Michael Riediker, Direktor des Swiss Centre for Occupational and Environmental Health (SCOEH) in Winterthur ZH.

Aerosole sind Tröpfchen und Feststoffe, die in der Luft schweben. Auch Menschen atmen Aerosole aus, und zwar kleinste Tröpfchen Lungenflüssigkeit, die in den Bronchiolen und dem Rachenraum entstehen. Wenn eine Person infiziert ist, tragen diese Aerosole auch die Viren in die Luft.

Lange wurde die Gefahr durch die so erzeugten Aerosole unterschätzt. Die Fallzahlen der Corona-Pandemie deuteten nicht darauf hin, dass Aerosole wichtig seien. Das stimmt auch für den «durchschnittlichen» Patienten. Ein solcher entlässt rein statistisch alle zwei Stunden ein Virus in die Luft. Da braucht es lange, bis jemand krank wird.

Auch ich unterschätzte zuerst diesen Übertragungsweg. Doch als ich im März 2020 hörte, wie hoch die Virenlast gelegentlich sein kann und dass viele stark Infizierte keine Symptome haben, wurde ich hellhörig, denn seit meinem Doktorat an der ETH Zürich vor 25 Jahren befasse ich mich mit den Risiken von Aerosolen, die ein Mensch ein- und ausatmet. Ich konnte zeigen, dass einer von zehn Infizierten genug Viren in die Luft freisetzt, damit es in kleinen Innenräumen kritisch werden kann. Wenn nun einer der eher seltenen Super-Emitter tanzt und singt, gelangen jede Minute sogar mehrere Millionen Viren in die Luft – genug, um selbst in einem grossen Saal viele Leute anzustecken.

Was bedeutet das für unsere Schutzstrategien? Zuerst sollten wir sie auf die hohen Emitter ausrichten, also Aerosole ernst nehmen und das Übel an der Wurzel packen. Das Motto «Geimpft, genesen, getestet» senkt die Chance, dass wir Infizierte an Massenveranstaltungen haben. Doch im Normalbetrieb von Hotel oder Restaurant sollten wir auch beachten, dass eine Person viel mehr Aerosole ausstösst, wenn sie laut und körperlich aktiv ist. Ein Refektorium ist also viel sicherer als eine Schunkelstube, eine Yogaklasse weniger ein Problem als ein Spinning-Training. Auch wer eine gute Maske trägt, emittiert viel weniger Aerosole. Maskenpflicht und Ruhe bringen viel.

Die dennoch in die Luft geratenen Viren müssen wir so gut wie möglich abführen. Im Freien und in grossen, hohen Räumen mit weit geöffneten Fenstern ist das kein Problem, solange man nicht gerade in der «persönlichen Wolke» einer infizierten Person sitzt (darum Abstand halten). In Innenräumen hilft eine gute Lüftung. Doch wenn sich diese frische Luft mit schmutziger Luft vermischt, kommt sie rasch an ihre Grenzen. In solchen Fällen sollten wir gezielt saubere Luft zu den Gästen führen und das Personal durch das Tragen von guten Masken schützen. Wir erforschen auch neue Ideen.

Wie sich Aerosole im eigenen Hotel oder Restaurant verhalten, können Sie übrigens mit einem Disco-Nebelgenerator selber testen. Stellen Sie erst sicher, dass Sie den Feueralarm quittieren können. Dann geben Sie etwas Nebel in den Raum. Wenn sich der Nebel gesamthaft oder an gewissen Orten nur langsam verzieht, sollten Sie nach einer Lösung suchen, um die Situation zu verbessern. Ich selber gehe jeweils ähnlich vor, wenn ich Säle und Gebäude abkläre.

Schutz vor Aerosolen und Hygienemassnahmen sind nicht nur zu Corona-Zeiten wichtig. Dies schützt auch zu normalen Zeiten vor Erkrankungen. Darum ist es ratsam, auch in Zukunft bei Um- und Neubauten darauf zu achten, dass man Lösungen wählt, die gut sind für die Gesundheit. Ihre Gäste und Ihr Personal danken es Ihnen.