Die Digitalisierung prägt den Tourismus – getrieben von globalen Plattformen wie Google, Booking oder Airbnb. Mit dem Aufkommen künstlicher Intelligenz (KI) und neuer Akteure wie Open AI beschleunigt sich dieser Wandel und erfasst zunehmend alle Branchen und Regionen. Automatisierung, KI und smarte Systeme sind längst kein rein urbanes Phänomen mehr. Auch in vielen Bergregionen stellt sich nicht mehr die Frage, ob diese Technologien genutzt werden sollen, sondern wie. Gerade Destinationen, die sich über Werte wie Authentizität, Gastfreundschaft und Menschlichkeit positionieren, stehen vor der Herausforderung, digitale Innovationen so einzusetzen, dass sie diese Werte nicht verdrängen, sondern stärken.
In der Hotellerie – einer zentralen Akteurin in vielen Bergdestinationen – löst der Vormarsch von KI gemischte Gefühle aus. Die Sorge ist, dass Technologie das, was das Gastgebersein ausmacht – persönliche Nähe, Intuition und echte Begegnungen – ersetzen wird. Doch Studien und erste Praxisbeispiele zeigen alternative Perspektiven.
Der Mensch selbst wird zur wertvollsten Ressource.
Eine neue Umfrage der HES-SO Valais-Wallis unter knapp 1500 Hotels in sechs Ländern – darunter zahlreiche aus der Schweiz – zeigt: Der gezielte Einsatz von KI in der Hotellerie – beispielsweise bei der dynamischen Preisgestaltung, der Erstellung von Prognosemodellen oder der Bearbeitung von Standardanfragen – entlastet die Mitarbeitenden spürbar. In einer Branche, die vielerorts mit akutem Personalmangel kämpft, kann KI zwar keine Fachkräfte ersetzen, sie kann jedoch den Druck auf bestehende Teams verringern. Laut der Studie berichten Hotels besonders häufig von Zeitersparnissen (76 %), Effizienzgewinnen (51 %) und verbesserten Kommunikationsabläufen (54 %). Die Ergebnisse machen deutlich: KI ist kein Ersatz für menschliche Kompetenz, sondern ein wirksames Instrument, um bestehende Teams in einem zunehmend komplexen digitalen Umfeld wirkungsvoll zu unterstützen.
Klug umgesetzt, erhofft man sich weniger Stress, weniger Überstunden und mehr Fokus auf das, was Mitarbeitende gerne tun: Gastgeberin beziehungsweise Gastgeber sein. Wer den Rücken frei hat für echte Begegnungen, bleibt motivierter, zufriedener und wechselt seltener den Betrieb. Zugleich eröffnet KI neue Formen der Personalisierung im Service. Systeme erkennen wiederkehrende Gäste, schlagen Aktivitäten vor oder helfen beim Mobilitätsmanagement. Die Interaktion bleibt menschlich, wird aber intelligenter vorbereitet. So entsteht eine neue Art von Gastfreundschaft: digital gestützt, aber emotional aufgeladen.
Eine gute Bergdestination setzt Technologie gezielt ein, um den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken – sei es als Gast, Mitarbeitende oder Teil der lokalen Bevölkerung. Je mehr standardisierbare Aufgaben automatisiert werden, desto wertvoller werden Zeit, Aufmerksamkeit und Zuwendung. So wird der Mensch selbst zur wertvollsten Ressource. Eine gute Bergdestination erkennt das und gestaltet den digitalen Wandel.
Roland Schegg ist Professor am Institut für Tourismus der HES-SO Valais-Wallis in Siders. Er forscht im Bereich des digitalen Tourismus und untersucht dabei Themen wie den Onlinevertrieb und die Übernahme neuer Technologien wie zum Beispiel KI.
