Jedes Hotel versucht, im Markt auf sich aufmerksam zu machen; etwas zu bieten, was andere nicht haben. Beim Hôtel des Horlogers, im Hochtal Vallée de Joux im Schweizer Jura gelegen, besteht die Besonderheit darin, dass es in die Natur eingebettet ist – und zwar so, dass man es deutlich sehen kann, wenn man davorsteht: An einem Hang liegend, fällt das Gebäude in einem ungewöhnlichen Zickzackkurs zum Tal hin ab und folgt so der Topografie des Ortes. Der Entwurf stammt von der Bjarke Ingels Group, gebaut hat das Hotel das Lausanner Architekturbüro CCHE. [RELATED]

«Ziel der Bauweise ist es, die Grenzen zwischen Architektur und Umgebung zu überwinden», erklärt General Manager André Cheminade. Deshalb wird die Natur sogar ins Hotel geholt. Mit Fenstern, die von Wand zu Wand und vom Boden bis zur Decke reichen, soll bei den Gästen das Gefühl entstehen, sich mitten im Tal zu befinden. Auch die Inneneinrichtung des Büros AUM Pierre Minassian gehört zum Konzept. Im Sinne einer Hommage an die Umgebung greift sie bestimmte Landschaftselemente aus dem nahe gelegenen Wald von Risoud auf: Baumwurzeln, Pilze, Trockensteinmauern oder Fossilien.

Ausdruck der Naturverbundenheit
Die architektonisch ausgedrückte Naturnähe des Minergie-zertifizierten Hotels bezeichnet Cheminade als Alleinstellungsmerkmal, das für mehr Gäste und mehr Einnahmen sorgt. Ergänzt wird das Konzept durch einen lokalen Ansatz im Bereich Food and Beverage: als Trinkwasser verwendetes Quellwasser aus dem Tal, Käse und Bier aus der Gegend oder Fisch aus nahe gelegenen Seen.

Naturnähe habe es als Trend in der Schweizer Hotellerie zwar schon immer gegeben. Er sei aktuell aber stark ausgeprägt und werde sich noch verstärken, so Cheminade: «Ich bin mir sicher, dass in den kommenden Jahren immer mehr Hotels Naturverbundenheit in ihrer Kommunikation in den Vordergrund stellen werden.»

Regionale Materialien, lokale Partner
Auch das Seminarhotel Berglodge 37 in den Eggbergen bei Altdorf bietet ein Erlebnis im Einklang mit der Natur. Das Baumaterial spielt dabei eine zentrale Rolle. In Fassaden und Zimmern wurden insgesamt 470 Kubikmeter weitgehend unbehandeltes Fichtenholz verbaut. Es handelt sich um Mondholz aus Schweizer Wäldern. Rund ein Drittel der Bäume – 250 Stück– stammt von den Eggbergen selbst. Sie wurden in unmittelbarer Nähe gefällt. «Wichtig war uns auch die Nachhaltigkeit beim Bau», sagt Hotelinitiant Martin Reichle.

Immer mehr Hotels stellen die Natur-verbundenheit in ihrer Kommunikation in den Vordergrund.
André Cheminade, General Manager Hôtel des Horlogers, Le Brassus

«Wir haben das Holz direkt auf dem Berg gesägt und so auch die Bauern dort involviert.» Der in Lounge und Bergstube verbaute Granit ist genauso regional. Er stammt teils aus dem nahe gelegenen Ort Silenen. Naturnähe, die sich im Gebäude ausdrücke, sei ein klarer Wettbewerbsvorteil, so Reichle. Besonders in einem Markt, der zunehmend von qualitätsorientierten Reisenden geprägt sei. In einer schnelllebigen digitalen Welt suchten immer mehr Gäste Ruhe und Entschleunigung. Die Berglodge treffe diesen Nerv, innen wie aussen.

