Meine Leidenschaft für die Hotellerie wurde bereits in jungen Jahren durch ein besonderes Erlebnis geweckt. Ich ass mit meinen Eltern im Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa in Interlaken zu Mittag. Als Fünfjähriger hatte ich so meine Angewohnheiten, und eine davon bestand darin, dass ich nach dem Essen des Salats die Sauce mit Brot auftunkte. Als die beflissenen Kellner kurzerhand meinen Teller abräumten, geriet meine kindliche Ordnung durcheinander und stürzte mich in eine existenzielle Krise. Mein Vater erklärte dem Kellner, was los war. Dieser nickte freundlich und verschwand. Kurz darauf trat er mit einer kleinen Schüssel voller Salatsauce an unseren Tisch. Er stellte sie vor mich hin, reichte mir das Brot und entschwand lächelnd. Meine Ordnung war mehr als nur wieder hergestellt, sie formierte sich neu. Dieses Hotel war ein magischer Ort, an dem man sich für das Wohlergehen eines Knirpses, wie ich es war, interessierte. Man nahm mich ernst und begegnete mir und meinem Wunsch mit Respekt. An so einem Ort konnte einem nichts Schlimmes zustossen. Von da an wollte ich Hoteldirektor werden.

Diese Kindheitserinnerung lehrt uns viel über das Wesen von einzigartigen Orten und wie man es fertigbringt, dass sich die Menschen glücklich fühlen. Es sind nicht die grossen Gesten, sondern die Details, die zählen.

Ich bin doch nicht Hoteldirektor geworden, sondern befasse mich mit der Entwicklung von Hotelkonzepten und der Neupositionierung von bereits bestehenden Hotels. Der Wunsch vieler Häuser, den Gästen ein sinnstiftendes Erlebnis zu bieten, ist gross. Man will sich abheben, einzigartig sein. Wenn ich jedoch die Hoteliers frage, was das Besondere an ihrem Haus sei, antworten viele: super Lage, super Service und langjährige Tradition. Ganz ehrlich: Diese Merkmale gehören zu vielen guten Hotels wie der Pool zum Spa.

Hausaufgaben machen
Meistens kommen die Hoteliers und ihre Mitarbeitenden durch die Anforderungen des täglichen, operativen Geschäfts nicht zum Träumen. Aus Träumen entwickeln sich aber Ideen, und diese führen zur Realisation. Deshalb müssen Sie, liebe Hoteliers, sich die Zeit nehmen, in sich gehen und sich fragen: Wer bin ich? Was macht mich aus? Wovon träume ich? Wofür stehe ich morgens auf? Welches sind meine Werte, welches meine Ziele? Und wohin will ich mit meinem Unternehmen gehen? Es lohnt sich, mit diesen Fragen und den sich daraus entwickelnden Ideen regelrecht schwanger zu gehen, sie sich immer wieder neu zu stellen, zu beleuchten, bis die Antworten herangereift sind. Legen Sie einen Notizblock auf Ihren Nachttisch und schreiben Sie am Morgen Ihre Gedanken auf. Viele Ideen kommen im Schlaf. Wenn Sie diese Fragen für sich beantworten können, haben Sie bereits die Ausgangslage für eine neue Positionierungsstrategie geschaffen.

Datenanalyse
Betrachten Sie Ihr Unternehmen als eine Beziehung, die in der Sackgasse steckt, und die Datenanalyse als Paartherapie. Nie werden Sie so viel über Ihr Unternehmen erfahren wie bei der Datenanalyse. Manchmal tut dieser Prozess weh, manchmal ist er unangenehm. Das ändert sich genau in dem Moment, in dem Sie Ihr Unternehmen durch und durch verstanden haben, wenn Sie Ihre Kundinnen und Kunden und Ihre Mitbewerber kennen und wissen, was in Ihrer Umgebung passiert. Dieses Wissen, die Notizzettel auf Ihrem Nachttisch und Ihre Entschlossenheit befähigen Sie, Ihr Unternehmen mit allen Beteiligten auf neue Wege zu bringen, die spannend, einzigartig und nachhaltig erfolgreich sein können.

