Frage: Wir haben eine Stelle in der Physiotherapie ausgeschrieben. Nun hat sich eine Person beworben, die nicht angestellt werden möchte, sie sei selbstständigerwerbend. Ist es möglich, diese Person als selbstständigerwerbend anzustellen?

Antwort: Die Frage, ob jemand eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt oder ob jemand von einem Betrieb angestellt ist, ist schwierig zu beantworten. Es muss im Einzelfall abgewogen werden, welche Merkmale überwiegen. Die Abgrenzungskriterien rechts geben dazu Hinweise. Es gilt zu beachten, dass es möglich ist, als Selbstständigerwerbender bei der Steuerverwaltung gemeldet, aber im konkreten Fall trotzdem im Betrieb angestellt zu sein.

Achtung: Eine falsch getroffene Zuordnung kann kostspielige sozialversicherungsrechtliche Nachzahlungen zur Folge haben und führt im Extremfall zur Einleitung einer Strafverfolgung und damit verbundenen eventuellen Sanktionen und Verfahrenskosten.

Beispiel 1:

Herr Meier ist Physiotherapeut und hat in Zürich eine eigene Praxis, wo er Montag bis Donnerstag seine Patienten behandelt. Jeden Freitag therapiert er von 9 bis 16.30 Uhr Gäste des Hotels X, die ihm durch das Hotel zugewiesen werden. Herr Meier übt von Montag bis Donnerstag eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus. Da er jeden Freitag den ganzen Tag im Hotel X tätig ist, er dort seine Patientinnen nicht selbst akquiriert und er die Therapien gemäss dem von der Hotelleitung festgelegten Stundenplan durchführt, gilt er für diese Arbeit als unselbstständiger Erwerbstätiger. Das Hotel X ist für Herrn Meier somit abrechnungspflichtig.

Beispiel 2:

Frau Flora ist Inhaberin eines Blumenladens in Grindelwald. Ihr Geschäft ist jeweils von Dienstag bis Samstag geöffnet. Von der Hotelleitung des Hotels X bekommt sie regelmässige Aufträge für Blumendekorationen. Es wird bei jeder neuen Anfrage vereinbart, wann die Dekorationen fertiggestellt werden sollen. Hat Frau Flora bereits einen vollen Terminkalender, kann sie einen Auftrag auch ablehnen. Frau Flora ist ausschliesslich selbstständigerwerbend und gilt beim Hotel X nicht als Mitarbeitende.
 

Kriterien
Selbständige Erwerbstätigkeit


Vertragspartei («Arbeitnehmer») trägt eigenes Unternehmerrisiko (Gewinnchance oder Verlustgefahr)

Ist von der anderen Vertragspartei betriebswirtschaftlich und arbeitsorganisatorisch unabhängig

Handelt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung

Gleichstellung gegenüber dem Vertragspartner

Keine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Vertragspartner

Kein Konkurrenzverbot

Kriterien
Unselbständige Erwerbstätigkeit


Vertragspartei (Arbeitnehmer) trägt kein Unternehmerrisiko (Gewinnchance oder Verlustgefahr)

Ist von der anderen Vertragspartei betriebswirtschaftlich und arbeitsorganisatorisch abhängig

Handelt in fremdem Namen/Namen des Hotels und auf fremde Rechnung/Rechnung des Hotels

Es besteht ein Weisungsrecht seitens des Arbeitgebers, speziell in persönlicher, organisatorischer und zeitlicher Hinsicht

Keine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Vertragspartner

Es kann ein Konkurrenzverbot vorhanden sein

Annette Rupp ist Projektleiterin Rechtsdienst bei HotellerieSuisse.