Lassen Sie sich gerne als jemand bezeichnen, der mit dem Strom schwimmt? Genau – ich mich auch nicht. Trotzdem setzte das Bundesamt für Energie in seiner jüngsten Kampagne «Fahr mit dem Strom» für die Elektromobilität genau auf dieses Motto. Und um die Akzeptanzhürde beim Betrachtenden noch etwas zu erhöhen, haben sich die Werbenden bei einem ihrer Plakate die Ferienreise mit Kind als Sujet rausgepickt. Die Sommerferien, Höhepunkt im Familienkalender und unter ebenso hohem Erfolgsdruck, sollen jetzt elektrisch noch besser gelingen. «Setz ein Statement in den Ferien», ruft mir die Werbetafel mit E-Auto und Luftmatratze mutig zu.

Ist das genial herausfordernd oder grössenwahnsinnig (Steuer-)Geld verschwendend? Unbestritten ist der Personenwagen mit fossilem Antrieb eine der bedeutendsten Treibhausgasquellen der Schweiz. Drei Viertel der Klimagase des schweizerischen Landverkehrs stammen aus den Auspuffen der mobilen Verbrennungsmotoren. Der Freizeitverkehr ist dabei das grosse Wachstumssegment. Im Umstieg der privaten Fahrzeuglenker auf das Elektrofahrzeug steckt also ein enormes Potenzial zur Erreichung unserer Klimaziele.

Allerdings ist die automobile Ferienreise sicherlich eine Achillesferse der Elektromobilität. Denn noch erlauben Ladeinfrastrukturen und -bezahlsysteme kein «Nutzen ohne Nachdenken». Unser etabliertes Leitbild beim Neuwagenkauf ist das Universalfahrzeug, das vom sportlichen Beschleunigen über das rollende Lager bis zur grossen Reichweite alle Wünsche abdeckt. Diesen Status der Eier legenden Wollmilchsau auf Rädern hat das Elektromobil schon fast erreicht. Doch das Vehikel für den bequem sorgenfreien Familienroadtrip ist es eben bislang nicht. Warum die Marketingprofis trotzdem gerade die Hunderte Kilometer lange Reise zur Stranddestination als geeigneten Anlass zum Antriebswechsel bei der Familienkutsche sehen, erschliesst sich wohl nicht allen.

Das E-Mobil hat den Status der Eier legenden Wollmilchsau auf Rädern schon fast erreicht.

Das bessere Statement im Hinblick auf den Energieverbrauch wäre zudem wohl eher, das kleiner dimensionierte, weil eben nicht universell langstreckentaugliche Alltagsfahrzeug für die Ferienreise zu Hause stehenzulassen und auf den Zug umzusteigen. Oder ganz auf ein eigenes Besitzauto zu verzichten. Denn selbst wenn ein formidables Elektrogefährt wie der Polestar 4 dank erneuerbarer Energien quasi emissionsfrei betrieben werden kann, fallen bei dessen Herstellung 21,3 Tonnen Kohlendioxid an – bevor es auch nur einen Meter weit gerollt ist. Bei planetaren Grenzen von 0,6 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr und Erdenbürger ist man da von einem wirklich nachhaltigen Statement etliche Kilometer entfernt.

So viel Transformation wäre zwar das tatsächlich notwendige Statement. Dieses ist aber leider gesellschaftlich nur bedingt anschlussfähig. Denn wenn wir ehrlich sind, schwimmt es sich im Strom doch erheblich leichter als dagegen, sind automobile Routinen nur schwer zu brechen. Wenn also die Elektromobilität der nächste kleinste gemeinsame Nenner ist, umso besser. Das mit dem grünen Statement sollten wir nur fair einzuordnen wissen.

Thomas Sauter-Servaes leitet den Ingenieurstudiengang Mobility Science an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), School of Engineering. Sein Forschungsfokus liegt auf innovativen Services und Geschäftsmodellen im Bereich Mobilität.