In Zürich setzt die Fred-Tschanz-Gruppe seit 2022 mit ihrem Fred Hotel in der Leonhardstrasse auf Self-Check-in. «Mit seinen 13 Zimmern und der Nähe zu unserem zweiten Hotel bot der Standort optimale Bedingungen, um diese damals noch recht junge Technologie zu testen», erläutert Cedric Nake, General Manager von Fred Hotels. [RELATED]
Das Hotel wurde nach der Pandemie mit neuem Konzept, das heisst ohne klassischen Empfang, wiedereröffnet. Die Gäste checken eigenständig online ein und erhalten ihren Mobile Key auf ihr Mobiltelefon. Die Kosten für die Modernisierung des Schliesssystems lagen bei rund 20 000 Franken, hinzu kamen die Kosten für die Software.
Die Bilanz fällt äusserst positiv aus. «Die Hauptvorteile für Gäste und Personal sind Zeitersparnis und mehr Effizienz: keine Warteschlangen, keine fest vorgegebenen Zeiten», unterstreicht Cedric Nake. Der gesamte Aufenthalt wird nun über das Mobiltelefon des Gasts gemanagt: Mobile Key, Zahlungsmittel, Zusatzleistungen, praktische Infos und Direktkommunikation mit dem Hotel.
Vor Ort kümmert sich eine einzige Person um das Housekeeping. Das Partnerhotel regelt den Kontakt mit den Gästen und die administrativen Aufgaben telefonisch, per E-Mail oder Whatsapp. Die Gäste erhalten automatisierte Nachrichten vor, während und nach ihrem Aufenthalt. «Fragen beantworten wir persönlich», versichert der General Manager. Bei Problemen garantiert der Betreiber, innerhalb von zehn Minuten zu intervenieren.
Je stärker digitalisiert wird, desto unzufriedener sind die Gäste. Es gilt, das richtige Mass zu finden.
Jean-Marc Habersaat, Lead-Auditor bei HotellerieSuisse
Präzise Daten und Zeitgewinn
Bei Hotelketten ist das Self-Check-in bereits stärker verbreitet. Das Zleep Hotel in Lau-sanne-Chavannes (3 Sterne, 120 Zimmer) eröffnete 2024 mit dem Ziel, «einfache und praktische» Leistungen anzubieten. «In allen Zleep-Hotels – ob in Prag, Madrid, Frankfurt oder Lausanne – ist das Self-Check-in ein wichtiger Bestandteil des Konzepts», erläutert Hotelmanager Gian-Andrea Albonico. Der persönliche Empfang ist weiterhin durch eine physische Réception zwischen 5 und 23 Uhr gesichert. «Die richtige Balance zwischen Technologie und menschlicher Unterstützung ist entscheidend», so Albonico.
In Lausanne nutzen rund 60 bis 70 Prozent der Gäste die Check-in-Automaten, sowohl tagsüber als auch nachts. Für Albonico überwiegen die Vorteile bei Weitem. «Wir profitieren von einer hohen Datenpräzision, da die Gäste ihre Daten selbst eingeben. Dies hat auch einen beträchtlichen Zeitgewinn zur Folge, da die Übertragung vom Meldeformular ins PMS entfällt.»
Das richtige Mass finden
Trotz der Vorteile, die die neuen Technologien bieten, ist eine gewisse Vorsicht geboten. Jean-Marc Habersaat, Lead-Auditor bei HotellerieSuisse, warnt: «Je stärker digitalisiert wird, desto unzufriedener sind die Gäste. Es gilt, das richtige Mass zu finden.» Als negatives Beispiel nennt er ein Hotel im Zentralwallis, das in ein komplett automatisiertes Aparthotel umgewandelt wurde.
Sein Trust-You-Score sank nach der vollständigen Digitalisierung aufgrund negativer Kommentare von 86 auf 74. Ein weiteres Beispiel ist ein Hotel in Morges, das aufgrund technischer und sicherheitsrelevanter Probleme zurückrudern musste.
Die richtige Balance zwischen Technologie und menschlicher Unterstützung ist entscheidend.
Gian-Andrea Albonico, Manager Zleep Hotel, Lausanne-Chavannes
HotellerieSuisse hat den Trend zur Digitalisierung in ihre Klassifikationskriterien integriert und setzt klare Grenzen: Hotels ohne physische Réception können nicht mehr als zwei Sterne erhalten. Nach Ansicht von Jean-Marc Habersaat muss das Self-Check-in ein zusätzliches Instrument bleiben.
«Dieses System ermöglicht es, bestimmte wiederkehrende Aufgaben zu erleichtern und den Empfang zu entlasten, der diesen Zeitgewinn für zusätzliche Verkäufe und Kundenpflege nutzen kann. Ein komplett autonomes Hotel muss seine Versprechen halten und bei Bedarf intervenieren können. Schliesslich geht es um die Sicherheit der Gäste.»
