorübergehenden) Betriebsschliessung aufgrund von Sommerferien. Denn einen solchen Schritt könne das Management einer Firma Monate im Voraus planen, ergänzt Minsch von Economiesuisse. Entsprechend verursache ein Lockdown grosse soziale und wirtschaftliche Schäden.

Konkret dürften viele Firmen dann auch in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Während viele Unternehmen im Frühling bloss kurzfristig Liquiditätsprobleme hatten, sähen sie sich in einem solchen Fall auch längerfristig mit Zahlungsschwierigkeiten konfrontiert.

Langfristige Liquiditätsprobleme
Denn einerseits seien die Corona-Kredite vom Frühling oftmals bereits erschöpft und reguläre Kredite seien ungleich schwieriger zu erhalten, insbesondere in Branchen mit niedrigen Gewinnspannen. Andererseits schmelze das Eigenkapital der Unternehmen derzeit Tag für Tag «wie Schnee in der Sonne».

Vor allem Unternehmen mit hohen Fixkosten seien von diesen Problemen betroffen. Ihr Geschäftsmodell könnten sie nur langsam ändern. Gemäss Economiesuisse ist das Insolvenzrisiko besonders in Branchen wie der Gastronomie, dem Hotelgewerbe sowie in der Maschinenindustrie hoch.

Und auch im Veranstaltungssektor dürften die Probleme erheblich sein. Stellvertretend für diese Branche äussert sich das Unternehmen Ticketcorner. «Die Veranstaltungs- und Konzertbranche befindet sich bereits seit dem Ausbruch der Pandemie im März in einer aussergewöhnlichen Situation. Sie hat seither aber gelernt, mit der Situation umzugehen», sagte Stefan Epli, Leiter Kommunikation zu AWP.

Geschäftsmodell nicht in Frage gestellt
Glücklicherweise werde das Geschäftsmodell seiner Firma aufgrund von Corona nicht grundsätzlich in Frage gestellt. In einigen Bereichen, wie zum Beispiel dem Skiticketing, erwarte er gar einen erheblichen Anstieg der Online-Verkäufe.

Auch mit Blick nach vorne bleibt er optimistisch und sagt: Live-Konzerte werden bleiben. Eine diesen Sommer durchgeführte Umfrage unter 40'000 seiner Kunden habe bestätigt, dass die Konsumenten den Mangel an Konzerten bedauerten und dass digitale Alternativen wie Streaming ein Live-Event nicht ersetzen könnten.

Dramatischer sieht es in der Reisebranche aus. Viele der grossen Anbieter äussern sich gegenüber AWP besorgt. Die gesamte Hotelplan-Gruppe etwa musste während der Pandemie-Zeit Reisen im Wert von über einer Milliarde Franken stornieren. Die Gruppe werde somit mehrere hundert Millionen Franken an Umsatz verlieren, sagte Sprecherin Tanja Pöll zu AWP. (Hintergrund von Michel Donath, AWP/sda)