Wer als Investor arbeitet, braucht Geld für neue Beteiligungen. Roland Zeller ist nicht von Haus aus vermögend oder hat viel geerbt. Er wächst in eher bescheidenen Verhältnissen auf, seine Mutter ist alleinerziehend und stammt aus dem Arbeitermilieu. Nach der Schulzeit macht er eine KV-­Lehre, geht ins Ausland – und dort entwickelt der Berner die Idee für das Onlinereisebüro Travel.ch. Durch den Verkauf der Firma an Hotelplan kommt Zeller zu Startkapital.

Langjähriger Tourismusprofi
Roland Zeller verbindet eine lange und vertiefte Berufserfahrung mit der Reisebranche. Nach einer Reisebürolehre und Wanderjahren im Ausland gründete der Berner im Jahr 2000 das Onlinereisebüro Travel.ch und gehörte damit zu den Pionieren in diesem Bereich. 2012 verkaufte er sein Unternehmen an Hotelplan, und seither konzentriert sich der 54-Jährige auf Investments in Start-ups – mit Fokus Tourismus. Bei neuen und vielversprechenden Geschäftsmodellen wie Get your Guide, Travelperk oder Viselio gehört er zu den ersten Investoren. Daneben ist er in verschiedenen Verwaltungsräten tätig, wo er seine digitale Tourismus-Fachkompetenz einbringt.

Roland Zeller, und was passierte dann?
Ich habe drei Investments getätigt. Eines bei meinem Cousin, in ein E-Commerce-Start-up, das es noch heute gibt. Er hat mir jeden Franken zurückbezahlt, sogar mit Dividenden. Eines bei Get your Guide – diese Firma ist heute zwei bis drei Milliarden Franken wert. Und weiter investierte ich in ein Kreuzfahrtenportal, darin sah ich viel Potenzial. Doch kurz darauf waren die zuständigen Leute plötzlich nicht mehr erreichbar – dieses Investment habe ich in den Sand gesetzt.

Vollständig?
Ja, alles in allem 50'000 Franken. Das ist wie beim Boxen: Man muss diese Schläge einstecken; das gehört einfach dazu. Ich habe gelernt, smarter zu investieren und Risikobremsen in die Verträge einzubauen.

Was macht Ihnen Spass am Beruf?
Ich habe mit innovativen Start-ups zu tun, manchmal mit flippigen Leuten, die sich Gedanken zu Morgen und Übermorgen machen. Am besten funktioniert eine Idee, wenn sie neu ist und spannend – und gross genug, damit ich den Gründern helfen kann, sie global zu skalieren – und eine schlaue Markt­grösse erreicht werden kann.

Welche Eigenschaften sollte ein guter Investor mitbringen?
Wayne Gretzky, der grosse Hockeyspieler aus Kanada, sagte immer: «Ich muss nicht wissen, wo der Puck gerade ist, sondern wo er in drei Sekunden sein wird.» Beim Investieren ist es ganz ähnlich. Ich muss wissen, was in zwei, drei Jahren im Trend liegt und welchen Hype es in fünf Jahren gibt. Weiter hilft es, wenn man Menschen mag, auf Leute zugehen kann. Denn alles Gute passiert über das persönliche Netzwerk, an Anlässen und in Gesprächen – nicht über Linkedin.

Sind Sie ein guter Netzwerker?
Allein 30 bis 40 E-Mails schreibe ich pro Woche, um Menschen miteinander zu verknüpfen. Das ist die wahre Kraft des Netzwerkens: das richtige Wissen und das richtige Geld mit dem richtigen Start-up zusammenbringen.

Und was ist mit dem Bauchgefühl?
Bei den Ideen bin ich recht rational, aber bei den Menschen ist das Gefühl wichtig. Eine gute Idee mit einem schlechten Team – da kann alles schiefgehen. Aber eine halbbatzige Idee mit einem super Team findet einen Weg. Wenn ich neue Gründer kennenlerne, gibt es zu Beginn einen formellen Teil. Und anschliessend schaue ich, dass ich mit ihnen etwas unternehmen kann, ein Bier trinken, verstehen, was sie gerade bewegt.