Positionierung und Differenzierung
Den Schritt der Positionierung und Differenzierung anzustreben, ist das eine. Ein Konzept herauszuarbeiten, das sich auf dem Markt deutlich abhebt, ist das andere. Dazu braucht es viel Innovationsgeist. Holen Sie sich professionelle Hilfe und profitieren Sie so von einer aussenstehenden Sichtweise. Wichtig dabei ist, dass die Ressourcen richtig eingeschätzt werden, um das Potenzial und die damit verbundenen qualitativen und quantitativen Ziele zu definieren. Gibt es einen Nachfragemarkt? Wie gross ist dieser? Ist die Neupositionierung langfristig umsetzbar? Wie sehen die Umsatzziele aus, welches sind die finanziellen Investitionen?

Positioner betreut aktuell ein Projekt in der Stadt, welches keine Investitionen tätigen kann. Wir suchten nach Themen, die Zukunftspotenzial haben und mit den städtischen Charaktereigenschaften kombiniert werden konnten. Diese Themen griffen wir im Storytelling und im Markenauftritt auf der Website auf. So entstand ein frischer Markenauftritt. Gleichzeitig legten wir damit die Basis für eine Anpassung des Produkts und der Dienstleistungen, sobald die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stehen.

Authentizität und Detailliebe
Zwei wichtige Aspekte des Positionierungsprozesses sind Authentizität und Detailliebe. Seien Sie spezifisch und fokussiert. Versuchen Sie nicht, es jemand anderem recht zu machen. Bleiben Sie bei sich und Ihrer Vision. Durch die klare Definition Ihrer Werte und die konsequente Umsetzung bis ins kleinste Detail generieren Sie Glaubwürdigkeit und nachhaltigen Erfolg.

Mit der Umpositionierung des Schlosshotel Zermatt von einem generischen 4-Sterne-Garni-Hotel zu einem Sport- und Wellnesshotel mit dem ersten CBD-Cannabis-Spa der Schweiz rechneten wir mit Kritik und dass wir im schlimmsten Fall als «Kifferhotel» bezeichnet werden würden. Das Gegenteil trat ein. Das Schlosshotel konnte sich massgeblich vom hart umkämpften 4-Sterne-Hotel-Markt in Zermatt abheben. Nicht nur nationale, sondern auch international renommierte Zeitungen und Fachmagazine berichteten. Die Ziele, das Publikum zu verjüngen, die Aufenthaltsdauer und die durchschnittlichen Gästeausgaben zu erhöhen, die Kundenzufriedenheit und die Stammgastquote zu steigern, wurden alle erreicht.

Kommunikation gegen aussen
Für eine wirkungsvolle und zeitgemässe Kommunikation gegen aussen haben wir Profis. Das Logo ist dabei weniger zentral als das Transportieren der Werte und der Positionierung in konsistente und kongruente Kernaussagen, die visuell und textlich umsetzbar sind. Kommunizieren Sie offen und direkt, warum es Ihr Haus gibt und wofür Sie stehen. Dies überzeugt den Gast weit mehr als Direktbuchungsbenefits. Den Themen Ästhetik und Design sollten besondere Beachtung geschenkt werden. Sie kommunizieren optisch das Gesamtkonzept und sind in der heutigen Zeit beim Buchungsentscheid massgebend.

Kundenerfahrung, Digitalisierung
Schliesslich beschäftigen wir uns mit der Customer Experience. Hier kommt alles zusammen, und die Positionierung und der Markenauftritt werden für den Gast greif- und erlebbar. Ziel sollte es sein, den Gästen die erarbeitete Positionierung entlang der gesamten Customer Journey wiederzugeben. Durch die konsequente Umsetzung der Customer Experience schaffen Sie eine Erlebniswelt, die beeindruckt und Sie von den Mitbewerbenden unterscheidet. Dabei sollte alles bis ins letzte Detail aus einem Guss kommen und denselben Spirit ausstrahlen. Aus der Psychologie wissen wir, dass Menschen nach Konsistenz und Kongruenz streben und ein bis ins letzte Detail durchorchestrierter Markenauftritt zu einer positiven Bewertung führt.

Schlussendlich nimmt die Digitalisierung eine zentrale Rolle ein. Diese sollte jedoch eher als Tool gewertet werden, um mehr über die Kundschaft zu erfahren. Digitalisierung und Automatisierung bergen zwar ein grosses Einsparungspotenzial, im Zentrum der Gastgeber und Gastgeberinnen sollten jedoch die Gäste und deren Bedürfnisse und die persönlichen Interaktionen mit ihnen stehen. Wie zum Beispiel der Teller mit der extra Salatsauce.

Dieser Fachartikel ist in Zusammenarbeit mit Positioner entstanden. 

Fabian Messer, Hospitality Brand Creator von Positioner SA