Thomas Bieger, Sie sprechen in ihrem neusten Buch vom «Ende des klassischen Tourismus». Wie soll sich Engelberg-Titlis in dieser neuen Realität positionieren, damit die Destination auch in zehn Jahren attraktiv bleibt?
Engelberg liegt im Herzen der Zentralschweiz, einer wirtschaftlich starken Region mit grossem Bevölkerungswachstum. Engelberg ist attraktiv als Wohnort und hat eine starke Tradition als Zweitwohnungsort. Engelberg ist Freizeitort der ganzen Region, verfügt über alle Formen des Aufenthaltstourismus, vom klassischen Bergsommer über den Schneesport zum Kultur-, Event- und Bildungstourismus, und ist natürlich ein internationaler Attraktionspunkt vor allem auch mit dem Titlis. Mit dieser Mischung ist der Ort hervorragend aufgestellt. Es geht darum, die Entwicklung dieser verschiedenen Segmente ausgewogen zu gestalten.
Engelberg will sich stärker als Bildungsstandort profilieren. Mit welchen konkreten Programmen oder Partnerschaften?
Das ist Gegenstand aktueller Planungsvorhaben. Mit dem Benediktinerkloster, dessen Bildungstradition und bekannten Stiftsschule, sowie der Sportmittelschule, den Infrastrukturen im Bereich Kongress, aber auch Faktoren wie die rasche und bequeme Erreichbarkeit von den Wirtschafts- und Hochschulstandorten hat Engelberg eine solide Ausgangsbasis als Bildungsstandort.
Engelberg-Titlis trägt das Swisstainable Label, gleichzeitig entsteht mit dem Titlis Tower ein Grossprojekt. Wie lässt sich Wachstum mit Umweltverträglichkeit vereinbaren?
Die Nachfrage nach Reisen und Freizeit in der Natur ist stark und nimmt zu. Wenn diese Nachfrage an Orte konzentriert und gelenkt werden kann, die ressourcenschonend – vorzugsweise mit dem ÖV – erreicht werden können und an denen die negativen Effekte, von Abfall bis Abwasser, fachgerecht entsorgt werden, ist bereits viel gewonnen. Wenn zudem die Landschaftseingriffe gebündelt sind und die Besucherinnen und Besucher möglichst über das ganze Jahr profitieren, dann ergeben Grossprojekte wie am Titlis auch aus Nachhaltigkeitssicht Sinn.
Wie kann die Destination wetterunabhängig und ganzjährig attraktiv werden?
Engelberg kann auf eine lange, unternehmerische Tourismustradition zählen, bei der viele Akteure, von innovativen Hoteliers, dem Kloster und den Bergbahnen, das Angebot gemeinsam gestalten. So konnte sich der Ort schon immer wegweisend weiterentwickeln. Beispielsweise schon vor über 100 Jahren mit dem Bau der ersten Bergbahn und mit der Höherverlegung des Wintersportgebietes. Schon heute weist Engelberg für einen Ganzjahrestourismus hervorragende Infrastrukturen auf, auch mit einem Sportzentrum.
Sie haben in der Vergangenheit wegen Ihrer VR-Mandate Kritik erfahren. Wie lassen sich Interessenkonflikte vermeiden und das Vertrauen von Bevölkerung und Partnern zu stärken?
In meiner 30-jährigen Tätigkeit in Verwaltungsräten und Boards von weit über einem Dutzend Organisationen im In- und Ausland, auch ausserhalb des Tourismus, habe ich erfahren, dass das Wesentliche einer guten Corporate Governance ein aktiver Verwaltungsrat ist. Persönlichkeiten, die sich kritisch konstruktiv einbringen und transparent mit einer kompetenten und engagierten Geschäftsleitung zusammenarbeiten. Durch meine Tätigkeit möchte ich zu dieser guten Zusammenarbeit beitragen, und natürlich dabei auch inhaltliche Akzente setzen.
An der Generalversammlung vom 30. Oktober wurde Thomas Bieger in den Verwaltungsrat der Engelberg-Titlis Tourismus AG gewählt. Die Konstituierung des Verwaltungsrates mit Thomas Biegers voraussichtlichen Wahl zum Verwaltungsratspräsidenten findet Ende November statt. Der ehemalige HSG-Rektor und Tourismusexperte folgt in diesem Amt auf Norbert Patt und bringt wissenschaftliche wie praktische Erfahrung in die Destination ein.
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