Dass der Sommer in den Schweizer Ferien- und Bergregionen im Gegensatz zu den Städten nicht allzu schlecht abschneiden dürfte, zeichnet sich bereits seit einigen Wochen ab. Reisen ins Ausland sind nur beschränkt möglich, was viele Schweizerinnen und Schweizer dazu bewogen hat, ihre Sommerferien in der Schweiz zu verbringen.

Was nun immer deutlicher wird: Besonders die abgelegenen Täler und Dörfer in den Schweizer Bergen verzeichnen unerwartet hohe Buchungszahlen. Auch – oft kleinere – Regionen, welche sich in den letzten Jahren konsequent auf die Schweizer Gäste ausgerichtet haben, können profitieren und erweisen sich im Corona-Sommer als deutlich krisenresistenter.

Bis auf Chur ist der Sommer in Graubünden überall erfreulich
Gemäss der Marketingorganisation Graubünden Ferien ist die Sommersaison in den Bündner Bergen allgemein gut bis sehr gut angelaufen. «Die Destinationen melden mehrheitlich Buchungsstände wie im letztjährigen Rekordsommer, in einigen Destinationen liegen die Buchungen gar noch darüber. Insgesamt können wir von einem guten und in dieser Art nach dem Lockdown nicht zu erwartenden Ergebnis für die Bündner Bergregionen ausgehen», sagt Luzi Bürkli, Leiter Unternehmenskommunikation bei Graubünden Ferien.

Im kantonalen Bild eine Ausnahme stellt die Stadt Chur dar: In der Bündner Hauptstadt sind noch mit Abstand am meisten Zimmer frei. Da Chur normalerweise über einen Anteil von 47 Prozent an ausländischen Gästen verfüge, sei die bisherige Bilanz für Chur noch nicht zufriedenstellend, teilt Graubünden Ferien mit.

Abgelegene Täler in Graubünden  gefragt wie noch nie
Besonders die südöstlichsten Zipfel der Schweiz – das Unterengadin, Val Poschiavo (Puschlav), Val Müstair (Münstertal), und Val Bregaglia (Bergell) verzeichnen diesen Sommer aussergewöhnlich hohe Buchungsstände. Es sind die Destinationen, welche auch in den letzten Jahren immer einen hohen Anteil an Schweizer Gästen verzeichneten. Auch im Oberengadin seien während der Sommerferien die Hotels, Ferienwohnungen und Campings gut gebucht – es hat dort aber gemäss Graubünden Ferien noch freie Kapazitäten.

In der Destination Engadin Samnaun Val Müstair rechnet man für den gesamten Sommer (1. Juni bis 31. Oktober) mit einem Plus von mindestens 27 Prozent an Übernachtungen, wobei die Parahotellerie mit +35 Prozent noch stärker nachgefragt ist als die Hotellerie mit +20 Prozent. Insbesondere während der Schulferien dürfte aber diese Nachfrage noch deutlich höher ausfallen. «Bis Mitte August sind fast das gesamte Unterengadin und das Val Müstair komplett ausgebucht», sagt Madeleine Papst, Leiterin Medien, Marke und Content bei der Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG. Viele Winter-Stammgäste würden dieses Jahr erstmals auch im Sommer anreisen, und auch der Trend zu einer längeren Aufenthaltsdauer sei spürbar. Bis Ende September sehen die Zahlen demnach sehr positiv aus.

Auch kleinere Destinationen im Wallis sind sehr beliebt
Aber nicht nur in Graubünden, auch im Wallis lief die Sommersaison gut an. «Wir starteten viel besser als erwartet in den Sommer», sagt Damian Constantin, Direktor von Valais/Wallis Promotion, auf Anfrage. Auch dort sind es vor allem die kleineren Destinationen, bei denen die Sommersaison zum Teil wesentlich besser angelaufen ist als in den Vorjahren. Grössere Destinationen wie Zermatt verzeichnen zwar ebenfalls eine deutliche Zunahme an Schweizer Gästen, haben aber normalerweise im Sommer mehr ausländische Gäste und müssen dementsprechend einen grösseren Anteil kompensieren.

Aussergewöhnlich hohe Buchungsstände verzeichnen diesen Sommer die Übernachtungsangebote im Lötschental. Das nördliche Seitental zieht normalerweise jeweils im Herbst am meisten Gäste an, doch dieses Jahr sind die Hotels schon seit Anfang Sommer sehr gut gebucht: «Bei uns ist die Saison schon über Auffahrt und Pfingsten gut angelaufen, und auch der Juli fiel wegen des Wetters sehr erfreulich aus. Diesen Monat verzeichnen wir bei uns mindestens 50 Prozent mehr Buchungen als letztes Jahr, eine solche Auslastung hatten wir im Juli noch nie», sagt Esther Bellwald vom Hotel Nest- und Bietschorn. Das Haus ist Teil der Kooperation «Die Lötschentaler», welche aus drei Hotels und einem Campingplatz besteht.

Gemäss Esther Bellwald sehen die Buchungszahlen in allen Betrieben der Kooperation ähnlich gut aus. Dieses Jahr würden viele neue Gäste das Lötschental besuchen, und die Aufenthaltsdauer sei im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen. Ob mit diesen Voraussetzungen gar das weggefallene Winter- und Ostergeschäft aufgeholt werden kann, wird wohl der Herbst entscheiden.


Vom Seminartourismus zur Feriendestination: Auch Sommerferien im Thurgau boomen
«Wir sind keine klassische Ferienregion», sagt Rolf Müller, Geschäftsführer von Thurgau Tourismus. Normalerweise konzentrieren sich die meisten Hotels im Kanton auf den Seminar- und Businesstourismus. Diesen Sommer jedoch ist es anders: Der Apfelkanton verzeichnet überdurchschnittlich viele Gäste, welche für Sommerferien anreisen. «Wir merken, dass vor allem Übernachtungsorte, welche im und ums Haus Angebote für Feriengäste haben, diesen Sommer gut funktionieren», so Rolf Müller. Dies könne ein Park sein oder eine Leseecke, aber auch Wellnessangebote und Velovermietungen kämen gut an. Erfreulich ist gemäss Rolf Müller auch die Zahl der Gäste aus der Westschweiz. Die Nachfrage aus der Romandie sei diesen Sommer spürbar gestiegen. Seit rund drei Jahren hatte Thurgau Tourismus angefangen, den Westschweizer Markt verstärkt zu bearbeiten, unter anderem mithilfe einer PR-Agentur und der Optimierung der Website. Dies habe sich nun ausgezahlt. Künftig will sich Thurgau Tourismus verstärkt auf Feriengäste ausrichten, eine Entwicklung, welche bereits seit längerem im Gange ist. Dies zeigt sich auch im Übernachtungsangebot: Nebst den Hotel-Logiernächten verzeichnet der Ostschweizer Kanton auch immer mehr Campinggäste, der Anteil liegt bereits bei über 20 Prozent. og [IMG 2]