Ich will keine Show. Wenn ich investiere, sitze ich mit den Leuten im gleichen Boot. Also müssen wir in die gleiche Richtung segeln wollen.

Wie sieht Ihr Alltag aus?
Viele denken, mein Job funktioniere wie bei der TV-Sendung «Die Höhle der Löwen»: Man geht an Veranstaltungen, sieht sich Pitches an, investiert. In Wahrheit brauche ich etwa 80 Prozent meiner Zeit für die Betreuung meines Portfolios. Verwaltungsratssitzungen, Ziele und Teams im Auge behalten. In den restlichen 20 Prozent schaue ich mir Ideen an. Und aus all dem ergeben sich ein bis zwei neue Investments pro Jahr.

Ich habe eine Idee und möchte Sie an Bord holen. Wie überzeuge ich Sie?
Am einfachsten schreiben Sie mich gezielt an. Ich merke schnell, wenn jemand mit einem unpersönlichen Brief einfach Hunderte mögliche Geldgeber angeht. Das mag ich nicht. Wenn jemand hingegen an meine Erfahrung appelliert und mir konkret aufzeigt, wie er mein Wissen nutzen möchte, wirds spannend.

Und dann?
Ein Start-up muss sein Projekt auf zehn Seiten schriftlich festhalten, einem sogenannten Pitch Deck, und dazu einen groben Finanzplan machen – das ist Pflicht. Bei Interesse schaue ich mir das dann genauer an. 30 bis 40 solcher Dossiers erhalte ich pro Monat. Dann selektioniere ich: tönt spannend, interessiert mich nicht, habe ich schon x-fach gesehen, funktioniert nicht.

Und dann investieren Sie!
Nein. Das grösste Problem ist, dass die Erfinder gerne umgehend Bescheid haben möchten. Doch ich habe alle Zeit der Welt. Wir Investoren tauschen uns auch aus, fragen einander um Rat in Branchen, die wir selber nicht so gut kennen. Und ich investiere nie alleine, es ist immer ein Syndikat. Denn wenn nach der Startphase mal mehr Geld benötigt wird, verteilen sich die Beiträge auf mehrere Personen – ein Vorteil.

Wissen Sie immer sofort: Das kommt gut – oder eben nicht?
Meistens beginnt eine Zusammenarbeit mit einem halbstündigen Call, wo ich gezielt meine Fragen stelle. Wenn ich gescheite Antworten erhalte, gehts weiter. In einem zweiten Schritt besprechen wir gemeinsam Details, hinterfragen auch viel. Denn meistens ist die erste Idee nicht die beste.

Gibt es Teams oder Konstellationen, von denen Sie die Finger lassen?
Wenn drei Programmierer kommen, sind sie meist technikverliebt und können nichts verkaufen. Auch drei Marketingtypen mit super Slides, aber ohne IT-Wissen sind schwierig. Ich mag durchmischte Teams, und Achtung: Ehepaare sind ein absolutes No-Go. Wenn die sich privat nicht mehr vertragen, geht alles flöten. Ich habe da allerdings einmal eine Ausnahme gemacht, und das war wohl mein erfolgreichstes Investment ...

Keine Regel ohne Ausnahme.
Dabei geht es um Natural Cycles, digitale Verhütung dank Temperaturmessung – und ganz ohne Hormone. Meine Tochter war damals 16 Jahre alt, und ich sprach mit ihr über Mens und Verhütung, versuchte, mich in das Thema einzudenken. Sonst teste ich ja die Produkte, in die ich investiere, immer selber ...

Man muss das Team eines Start-ups auch Fehler machen lassen. Aber ich achte stets darauf, dass diese nicht zu teuer kommen.

