Für den Tourismus war die weltweite Corona-​Pandemie desaströs. Die Reisetätigkeit wurde teils freiwillig, teils durch behördliche Massnahmen stark eingeschränkt. Die Wertschöpfung, die mit dem Tourismus erwirtschaftet wird, betrug 2019 2,7 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung. Das mag zwar aus der Makroperspektive gering klingen, dennoch leistet der Tourismus in vielen Regionen in der Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung und Wertschöpfung.

Durch die raschen und umfangreichen staatlichen Kompensationen zur Abfederung der Auswirkungen der Pandemie ist die Struktur der Wirtschaft und auch der Tourismusbranche in der Schweiz weitgehend intakt geblieben. Dies dürfte ein nicht zu unterschätzender Vorteil sein, wenn die Nachfrage wieder anzieht, schreibt die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) in einer am Dienstag veröffentlichten Prognose.

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Der Schweizer Tourismussektor dürfte laut Prognosen der KOF die Talsohle durchschritten haben. Bis die Branche den beispiellosen Absturz durch die Coronapandemie wettgemacht hat, wird es allerdings noch einige Jahre dauern.

Mit der Anfang Jahr gestarteten Impfkampagne sei eine allmähliche Verbesserung der Lage im Tourismussektor zu erwarten, hält die KOF in ihrer am Dienstag veröffentlichten Prognose fest. Für die Sommersaison sei ein Wachstum der Übernachtungen gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent zu erwarten, erklärte KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm in einer Onlinepräsentation vor den Medien.

Mit 16,1 Millionen Logiernächten liege sei das Niveau allerdings noch weit vom Vor-Coronajahr 2019 entfernt. Damals hatten es im Sommer 22,6 Millionen Übernachtungen in Schweizer Hotels gegeben.

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Einbruch bei Touristen aus Fernost
Grund dafür ist der Einbruch bei den ausländischen Touristen. Deren Übernachtungen dürften sich zwar auf 6 Millionen verdoppeln. Aber das ist nicht einmal halb so viel wie im Vor-Krisenjahr 2019.

Besonders die Europäer dürften wieder viel zahlreicher kommen als vergangenes Jahr, da die Reisetätigkeit auf dem «Alten Kontinent» mit den zunehmenden Lockerungen wieder ansteigen werde, erklärte Sturm.

Dagegen herrscht immer noch grosse Flaute bei den Touristen aus fernen Ländern. Diese dürften erst wieder eine halbe Millionen Logiernächte in der Schweiz verbringen, was über 90 Prozent weniger ist als im Spitzenjahr 2019.

Stütze des heimischen Tourismus sind erneut die Schweizer. Einheimische Touristen dürften 10,1 Millionen Übernachtungen buchen, schätzt die KOF. Damit wird zwar der Rekord von 10,4 Millionen aus dem Pandemiejahr 2020 nicht ganz erreicht, als die Einheimischen scharenweise im Inland Ferien machten. Aber es sind immer noch etwas mehr inländische Gäste als vor Corona im Jahr 2019.

«Es ist zu erwarten, dass viele Geschäftstermine auch zukünftig virtuell stattfinden werden»

ETH Zürich, KOF Konjunkturforschungsstelle

Stadthotels weiterhin in der Krise
Am besten sieht es für den Alpenraum und die übrigen Gebiete aus. Diese dürften schnell wieder Touristen aus dem In- und nahen Ausland auf Höhe des Vorkrisenniveaus begrüssen, schrieb die KOF.

Dagegen stecken die Hotels in den Städten und der Gebiete, die stark von Gästen aus Fernost abhängen, tiefer in der Krise. Die Nachfrage aus den Fernmärkten wird voraussichtlich länger gedämpft bleiben und ein Teil des Geschäftstourismus wird wohl im Zuge der beschleunigten Digitalisierung permanent ausfallen. «Es ist zu erwarten, dass viele Geschäftstermine auch zukünftig virtuell stattfinden werden», erklärte die KOF.

Wertschöpfungsentwicklung Hotellerie
Die Hotellerie erwirtschaftete 2019 gemäss den Indikatoren zum Satellitenkonto Tourismus eine Wertschöpfung von 2.5 Mrd. Fr., was bei total 39.6 Mio. Logiernächten einem Durchschnitt von 64.20 Fr. entspricht. Der Umsatz in der Hotellerie betrug 5.0 Mrd. Fr, womit der Wertschöpfungsanteil rund 50% ausmacht. 2020 sanken die Anzahl Logiernächte um 40% auf 23.7 Mio., was einen Wertschöpfungsreduktion um mehr als eine Milliarde Fr. impliziert, denn der Anteil für Vorleistungen ist nicht konstant. Wenn der Umsatz zurückgeht, schrumpfen die Ausgaben für einige Vorleistungen nicht im gleichen Ausmass, wie z.B. Ausgaben für Miete oder Elektrizität. In diesem Jahr kommt es voraussichtlich zu einer weiteren Reduktion von zusätzlichen 13% der Logiernächte, was einen Wertschöpfungsverlust in der Hotellerie gegenüber dem Vorjahr von gegen 200 Mio. Fr. bedeutet. Für 2022 erwarten wir eine Zunahme der Logiernächte von über 30%. Deren Anzahl und auch die Wertschöpfung wird damit etwa 10% tiefer liegen im Vergleich zum Vorkrisenniveau. (Quelle: KOF)

Vorkrisenniveau noch Jahre entfernt
Wegen des Einbruchs im vergangenen Winter dürfte das Gesamtjahr 2021 sogar nochmals schlechter ausfallen als das Coronajahr 2020. Die Zahl der Übernachtungen werde um 5 Prozent auf 25 Millionen schrumpfen, schätzt die KOF.

Erst im nächsten Jahr setzt dann ein steiles Wachstum ein. Für die kommende Wintersaison rechnet die KOF mit einem Plus von fast zwei Dritteln. Das Niveau von vor der Krise von 39,4 Millionen Logiernächten werde aber auch im Gesamtjahr 2023 noch nicht erreicht werden (38,2 Millionen).

Prognoserisiken und Alternativszenario
Es besteht nach wie vor erhebliche Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie, den Fortschritt der Immunisierungskampagnen und die Lockerung von Eindämmungs-​ und Schutzmassnahmen. Deshalb hat die KOF zusätzlich ein negativeres Alternativszenario berechnet.

Die verzögerte Normalisierung der pandemischen Situation würde demnach dazu führen, dass die Schweizerinnen und Schweizer auch in der Sommersaison 2021 mehrheitlich auf Reisen ins Ausland verzichten oder um ein Jahr verschieben. Damit würden die inländischen Übernachtungen noch deutlicher über dem Vorkrisenniveau zu liegen kommen.

Erneute Reiserestriktionen und vorsichtiges Verhalten würden hingegen die ausländische Nachfrage dämpfen, so dass die Erholung sich in die Folgejahre verschiebt.

Ein negatives Prognoserisiko besteht in einem Wiederaufflammen der COVID-​19-Pandemie. Ursächlich hierfür könnten neuerliche Mutationen von Coronaviren sein, gegen die bestehende Impfungen nicht, oder nicht ausreichend, schützen. Ein positives Prognoserisiko besteht in einer kräftigen Nachfrage nach touristischen Dienstleistungen aufgrund von hohen Ersparnissen und einer unerwartet raschen Normalisierung der pandemischen Lage. (htr/sda/npa)

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