Kurz vor Weihnachten hat das Parlament Nägel mit Köpfen gemacht und das Gesetz über die elektronische Identität (E-ID) verabschiedet. Die neue E-ID wird allen in der Schweiz wohnhaften Personen, auch Ausländerinnen und Ausländern, zur Verfügung stehen und auf dem Smartphone in einem sogenannten Wallet gespeichert.

Diese Kombination könnte dereinst etwa dafür sorgen, dass das Ausfüllen und Prüfen der Meldescheine entfällt, «weil dies dann digital abgewickelt werden kann», sagt Rolf Rauschenbach, Informationsbeauftragter des Projekts E-ID beim Bundesamt für Justiz.

Nach dem Nein der Stimmbevölkerung zur privaten E-ID 2021 wurde das staatliche Vorhaben klar angenommen: Der Nationalrat stimmte mit 170 zu 25, der Ständerat mit 42 zu 1 Stimme zu. Unter anderem die Piratenpartei hat das Referendum dagegen ergriffen. Kommen genügend Unterschriften zustande, wird ein Urnengang nötig. Wenn nicht, ist die E-ID ab 2026 verfügbar.

Vereinheitlichung der Technologie
Der Bund sieht durch die neue E-ID Möglichkeiten für den Tourismus, die über die Digitalisierung des Meldescheins hinausgehen. Zum Beispiel könnten «Gemeinden, Regionen oder Leistungserbringer Nachweise, Coupons oder Freipässe digital im E-ID-Wallet ausstellen», erklärt Rolf Rauschenbach.

Potenzial sieht er vor allem in der Vereinheitlichung der Technologie, da aktuell noch sehr viele verschiedene Lösungen im Einsatz seien. Er betont ausserdem die Möglichkeit, dass auch Touristinnen und Touristen aus dem Ausland die Wallet-App herunterladen und von ihren Vorteilen profitieren könnten. Nur die E-ID selbst stehe ausländischen Gästen nicht zur Verfügung.

Die Kontrolle über die persönlichen Daten liegt künftig bei den Nutzern.

Auch Erik Schönenberger, Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft Schweiz, sieht einen Mehrwert. «Der Tourismus innerhalb der Schweiz könnte vereinfacht werden», sagt er und erwähnt die Möglichkeit, «Skipässe, Wochenabos und mehr» im Wallet ablegen zu können. Aus Datenschutzperspektive sei das «physische Kärtchen der Bergbahnen zwar besser», aber aus Sicht der Digitalisierung sei die Entwicklung hin zur E-ID zu begrüssen.

Kritischer ist Markus Christen, Geschäftsführer der Digital Society Initiative der Universität Zürich. Er prophezeit, dass Touristinnen und Touristen nicht bereit seien, die «Daten für die Ferien zum Beispiel mit jenen der Einkäufe zu verknüpfen». Alle Daten würden in einen bestimmten Kontext gehören. Ausserdem bezweifelt Christen, dass viele «dieser kleinteiligen Akteure in den Tourismusgebieten bei der E-ID mitmachen wollen». Ihm fehlt die «Sinnhaftigkeit beim Einsatz der E-ID im Tourismussektor».

Freiwillige Nutzung der E-ID
Rolf Rauschenbach entgegnet, dass die Nutzung der E-ID für Bürgerinnen und Bürger freiwillig sei, und betont, dass «Skepsis und gesunder Menschenverstand immer wichtig sind, bevor die E-ID jemandem vorgewiesen wird». Der Bund wolle keine gläsernen Bürgerinnen und Bürger schaffen und die Inhaber der E-ID schützen.

So werde im Wallet jeweils angezeigt, ob ein Akteur die Anforderungen gemäss Datenschutzgesetz erfülle und die Sorgfaltspflichten gemäss E-ID-Gesetz einhalte oder nicht. «Noch gibt es hierzu keine definitive Checkliste.» Wichtig sei aber, dass Unternehmen immer nur die Daten abfragten, die sie auch wirklich benötigten. Dieser Ansatz nennt sich Datensparsamkeit: Die Kontrolle über die persönlichen Daten liegt künftig bei den Nutzerinnen und Nutzern.

Mauro Gotsch, wissenschaftlicher Projektleiter am Institut für Tourismus und Freizeit der FH Graubünden, sieht darin die grösste Herausforderung für Akteure im Tourismus: «Falls die Bevölkerung die E-ID in grossem Umfang adaptiert und das Ökosystem gut funktioniert, könnte dies ein Umdenken bei Leistungserbringern und Tourismusregionen erforderlich machen – insbesondere im Hinblick auf die engere Zweckbindung der Daten.»

Betriebe müssten ihren Kundinnen und Kunden deutlicher aufzeigen, wofür sie die Daten verwendeten

Mehr Kontrolle über eigene Daten
Das bisherige Sammeln von Daten zu Marketingzwecken könnte dadurch eingeschränkt werden, so Gotsch. Betriebe müssten ihren Kundinnen und Kunden deutlicher aufzeigen, wofür sie die Daten verwendeten und wie sie von einer solchen Teilung profitieren könnten. Für Reisende biete die künftige E-ID dementsprechend den Vorteil, dass sie mehr Kontrolle über ihre Daten und somit mehr Verhandlungsmacht erlangen könnten.

Für Leistungserbringer und weitere Akteure im Tourismus hingegen werde es schwierig, wenn sie sich nicht darauf einstellten, dass ihnen «künftig weniger Daten zur Verfügung stehen als heute», sagt Gotsch. Dennoch ist er überzeugt, dass bei einer breiten Adaption der E-ID bei 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung Hotel- und Bahnbetreiber sowie Regionen den digitalen Ausweis ebenfalls akzeptieren werden.

Ob die E-ID im Tourismus zum Gamechanger wird, hängt nicht nur von der Technik, sondern auch vom Vertrauen der Bevölkerung ab. Entscheidend wird sein, wie gut es gelingt, die Vorteile der E-ID für Reisende und Betriebe gleichermassen zu kommunizieren, ohne Datenschutzbedenken zu ignorieren. Nur wenn die Tourismusakteure die Technologie nicht als Einschränkung, sondern als Chance begreifen, können sie langfristig davon profitieren.

Reto Vogt