Christian Hürlimann, seit Ihrem Stellenantritt im Juni als Direktor von Hotelleriesuisse haben Sie zahlreiche Gespräche geführt, Strukturen kennengelernt und erste Weichen gestellt. Was nehmen Sie aus dieser Anfangsphase mit?
Bisher nur positive Kontakte und sehr viel Wohlwollen. Die Verantwortung und die Erwartungshaltung steigen. Das entspricht mir. Ich bin kein Verwalter. Ich will weiterentwickeln. Ich mag es, Ideen in die Praxis umzusetzen. Das entspricht auch der Devise des Verbands. Wir wollen für unsere Mitglieder da sein und diesen Anspruch vermehrt sichtbar machen. [RELATED]
Wie schaffen Sie den ersten Kontakt zu den Mitgliedern?
Mein Ziel ist es, bis Ende Jahr jeden Regionalverband persönlich zu besuchen. Die Anliegen der Mitglieder erfahre ich am besten direkt vor Ort –und nicht im Büro. So entsteht Vertrauen. Ich schätze den persönlichen Kontakt sehr. Umso mehr freut es mich, dass auch viele Hoteliers aktiv das Gespräch mit mir suchen.
Sie kommen aus dem operativen Geschäft. Neu müssen Sie den Spagat zur Politik schaffen.
Ein prioritäres Anliegen der Mitglieder und Regionalverbände ist nach wie vor, dass sich der Verband politisch starkmacht – und genau das ist auch mein Anspruch. Politik und Bildung interessieren mich sehr, auch wenn ich in beiden Bereichen noch viel lernen darf. Deshalb ist mir der enge Austausch mit den zuständigen Fachbereichen in der Geschäftsstelle wichtig. Gemeinsam wollen wir unsere Ziele weiter schärfen und konsequent verfolgen.
Von den Besten lernen. Das sollten wir als HotellerieSuisse noch gezielter tun.
Schneller, schlanker, präsenter – auch HotellerieSuisse steht vor diesen Anforderungen. Wie gelingt das, ohne dabei Tiefe und Nähe zu den Mitgliedern zu verlieren?
Das eine schliesst das andere nicht aus. Schneller und schlanker heisst auch: Die Geschäftsstelle fokussiert sich noch stärker auf die Bedürfnisse der Mitglieder. Die Kompetenz ist da. Der direkte Austausch darf nicht nur Sache der Geschäftsleitung sein. Wir alle repräsentieren den Verband. Im persönlichen Kontakt erkennen wir besser, was die Mitglieder konkret brauchen. In den letzten drei Monaten habe ich erlebt, wie gross die Identifikation des Teams mit der Branche ist. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen.
Welchen Beitrag können die Betriebe leisten?
Wir leben im Zeitalter der Transparenz – das heisst aber nicht, dass man alle Zahlen wie ein börsenkotiertes Unternehmen offenlegen muss. Für mich gilt: Wer Gutes tut, soll auch darüber sprechen. Das schafft Vertrauen, fördert Nähe, ermöglicht Erfahrungsaustausch und Lernprozesse – und zahlt sich am Ende aus.
Kommen wir auf die konkreten Brennpunkte zu sprechen. HotellerieSuisse unterstützt die europäische Sammelklage gegen Booking.com. Ihre Einschätzung?
Ich bin überzeugt: Booking.com bietet ein gutes Produkt – das zeigt auch der Erfolg. Das Problem ist der Missbrauch der eigenen Marktposition. Ich erwarte von Booking.com ein klares Signal, dass die Zusammenarbeit wieder vermehrt zu einer Win-win-Beziehung wird. Als Verband tragen wir die Verantwortung, für unsere Mitglieder verlässliche juristische Grundlagen zu schaffen. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit diesem Verfahren die Basis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe schaffen.
Ein weiteres Thema ist die SGH-Revision und die Ausweitung des Förderperimeters. Welche Signale erwarten Sie vom Parlament?
Der Bundesrat missachtet den klaren Willen des Parlaments, indem er bei der Revision weder die Erweiterung des Förderperimeters auf die gesamte Schweiz noch die Einführung eines Impulsprogramms für energetische Sanierungen von Berghotels umsetzen will. Beides sind Anliegen, denen das Parlament bereits deutlich zugestimmt hat. In der Herbstsession hat der Nationalrat nun die Chance, den Bundesrat zu korrigieren und faire, zukunftsfähige Rahmenbedingungen für die Beherbergung zu schaffen.
Die Bedürfnisse der Mitglieder erfahre ich am besten vor Ort und nicht im Büro.
Wie lässt sich sicherstellen, dass Innovationen und Investitionen auch Wirkung zeigen?
Hier spielen die Mitarbeitenden und die Attraktivität der Branche eine zentrale Rolle. In der L-GAV-Diskussion steht oft das Thema Mindestlohn im Vordergrund. Dabei geht es um mehr: Wir müssen gemeinsam mit den Sozialpartnern ein ausgewogenes Gesamtpaket schnüren – mit flexiblen Arbeitszeiten, attraktiven Ferienregelungen und weiteren Elementen, die zur gewünschten Work-Life-Balance beitragen. Viele innovative Unternehmer sind dazu bereit – und profitieren im Gegenzug von einer höheren Mitarbeitendenbindung und mehr Fachkräften.
Wo liegt die Lösung für den anhaltenden Fachkräftemangel?
Jeder Betrieb trägt die Verantwortung für seine eigene Mitarbeitendenstrategie. Das Thema Arbeitgebermarke sollte dabei ganz oben auf der strategischen Agenda stehen. Wenn das konsequent umgesetzt wird, bin ich überzeugt, dass sich der Druck entschärfen lässt. Ein weiterer Hebel ist die Digitalisierung. Allerdings fokussiert sich die Diskussion oft zu stark auf Gästebedürfnisse. Die Perspektive der Mitarbeitenden und der Betriebsabläufe kommt dabei zu kurz. Mit den richtigen digitalen Lösungen lassen sich Stellen effizienter organisieren – das bedeutet nicht Kündigungen, sondern dass man gewisse Positionen gar nicht erst nachbesetzen muss oder vermehrt nach Sozialkompetenz suchen kann.
Bei Ihrem Stellenantritt haben Sie betont, dass Sie auf Kooperationen und Zusammenarbeit setzen. Was bedeutet das konkret?
Zielführende Kooperationen mit Gastrosuisse, Schweiz Tourismus oder innerhalb von Tourismusallianzen bestehen bereits. Das ist auch sinnvoll: Es ist unklug, gemeinsame Herausforderungen getrennt anzugehen. Ich denke aber weiter. Auch ausserhalb des Tourismus gibt es Branchen mit ähnlichen Problemen, wie sie die Hotellerie hat– etwa das Gesundheitswesen mit seinen unregelmässigen Arbeitszeiten. Wir sollten über den Tellerrand hinausschauen. Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind nicht branchenspezifisch. Entscheidend ist, mit wem sich ein transparenter Austausch auf Augenhöhe lohnt und was wir daraus lernen können. Eine meiner Devisen lautet: von den Besten lernen. Das sollten wir als HotellerieSuisse noch gezielter tun.
Was für einen Verhandlungs- und Kooperationspartner dürfen Ihre Gegenüber erwarten?
Sie dürfen sich auf jemanden einstellen, der neugierig, lösungsorientiert und kompromissbereit ist. Jemanden, der die Bedürfnisse der Mitglieder stets ins Zentrum stellt. Ich bin nahbar und transparent. Und ich finde: Wer Transparenz einfordert, muss sie auch selbst leben.
