Leadership: Gemeinsam nach den Sternen greifen
Dr. Thomas H. Zurbuchen gilt als einer der einflussreichsten Schweizer Wissenschaftler. In den USA war er 7 Jahre lang als Wissenschaftsdirektor bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa und schickte Satelliten ins All oder suchte nach den Ursprüngen des Lebens. In seinem Vortrag spricht er über Leadership und seinen Weg zum Erfolg durch interkulturelles Management, wertschätzende Führung und Teamwork:

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Die htr hotelrevue hat im Vorfeld zum Hospitality Summit Thomas H. Zurbuchen, längster kontinuierlich amtierender Forschungsdirektor der NASA von 2016-2022, getroffen und mit ihm ein Interview geführt.

Als Forschungsdirektor bei der Nasa verantwortete der gebürtige Berner Oberländer Astrophysiker Thomas Zurbuchen das gesamte Forschungsprogramm der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde. Er verfügte über ein Budget von rund 8 Milliarden US-Dollar und leitete um die 10 000 Forschende. Vergangenen Dezember räumte er den Chefposten bei der Nasa. Seither ist er international als Redner und Berater tätig. Auf Einladung von HotellerieSuisse spricht Thomas Zurbuchen am 15. Juni am Hospitality Summit in Zürich-Oerlikon zum Thema Leadership. [IMG 2]

Im Gespräch mit der htr hotelrevue sagt er, warum er seinen Chefposten räumte, was Führungskräfte von der Lebens- und Arbeitseinstellung der Gen Z lernen können und wohin seine nächste Reise führen könnte.

Herr Zurbuchen, wo würden Sie im Weltall Ferien machen?
Ich würde gerne auf den Mars fliegen. Der Mars ist ein interessantes Reiseziel, weil wir dort viel über die Erde lernen können. Vor drei Milliarden Jahren glich der Mars der Erde noch viel mehr als heute. Es gab dort Ozeane und vielleicht auch Leben.

Was zeigt die Postkarte, die Sie an die Erde verschicken?
Eine wunderschöne Wüstenumgebung, die noch Spuren von Wasser aufweist, mit Bergen im Hintergrund.

Wann schicken Sie die Karte ab?
Das kann noch dauern. Die ersten Menschen werden Ende der 2030er- oder in den 2040er-Jahren zum Mars reisen. Wann ich hindarf, weiss ich noch nicht.

Ist Weltraumtourismus nur für die Superreichen?
Weltraumreisen wird für alle möglich werden. Die Luftfahrt war anfangs auch nur den Reichen vergönnt. Innert weniger Dekaden hat sich das geändert, und wir profitieren alle von diesen Innovationen.

Über Fehler zu sprechen, ist unglaublich motivierend und inspirierend.

Sind Reisen ins All erstrebenswert?
An fremde Orte zu reisen, ist immer erstrebenswert. Tourismus fördert das Verständnis für fremde Kulturen und ist völkerverbindend. Reisen verschiebt die Grenzen, die man sich selbst setzt.

Als Wissenschaftler sind Sie von Natur aus neugierig. Wie wichtig ist diese Neugierde als Führungsperson?
Neugierde ist absolut wichtig! Um sich zu verbessern, müssen zwei auf den ersten Blick gegensätzliche Dinge beachtet werden. Die Geschichte darf nicht vergessen werden. Sie bildet das Fundament. Auf ihr muss gebaut werden. Wer baut, muss aber auch den Mut haben, Dinge zu verändern. Um herauszufinden, was verändert werden soll und darf, um die richtigen Fragen zu stellen, braucht es Neugierde.

Ein Leben im Dienst der Wissenschaft
Thomas Zurbuchen wuchs als Sohn einer strenggläubigen freikirchlichen Familie in Heiligenschwendi im Berner Oberland auf. 1996 promovierte er an der Universität Bern in experimenteller Astrophysik. Danach wanderte er in die USA aus und war als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of Michigan tätig. 2016 wurde er Wissenschaftsdirektor der Nasa. Bis Ende 2022 verantwortete Thomas Zurbuchen 91 Nasa-Missionen, darunter das James-Webb-Teleskop sowie die Mars-Mission mit dem Rover «Perseverance» und dem Kleinhelikopter «Ingenuity». Der 55-Jährige ist mit einer Musikerin verheiratet und Vater zweier Kinder. nde

Warum räumten Sie Ende 2022 Ihren Chefsessel bei der Nasa?
Es kommt der Moment, wo sich jede Führungsperson fragen muss, ob sie die richtige Besetzung für den Job ist. Wer diese Frage nicht mit Ja beantwortet und bleibt, dient der Organisation nicht mehr so wie eigentlich nötig. Das Team ist wichtiger als jede einzelne Person, und auch wichtiger als der Chef.

