Neulich im funkelnd avantgardistischen Las Vegas: Auf den Trottoirs bahnen sich die Roboter von Essenslieferanten fahrerlos den Weg zu ihrer Kundschaft. Auf der weltgrössten LED-Leinwand in der futuristischen örtlichen «Mehrzweckhalle» The Sphere laufen spektakuläre 360-Grad-Filmproduktionen und Konzerte, die einem den Atem verschlagen (bzw. fast den Hals verrenken). Und: KI-Androiden geben auf meine entsprechende Frage hin Tipps für Ferien in der Schweiz, inklusive Hinweis auf die wunderliche Fondue-Tradition und den äusserst zuverlässigen öffentlichen Verkehr. Science-Fiction oder digitale Fantasy? Weder noch. Wie erwähnt, ein gewöhnlicher Augusttag in Kalifornien.
Die Vereinigten Staaten, und insbesondere die US-Westcoast, sind im Bereich Digitalisierung und Technologie bereits in der Zukunft unterwegs. Das war sehr eindrücklich zu sehen während meines Marktbesuchs kürzlich bei unseren ST-Teams im Golden State Kalifornien (Tipp: Lest die «Post von der US-Westcoast» meiner Kollegin Manuela Hess aus Los Angeles) sowie an einer Veranstaltung des Luxustourismus in Las Vegas.
Aber die Schweizer Öffentlichkeit und auch ihr, liebe Hotelièren und einheimische Touristiker, wollt wohl weniger über die digitalen Sensationen in Las Vegas als vielmehr über meine Einschätzungen zum US-amerikanischen Markt und dessen Entwicklung für den Schweizer Tourismus lesen.
Haltet eure Betriebe in der Nebensaison zugunsten zukünftiger neuer Gäste länger geöffnet.
Eine Vorbemerkung sei mir erlaubt: Natürlich sind meine Eindrücke, die ich gerade aus den USA mitgenommen habe, etwas verzerrt – unsere Büros in Los Angeles und San Francisco sind an der brummenden Westcoast (viertstärkste Volkswirtschaft der Welt, wäre Kalifornien ein eigenes Land) tätig. Wir sprachen vor allem mit Schweiz-affinen und kaufkräftigen Zielgruppen, nahmen an der «Virtuoso Travel Week» in Las Vegas teil, natürlich eine eigentliche «Bubble» der Crème de la Crème des globalen Luxustourismus.
Trotzdem: Die Aufregung über die US-Politik des Präsidenten war vor Ort überraschend weniger spürbar als hier bei uns in der Schweiz. Ebenso werden Schreckensszenarien viel mehr ausserhalb des eigenen Landes ausgemalt, die Amis kümmern sich um den eigenen Wohlstand und fokussieren ganz pragmatisch auf das Heute. Die Kaufkraft und die Reiselust besonders der vermögenden US-Amerikanerinnen und -Amerikaner bleibt hoch, man ist und bleibt die stärkste Volkswirtschaft der Welt. Befürchtungen bezüglich Inflation, Dollarschwäche, Wirtschaftskrise oder Arbeitslosigkeit sind an der boomenden US-Westküste kaum auszumachen.
Wir sind zuversichtlich und erwarten aus den USA bis Ende 2025 rund 5 Prozent mehr Hotellogiernächte als 2024, den «Dip» von minus 6 Prozent im Juli miteingerechnet. Daneben entwickeln wir den Markt jedoch vor allem auch qualitativ weiter und sichern für den Schweizer Tourismus somit langfristig und nachhaltig die richtige US-Klientel – indem wir zum Beispiel die Nebensaisons sowie die in Nordamerika noch weniger bekannten «Hidden Swiss Gems» bewerben. So unter anderem nächstes Jahr das Tessin im Frühling für die Elite der nordamerikanischen Hochglanz-Reisemagazine.
Damit Nebensaisons wie der Frühling oder auch der Herbst jedoch überhaupt erst vermarktet werden können – egal ob zwischen New York und Los Angeles oder weltweit: Wir sind da auf euch angewiesen, liebe Hoteliers und Touristikerinnen. Haltet eure Betriebe in der Nebensaison zugunsten zukünftiger neuer Gäste länger geöffnet.
Martin Nydegger ist Direktor von Schweiz Tourismus.
