Angesichts der weltweiten Ausbreitung des Erregers sei er «tief besorgt» über das «alarmierende Niveau der Untätigkeit» im Kampf gegen das Virus, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch in Genf. Weltweit infizierten sich seit Ende Dezember laut Zählung der Nachrichtenagentur AFP bereits mehr als 124'000 Menschen mit dem Coronavirus, mehr als 4500 Menschen starben.

In den vergangenen zwei Wochen erhöhte sich laut WHO die Zahl der Fälle ausserhalb Chinas um das 13fache, die Zahl der betroffenen Länder habe sich verdreifacht. Daher könne die Atemwegserkrankung Covid-19 nun als Pandemie eingestuft werden, sagte Tedros. Das Vorgehen der WHO und der betroffenen Länder ändere sich dadurch aber nicht.

Die WHO definiert eine Pandemie als eine Situation, in der die gesamte Weltbevölkerung potenziell einem Erreger ausgesetzt ist – und das Risiko besteht, dass «ein Teil von ihr erkrankt». Die Einstufung als Pandemie sagt aber nichts darüber aus, wie ansteckend oder tödlich die jeweilige Krankheit ist.

Noch seien der Iran und Italien an erster Stelle der Front, sagte der WHO-Direktor für Notfälle, Michael Ryan. Im Iran mangle es derzeit an Sauerstoffmasken und anderem medizinischen Gerät. Laut Tedros hat der Iran, der mehr als 350 Tote verzeichnet «sein Bestes getan». Die WHO versprach weitere Unterstützung.

Notprogramm in Italien
Die Regierung im besonders stark betroffenen Italien kündigte ein Notprogramm im Umfang von 25 Milliarden Euro an. Die Hälfte des Notprogramms stehe für Sofortmassnahmen zur Verfügung, teilte Italiens Regierungschef Giuseppe Conte nach Agenturberichten mit. Die andere Hälfte sei für «mögliche weitere Bedürfnisse» des Landes im Kampf gegen das Virus gedacht.

In der Nacht zu Dienstag hatte Conte das ganze Land bereits zur «Schutzzone» mit umfangreichen Reisebeschränkungen und Versammlungsverboten erklärt. Reisen sind nur noch aus dringenden beruflichen oder gesundheitlichen Gründen erlaubt, alle kulturellen, religiöse und Sportveranstaltungen wurden untersagt.
Die Schulen und Hochschulen des Landes wurden schon vorher geschlossen.

In Italien haben sich bereits mehr als 12'000 Menschen mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. 827 Infizierte starben. In Spanien wurden bislang mehr als 2100 Infizierte und 47 Todesopfer registriert, in Frankreich fast 2300 Infizierte und 48 Todesopfer. Danach folgt Deutschland mit rund 1600 Infektionen und drei Todesopfern.

In Europa wurden die Schutzmassnahmen im Kampf gegen das Coronavirus am Mittwoch weiter verschärft. Frankreich hat Besuche in staatlichen Altersheimen und Pflegeeinrichtungen verboten, um das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 für Senioren zu verringern. Österreich setzte seinen Personenzugverkehr zu Italien vollständig aus und schloss zahlreiche Einrichtungen. Polen und die Ukraine kündigten Schulschliessungen an.

Tessin ruft Notstand aus
In der Schweiz steigt die Zahl der Coronavirus-Erkrankungen in weiter rasant an: Am Mittwochmittag gab es bereits 613 bestätigte Fälle. Die Tessiner Regierung hat bis am 29. März den Notstand ausgerufen. Das teilte sie am Mittwochabend vor den Medien mit. Das öffentliche Leben dürfte dadurch massiv eingeschränkt werden.

So schliessen alle privaten und öffentlichen Schulen im Kanton, welche eine Ausbildung nach der obligatorischen Schulzeit anbieten. Daneben werden ab Mitternacht auch sämtliche Kinos, Theater, Schwimmbäder, Diskotheken, Sportzentren und ähnliches geschlossen.

Entspannung der Lage in China
China, Ausgangspunkt der Lungenkrankheit Covid-19, meldete derweil eine weitere Entspannung der Lage. Die nationale Gesundheitskommission gab am Mittwoch lediglich 22 neue Todesfälle und 24 neue Infektionsfälle bekannt.

Die Restriktionen in der Millionenmetropole Wuhan wurden gelockert. Einige Unternehmen in der Hauptstadt der Provinz Hubei dürfen ihren Betrieb wieder aufnehmen. Ankömmlinge aus dem Ausland müssen in Peking nun allerdings zwei Wochen in Quarantäne.

Der US-Bundesstaat New York setzt im Kampf gegen die Epidemie nun die Nationalgarde ein. Wie Gouverneur Andrew Cuomo am Dienstag (Ortszeit) ankündigte, sollen die Nationalgardisten in der New Yorker Vorstadt New Rochelle in einer neu eingerichteten Sicherheitszone Einwohner mit Lebensmitteln versorgen und öffentliche Einrichtungen säubern. (sda afp dpa)