Was erwarten Sie von Gründern?
Das Allerwichtigste ist Ehrlichkeit. Als Unternehmer ist man der einsamste Mensch der Welt – man trägt die ganze Verantwortung. Ich kenne dieses Gefühl genau, bin deshalb auch Mentor. Und da verlange ich Offenheit, und natürlich Erfolg. Wenn es nicht klappt, machen wir die Firma halt anständig wieder zu. Auch das ist eine Option.

Kann die Schweiz im internationalen Vergleich mithalten?
Wir haben mit der ETH Zürich und der EPFL Lausanne zwei Powerhäuser, aus denen jedes Jahr 20 bis 30 Start-ups hervorgehen – das ist Weltklasse. Auch sonst gibt es viele gute Ideen, aber man denkt vielleicht etwas zu klein. Wir dürften mutiger sein.

Und die Reise- und Tourismusbranche?
Global gesehen hat der Tourismus sehr früh mit der Digitalisierung begonnen. Was zum Beispiel in der Hotellerie fehlt, ist die zweite Runde, mit Tools für Einsatzpläne, Schichtpläne, Stundenabrechnungen. Da herrscht noch immer eine Zettelwirtschaft, mit Block und Bleistift oder Excel-Tabellen. Hoteliers wollen kein neues Start-up, das ihnen schon wieder ein Tool verkauft – sie haben bereits 15 für diverse Bereiche. Also braucht es da eine übergeordnete Lösung, die alles vernetzt.

Was kommt punkto Digitalisierung noch auf uns zu?
Das Potenzial hinter den Kulissen ist hoch. Heute helfen bereits Abräum- und Staubsauerroboter – sogar Prototypen von Robotern gibt es, die WCs putzen. Wenn der das kann, schicke ich ihn von Zimmer zu Zimmer. Ist doch super. Wir haben Fachkräftemangel, somit killen wir auch keine Jobs.

Wann steigen Sie im Normalfall wieder aus einem Start-up aus?
Vom ersten Investment bis ich meine Anteile wieder verkaufen, rechne ich mit sechs bis acht Jahren. So lange braucht es meist, bis ein Unternehmen flügge ist. Auch der Verkauf eines Unternehmens gehört manchmal dazu – das ist dann die Krönung: Gründer können die harten Jahre vergolden. Und wer investiert hat, erhält hoffentlich das x-Fache zurück.

Was heisst das konkret?
Das Fünf- bis Zehnfache von dem, was ich eingesetzt habe. Im besten Fall ist es gar das Zwanzig- oder Dreissigfache. Im Gegenzug gehören auch Ausfälle dazu, die rund die Hälfte ausmachen. Das sind Firmen, die in Konkurs gehen, oder sogenannte Walking Dead, die es zwar noch gibt, die aber nie mehr durchstarten werden.

Geht man bei einem Misserfolg dennoch in Freundschaft auseinander?
Eigentlich schon – schliesslich haben beide Seiten an die Idee geglaubt. Ich gab einem Gründer auch mal in einem zweiten Anlauf erneut Geld. In Amerika ist das gang und gäbe: Wer zwei Firmen in den Sand gesetzt hat, schafft es dann vielleicht beim dritten Mal.

Gibt es in diesem Job auch Frauen, also Investorinnen?
Ja, zum Beispiel Bettina Heim oder Anja Graf. Investor wird man meist, wenn man mal Gründer war – aber bereits da sind Frauen untervertreten. Sie verfügen über eine andere Risikobereitschaft, auch wenn sie fachlich super sind. Und aus weniger Gründerinnen gibt es dann halt auch weniger Investorinnen.


Zellers Tipps für Start-ups

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Zum Starten
Die Geschäftsidee schriftlich festhalten und mit möglichst vielen Menschen darüber sprechen. Das heisst: rausgehen, erklären, Feedback einholen, wenn nötig die Idee hinterfragen und justieren. In dieser ersten Phase sind Start-up-Anlässe sehr hilfreich, die es in allen Regionen gibt. [IMG 2]

Investor suchen
Eine Liste anfertigen mit den zehn Lieblings­investoren – ja, da darf auch Bill Gates mit drauf. Daraus vier bis fünf realistische Personen auswählen und überlegen, wie man den Kontakt herstellen kann. Linkedin ist dazu ein gutes Tool: Vielleicht gibt es gemeinsame Bekannte, die eine Intro-E-Mail schreiben können? Sonst den offiziellen Weg wählen und die schriftlichen Unterlagen zur Geschäftsidee einreichen.