Holz zum Sehen, Spüren und Schmecken
Im Engadiner Familienbetrieb In Lain Hotel Cadonau sind gleich drei Holzarten verbaut: Arve, Lärche und Tanne. Alle stammen aus dem Engadin, wobei das Lärchenholz fast schon superlokal ist. Es gehörte zum ehemaligen Stall. Innen sorgen die Hölzer für eine angenehme, der Entspannung förderliche Atmosphäre. Und blicken die Gäste aus dem Fenster, können sie eine direkte Verbindung zwischen dem Baumaterial und der Umgebung herstellen.

«Das Holz, aus dem unsere Gebäude bestehen, ist sichtbares Element der Natur», so Gastgeberin Tamara Cadonau. Speziell das Arvenholz lässt sich auch schmecken. Auf der Speisekarte stehen in Arvenholz zubereitetes Rindsfilet oder Arven-Sorbet.

Wichtiger Bestandteil des naturnahen Konzepts ist die eigene Quelle unter den Gebäuden, die Trinkwasser liefert und den Bioschwimmteich speist. «Wir sehen unser Schwimmangebot als umweltbewusste Alternative zum klassischen Aussenpool. Der Teich kommt ganz ohne chemische Zusätze aus und wird durch natürliche Filterprozesse gereinigt.» Die Gäste legten Wert auf diese saubere und natürliche Schwimmumgebung. In Zeiten des Klimawandels seien Nachhaltigkeit, ausgeprägte Lokalität und Naturbezug Erfolgsfaktoren. Sie sorgten für eine höhere Wiederkehrrate, weil sich die Gäste «angekommen» fühlten, meint die Gastgeberin.

Die Betriebskosten unserer Erdwärmeanlage sind deutlich niedriger als bei fossilen Systemen.
Tamara Cadonau, Gastgeberin In Lain Hotel Cadonau, Zernez

Nachhaltigkeit beginnt tief im Boden
Und die Technik? Eine klimafreundliche Energieversorgung sieht Cadonau nicht nur als Baustein, sondern als Grundvoraussetzung für Nachhaltigkeit. Die Systeme müssten dabei ganzheitlich, als Zusammenspiel von Technologien, gedacht werden. Das «In Lain» bezieht seine Wärme komplett über eine Erdwärmesonde, kombiniert mit Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und einer Warmwasserbereitung über Zimmerwärme.

Zwar seien die Einstiegskosten hoch: Die 20 Bohrlöcher für die Erdwärmesonde, zwischen 160 und 280 Meter tief, hätten damals vor 16 Jahren knapp eine halbe Million Franken gekostet. Doch zahle sich die Investition in mehrfacher Hinsicht aus: «Erstens sind die Betriebskosten deutlich niedriger als bei fossilen Systemen. Die Investition rechnet sich nach 10 bis 15 Jahren – bei steigenden Energiepreisen oft sogar schneller.»

Zweitens lasse sich ein nachhaltiges Energiekonzept gut vermarkten. Drittens seien Gäste bereit, für «echte Nachhaltigkeit» höhere Übernachtungspreise zu zahlen. Und viertens die Wertsteigerung der Immobilie: Umwelttechnisch modernisierte Gebäude gälten als zukunftssicher und würden langfristig werthaltiger eingeschätzt.

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Architekturtrends im alpinen Raum

- Die Gästewünsche gehen aktuell stark in Richtung Naturnähe, Nachhaltigkeit und Entschleunigung.
- Architektonisch ausgedrückte Naturverbundenheit ist ein Erfolgsfaktor in der heutigen Hotellerie.
- Das Baumaterial spielt eine entscheidende Rolle: Holz und Stein aus der Region unterstreichen die Nachhaltigkeit des Konzepts.
- Auch ein naturnahes Schwimmangebot ohne Einsatz von Chemie kommt gut an.
- Eine klimafreundliche Energieversorgung ergänzt den Naturnähe-Ansatz und lohnt sich langfristig auch finanziell.