Von Sebastian Gänger, Keystone-SDA

Wer fliegt oder Auto fährt, soll künftig tiefer in die Tasche greifen müssen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Flugticketabgabe sowie Massnahmen zur Verteuerung des Benzins beschlossen. Damit sollen die Ziele des Pariser Klimaabkommens näher rücken.

Die Schweiz muss ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 halbieren. Die Totalrevision des CO2-Gesetzes stellt die Weichen, damit dieser Verpflichtung nachgekommen werden kann. Der Bundesrat hat dem Parlament ein Portfolio an Massnahmen vorgeschlagen.

Das Gesetz setzt unverändert auf Lenkungsabgaben. Das heisst, die Gelder fliessen in einen Klimafonds und werden im Gegensatz zu Steuern in unterschiedlichen Formen der Bevölkerung zurückerstattet. Der Ständerat hat die Vorlage im vergangenen Herbst unter dem Eindruck der weltweiten Klimaproteste behandelt und mit grosser Mehrheit angenommen.

Breite Allianz für den Klimaschutz
Der nach den Wahlen vom Herbst neu zusammengesetzte Nationalrat hat den Willen zu wirksamen Klimamassnahmen nun ebenfalls manifestiert. Er korrigierte damit seinen Entscheid vom Dezember 2018. Damals schickte eine Allianz aus SVP, Grünen und GLP das Geschäft in der Gesamtabstimmung bachab. Die SP enthielt sich.

Der Grund für das Scheitern vor anderthalb Jahren war, dass eine bürgerliche Mehrheit die Vorlage stark verwässert hatte. Dieses Mal kam es anders: Nach über zwölf Stunden Beratung setzte sich eine Mitte-Links-Mehrheit mit zahlreichen Stimmen von der FDP durch. Das Resultat in der Abstimmung lautete: 135 Ja zu 59 Nein bei einer Enthaltung.

Fliegen wird teurer
Der Nationalrat folgte mit wenigen Ausnahmen seiner vorberatenden Umweltkommission und vielen Entscheiden des Ständerats. Die allermeisten der über achtzig Minderheits- und Einzelanträge waren chancenlos. Die SVP wollte das CO2-Gesetz verwässern, die Ratslinke noch weiter verschärfen. Durchgesetzt hat sich ein moderater Kurs.

Der Nationalrat beschloss etwa die in der Öffentlichkeit viel diskutierte Flugticketabgabe, wie sie der Ständerat lanciert hatte. Auf Tickets für kommerzielle Passagierflüge soll eine Abgabe zwischen 30 und 120 Franken erhoben werden, je nach Distanz und Klasse.

Bis zu 12 Rappen mehr pro Liter Benzin
Auch im Strassenverkehr beschloss der Nationalrat Verschärfungen zugunsten des Klimaschutzes. Die grosse Kammer ist wie der Ständerat mit Massnahmen einverstanden, die das Benzin verteuern.

Künftig sollen Treibstoffimporteure mehr kompensieren müssen – und einen grösseren Teil im Inland. Wie der Ständerat will der Nationalrat den Aufschlag aber begrenzen. Bis 2024 soll die Kompensation den Liter Treibstoff um höchstens 10 Rappen verteuern dürfen, ab 2025 um bis zu 12 Rappen.

Teurer werden könnte auch das Heizöl. Der maximale Satz der CO2-Abgabe auf Brennstoffen soll von heute 120 auf bis zu 210 Franken pro Tonne CO2 steigen, wenn die Emissionen aus Brennstoffen nicht genügend zurückgehen. Das Aus für fossile Heizungen soll etwas später kommen als vom Ständerat geplant. Die Kantone sollen eine Übergangsfrist bis 2026 erhalten.

Ambitioniertere Inlandziele
Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO) sagte im Namen der Umweltkommission, dass die gesamten Abgaben rückverteilt würden. «Die CO2-Abgabe wird nicht zum Wettbewerbsnachteil gereichen.»

Zu Beginn der Beratungen gaben die allgemeinen Verminderungsziele zu reden. Geht es nach der grossen Kammer, sollen mindestens 75 Prozent der Emissionsreduktionen im Inland erfolgen. Damit geht der Nationalrat weiter als der Ständerat und der Bundesrat. Sie wollen die Klimaziele nur mit mindestens 60 Prozent an inländischen Massnahmen erreichen.

Belohnung für sparsame Unternehmen
Wesentlich von den Beschlüssen des Bundesrats und des Ständerats abgewichen ist der Nationalrat auch bei den Möglichkeiten für Unternehmen, sich von der CO2-Abgabe zu befreien. Das können Unternehmen seit 2008 tun, wenn sie sich dazu verpflichten, ihre Emissionen zu senken.

Nach dem Willen der grossen Kammer soll dieser Weg neu allen Unternehmen offenstehen. Der Bundesrat hatte einen Schwellenwert von jährlich 15'000 Franken CO2-Abgabelast vorgeschlagen, der Ständerat sprach sich für 10'000 Franken aus. Die Nationalrat möchte, dass auch KMU Zielvereinbarungen abschliessen können.

Die Klimaverträglichkeitsprüfung, wie sie der Ständerat beschlossen hatte, wurde vom Nationalrat gestrichen. Neu können grundsätzlich alle Unternehmen Verminderungsverpflichtungen eingehen und so die Rückerstattung der CO2-Abgabe bewirken.

Referendum liegt in der Luft
Auch bei den Regelungen, wie die Mittel aus dem neuen Klimafonds verwendet werden sollen, müssen sich die Räte noch finden. In den Fonds sollen ein Drittel des Ertrags aus der CO2-Abgabe und knapp die Hälfte aus der Flugticketabgabe fliessen. Die Details sind umstritten.

Insgesamt ist die Vorlage aber auf einem guten Weg, wie auch Umweltministerin Simonetta Sommaruga nach den Beratungen feststellte. Ein mehrheitsfähiges Schlussresultat liegt in Reichweite.

Die SVP, welche nicht auf das «giftgrüne» CO2-Gesetz eintreten wollte und diesem in der Detailberatung fast sämtliche Zähne ziehen wollte, gibt sich aber kampfeslustig. Sie werde ein Referendum unterstützen, falls «direkt betroffene Wirtschaftsverbände» ein solches ergreifen würden, liess die SVP unmittelbar nach der Gesamtabstimmung verlauten.