Erstes Treffen
Idee und Ansatz persönlich erklären und Feedback dazu einholen: Wie sehen Sie das, ist das Projekt Erfolg versprechend, gibt es Stolperfallen? Also einen partizipativen Ansatz wählen. Und: herausfinden, wie der mögliche Investor tickt. Wie lange will er sich engagieren, mit wie viel Geld einsteigen?

Unternehmerische Freiheit
Macht und Kontrolle sind klar verteilt: Der Investor engagiert sich im Verwaltungsrat, nicht auf operativer Ebene. Auf den Businessplan wird er sicher ein Auge haben. Ein absolutes No-Go ist, wenn der Investor im Büro des Start-ups sitzt – das muss ein eigener Kosmos bleiben.

Das Ende
Die Beziehung zwischen Gründer und Investor dauert länger als so manche Ehe – sechs bis zehn Jahre. Also gut prüfen, ob man wirklich zusammenpasst.


Erfolgreich Unterwegs

Seine Lieblingsprojekte

Zurzeit ist Roland Zeller mit rund zehn Start-ups beschäftigt, in die er Geld investiert hat – vorwiegend agieren diese Unternehmen im digitalen Bereich. Bei einigen ist er sehr aktiv und regelmässig am Ball, bei anderen wiederum braucht es nur zwei, drei Sitzungen pro Jahr. Seine liebsten Projekte derzeit sind:

Check Yeti ist die grösste Buchungsplattform für Aktivitäten in über 1500 Ferienregionen in ganz Europa – am Strand und in den Bergen, im Sommer und im Winter. Egal, ob Skifahren und Snowboarden, Rafting und Canyoning, Paragliding und Ballonfahrten, Tauchen und Surfen, Jetski und Bootstouren: Mit mehr als 12 000 Angeboten in 16 Ländern findet jede Abenteurerin und jeder Outdoorfan etwas Passendes. Gebucht werden die Aktivitäten oder Ausflüge selbstverständlich direkt online über die Plattform.Roland Zeller ist in diesem Unternehmen seit drei Jahren involviert. «Das Team ist in Wien daheim und sehr erfolgreich unterwegs.»
checkyeti.com

Like Magic digitalisiert die Gästereise entlang der ganzen Kette, von A bis Z – also vom administrativen Ablauf über den ersten Kontakt bis hin zum Buchen eines Zimmers, dem Check-in, der Zahlung und der Abreise mit dem Check-out. Dank der digitalen Plattform können Gäste über ihre mobile Web-App eine nahtlose, durchgängige, personalisierte, digitale Reise geniessen, die jeden Aspekt ihrer Interaktion miteinbezieht.«Das ist die nächste Generation von cleveren Tourismus-Tools», sagt Roland Zeller. Er ist hier eben erst eingestiegen.
likemagic.tech

Natural Cycles ist eine zertifizierte hormonfreie Empfängnisverhütung: Eine App ermittelt den täglichen Fruchtbarkeitsstatus der Frau mittels Temperaturmessung. Die Daten werden danach einfach eingetragen – und der Algorithmus erledigt die Arbeit. Seit Februar 2017 ist das Produkt als erste App in Europa für die Verwendung als Verhütungsmittel mit dem CE-Kennzeichen versehen und in den USA durch die FDA zugelassen.Zehn Jahre begleitet Roland Zeller das Gründerehepaar bereits. «Wir sind diverse Kooperationen mit Herstellern von Fitnessuhren eingegangen, die das Programm nun auf ihren Geräten haben.»
naturalcycles.com