Manch ein alteingesessener Patron denkt da anders.
Es hat auch Raum für erfahrene, ältere Leute. Sie sind wichtige Teammitglieder. Wenn aber nur sie die Führungsstellen innehaben, können die Teams ihr volles Potenzial nicht ausschöpfen. Dann sind nicht genug Ideen vorhanden. Jede Organisation muss prüfen, ob genügend diverse Meinungen im Raum sind. Eine Echokammer, in der seit Jahren dieselben Meinungen zu hören sind, ist meines Erachtens beängstigend.

Ihre Arbeitsphilosophie widerspiegelt die Einstellung der Gen Z.
Mir hilft es immer, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Zu meinen Mentoren gehören auch Gen Zer. Jede Generation hat viel zu sagen. Aber Weisheit kommt nicht nur von einer einzelnen Meinung. Weisheit kommt vom Willen und Mut, herauszufinden, was man wie ändern muss. Ich stelle fest, dass ich mehr Werte mit der Gen Z teile als einige meiner Altersgenossen.

Zum Beispiel?
Dass sich die erste Frage immer um den Zweck drehen muss. Gen Zer fragen zuerst warum, nicht wie viel oder wo. Wer das Warum beantworten kann, vereinfacht sich das Leben und die Arbeit.

Wer das Warum beantworten kann, vereinfacht sich Leben und Arbeit.

Die Nasa inspiriert Menschen auf der ganzen Welt. Wie gelingt Inspiration?
Indem man das Unmögliche wagt. Im Fall der Nasa gelingt Inspiration durch Transparenz. Natürlich könnten wir nur unsere Erfolge feiern. Das ist aber nicht inspirierend. Die Nasa erklärt zuerst ihre Vorhaben, geht auch auf die Schwierigkeiten ein. Sie zeigt die Menschen, die hinter dem Projekt stehen, keineswegs nur die Chefs. Während einer Nasa-Mission läuft die Kamera – ohne dass man weiss, ob die Mission gelingt oder nicht. Das inspiriert.

Eine wünschenswerte Fehlerkultur.
Sie zeigt den Teammitgliedern, dass ihre Meinung zählt. Über Fehler zu sprechen, ist unglaublich motivierend und inspirierend.

Sind Hierarchien noch zeitgemäss?
Überall, wo schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, sind sie notwendig. Hierarchien ordnen die Verantwortung klar zu. Sie können somit für viele entlastend sein. Es braucht aber weise Chefs, die dem ganzen Team zuhören, bevor sie eine Entscheidung treffen. Wenn man den Grund für die Hierarchie nicht nennen kann, muss man sie hinterfragen.

Mit Donald Trump hatten Sie es mit einem resistenten Vorgesetzten zu tun. Wie nahmen Sie diese Zeit wahr?
Zu Beginn der Trump/Pence-Administration schien die Wissenschaft in Gefahr zu sein. Darum war ich vielleicht die richtige Person für den Job. Durch meine früheren Tätigkeiten bin ich politisch auf beiden Seiten gut vernetzt. Rückblickend hat die Trump/Pence-Administration der Nasa geholfen. Ihre Strategie wurde klarer. Und es war wichtig, ihren Umgang mit amerikanischen Steuergeldern zu hinterfragen.

Was legen Sie als Wissenschaftler den Touristikern ans Herz?
So wie Tourismus der Völkerverständigung dient, nützt er zur Wertschätzung der Natur. Ich wünsche den Touristikern Mut, die Folgen von Veränderungen wie der Gletscherschmelze aufzuzeigen. Niemand kennt alle Antworten. Die Vergangenheit zeigt aber: Wer während einer Veränderung handelt, ausprobiert und experimentiert, geht als Gewinner hervor.

Nora Devenish