Klare und transparente Kommunikation
Laut Cedric Nake besteht die grösste Schwierigkeit in der richtigen Kommunikation: «Die Technologie funktioniert, die Gäste wissen sie zu nutzen. Es gilt jedoch, zu verdeutlichen, was sie erwartet. Auf diese Weise können wir Gäste gewinnen, die die Vorteile dieses Konzepts schätzen.»
Nach Auffassung von Jean-Marc Habersaat ist für die Relevanz des Self-Check-in auch der Kontext entscheidend: «Die Lage des Hotels spielt eine wichtige Rolle. Befindet es sich in der Stadt, am Bahnhof oder Flughafen, gelten andere Herausforderungen und Erwartungen. Wir sollten nicht vergessen, dass wir ein Dienstleistungsgewerbe sind.»
Unerwünschte Auswirkungen
Wenn die Digitalisierung ausser Kontrolle gerät ...
Ein Hotel musste erfahren, dass die vollständige Digitalisierung unerwünschte Auswirkungen haben kann. Neben technischen Schwierigkeiten kam es zu Problemen mit Sauberkeit und Prostitution.
April 2024, das Lodges Hotel in Morges (52 Zimmer) wird nach einer 180-Grad-Kehrtwende neu eröffnet: Änderung des Konzepts, Änderung des Namens und Rückkehr zu einem eher analogen Betrieb. «Der ehemalige Betreiber führte das Hotel unter anderem Namen und komplett aus der Ferne. Es gab keine physische Réception. Die Gäste erledigten alles über eine App auf dem Mobilgerät und über die Website», schildert die neue Geschäftsführerin Nastasia Binotto.
Technische Probleme und Prostitution
Die Hotelleiterin nennt zwei Gründe für die Kehrtwende. Der erste Grund ist technischer Natur: «Da der Schlüssel nur auf dem Mobiltelefon zur Verfügung stand, kam es oft zu Problemen bei leerem Akku oder zu Roamingproblemen und Schwierigkeiten bei der Schlüsselerzeugung bei ausländischen Gästen.» Das neue Team behielt das bestehende System bei, deaktivierte jedoch die Türöffnung per Mobiltelefon und entschied sich stattdessen für ein System mit physischem Badge.
«Wir haben weiterhin die Möglichkeit, die Tür bei Problemen aus der Ferne zu öffnen», präzisiert Nastasia Binotto. Der zweite Grund ist sicherheitsrelevanter Art: «Das vorherige Hotel hatte viele unerwünschte Gäste, etwa Prostituierte, und litt unter Lärmbelästigung sowie Problemen im Bereich Sauberkeit.»
Soziale Bindungen schaffen
Nach der Namens- und Konzeptänderung führte das Hotel wieder eine physische Réception ein, die täglich von 8 bis 21 Uhr (sonntags bis 17 Uhr) geöffnet ist. Die Gäste können vorab digital einchecken, rund 90 Prozent ziehen jedoch das physische Check-in an der Réception vor. «Die Umstellung ist gut gelaufen», berichtet Nastasia Binotto. «Schon bald hatten wir keine unerwünschten Gäste mehr.
Es galt, das neue Hotel unter seinem neuen Namen bekannt zu machen. Bei Geschäftsreisenden hat uns das sogar geholfen. Die Réception ermöglicht es, eine soziale Bindung zu schaffen – insbesondere bei längeren Aufenthalten – und regionale Aktivitäten zu fördern.» Durch das neue Konzept entstanden zudem Arbeitsplätze: insgesamt sechs Vollzeitstellen.
Sterne und Self-Check-in: Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Hotelklassifikation
Künftig ist es möglich, ein vollständig digitales Check-in anzubieten und dennoch durch HotellerieSuisse klassiert zu werden. Der Verband hat das digitale Check-in in seinen Kriterienkatalog 2025–2030 aufgenommen.
Hotels, die ein komplett eigenständiges Ein- und Auschecken anbieten, können nur einen oder zwei Sterne erhalten oder in die Kategorie «Guesthouse» (früher Swiss Lodge) wechseln. Im Detail:
1- oder 2-Sterne-Hotels: Wahl zwischen 8 Stunden physischer Verfügbarkeit oder 24-Stunden-Self-Check-in/-out.
3-Sterne-Hotels: 10 Stunden physische Verfügbarkeit oder 8 Stunden physische Verfügbarkeit mit 24-Stunden-Self-Check-in/-out.
4-Sterne-Hotels: 14 Stunden physische Verfügbarkeit, Self-Check-in/-out zusätzlich möglich.
5-Sterne-Hotels: 24 Stunden physische Verfügbarkeit, Self-Check-in/-out zusätzlich möglich.
Guesthouse: 24-Stunden-Zugang für Gäste, die bereits eingecheckt haben.
Serviced Apartments: Das eigenständige digitale Check-in/-out (sowie der Zugang zu einer gesicherten Gepäckaufbewahrung) zählt zu den Mindestkriterien für die Klassifikation.
Weitere Informationen zu den Klassifikationskriterien per E-Mail unter:
klassifikation[at]hotelleriesuisse.ch
