Vielleicht ist es in anderen Branchen genauso, aber gefühlt jede Woche gibt es irgendeinen Workshop oder ein Paper zum Thema Digitalisierung im Tourismus. Fokussiert wird darin ausnahmslos auf die Chancen der technologischen Entwicklung, kritische Reflexion sucht man vergebens. Nicht selten läuft es auf «Bullshit-Bingo» hinaus, um es in den ­Worten des HTF-Gründers Ullrich Kastner zu sagen: beliebig herumgereichte Modewörter wie Innovation, Disruption, Nachhaltigkeit oder auch, sobald es um Daten geht, wohlfeile Adjektive wie smart, deep oder big.

Eine erfreuliche Ausnahme ist die aktuelle Studie des Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) «Unterwegs mit smarten Assistenten». Anschaulich legt sie dar, wie künstliche Intelligenzen uns in Zukunft überallhin begleiten und uns so gut wie jede Entscheidung abnehmen werden. Und obwohl die Studie keinen Zweifel daran lässt, dass diese Entwicklung stattfinden und für den Tourismus eine gute Sache sein wird, verzichtet sie nicht auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Convenience. Die Autoren denken die Folgen der technologischen Entwicklung konsequent zu Ende und berücksichtigen dabei auch neuste Erkenntnisse aus Psychologie und Hirnforschung. Etwa, wenn sie auf den scheinbaren Widerspruch zwischen Erleben und Erzählen eingehen. Eines ihrer Beispiele ist die Geschichte des Afroamerikaners Moreese Bickham: 37 Jahre verbrachte er unschuldig hinter Gittern und meinte danach, es sei eine wunderbare Erfahrung gewesen. Hiesse das, fragen die Autoren, dass wir freiwillig 37 Jahre ins Gefängnis gehen würden, nur weil uns ein smarter Assistent dereinst garantieren könnte, dass wir danach wirklich glücklich sein werden? Oder der Verweis auf die Neolithische Revolution, in Anlehnung an den Bestseller «Homo Sapiens» des israelischen Historikers Yuval Noah Harari: Vor ca. 10'000 Jahren begannen die Menschen, sesshaft zu werden und Ackerbau zu betreiben. Nicht, weil man als Bauer glücklicher oder gesünder lebte als die Jäger und Sammler (das Gegenteil ist wohl der Fall), sondern weil ­landwirtschaftliche Gesellschaften pro­duktiver waren und sich zwangsläufig gegen das Nomadentum durchsetzen mussten.

Den Autoren ist eine Gratwanderung gelungen: Sie zeichnen ein differenziertes Bild in allen Grautönen, ohne dabei in Kontrarianismus zu verfallen. Abschliessendes Zitat verdeutlicht diese Pragmatik beispielhaft: «Es ist nicht auszuschliessen, dass künstliche Intelligenzen eine ähnliche Wirkung haben könnten [wie die Landwirtschaft]. Zwar ist man effizienter und produktiver, aber weniger glücklich. Die Nutzung solcher Technologien wäre für unsere Spezies also ein schwerwiegender Fehler. Doch kann sich paradoxerweise niemand leisten, den Fehler nicht zu begehen.»