Haben Sie Ihre «Milestones» schon definiert? Oder müssen Sie die «Parameter» – mit (falscher) Betonung auf «Meter», versteht sich, erst noch festlegen? Fremdwörter sind nicht nur eine Glückssache, sie sind vor allem eine Sache des guten Tons. [RELATED]
Es ist eine Unart von Marketingfachleuten, Ideen, Ansätze und Konzepte mit möglichst vielen unverständlichen Fachbegriffen zu garnieren. Ganz nach dem Motto: Wieso einfach, wenns kompliziert auch geht? Das Gegenteil wäre hohe Schule. In der Einfachheit liegt die Würze, weniger Kauderwelsch, Firlefanz und Managementblabla, mehr Präzision und Ehrlichkeit stattdessen. Fast wie in der Küche: weniger Chichi, keine unnötigen Garnituren, keine Pre- und Post-Desserts ...
Aber machen wir doch den Stresstest: «Alle KPI sind aligned mit der BSC.» Verstehen Sie auch nur Bahnhof? Sicherlich hat dies nichts mit dem Fussballclub BSC Young Boys zu tun – und schon gar nichts mit der Kommunistischen Partei Italiens. Vielmehr heisst dies: Wir haben die Kenngrössen an unseren strategischen Geschäfts- oder Kampagnenzielen ausgerichtet. BSC steht für «Balanced Scorecard», «KPI» für «Key Performance Indicators». Sprich: Wir überprüfen schlichtweg die Zielerreichung. Was durchaus sinnvoll, aber nicht wirklich «Rocket Science» ist.
Die hohe Kunst beim Texten lautet einfach: Bring es auf den Punkt.
Je öfter Schlagwörter in der Theorie verwendet werden, desto weniger sind sie in der Praxis gelebt. Ein Müsterchen gefällig? Fast alle sprechen heute im Tourismus von der «Customer Journey», der sogenannten Kundenreise. Marketingtechnisch sind damit jene Phasen gemeint, die der Gast durchläuft, bevor und während er reist beziehungsweise im Nachgang, wenn er wieder zu Hause ist. Die «Touchpoints» auf dieser «Journey» müssen genau definiert sein und mit Inhalt bespielt werden.
Zum Beispiel indem wir den Gast im Vorfeld mit cleverem «Content Marketing» inspirieren. What? Wir liefern relevante Informationen oder, noch besser, spannende Geschichten aus unserem Hotel, aus unserer Ferienregion. Das nennt man auch «Storytelling» – auch so ein Schlagwort. Wir bedienen uns mannigfaltiger Formate, darunter das «Native Advertising». Auf Deutsch: «Werbung im gewohnten Umfeld». Checken Sies? Eine gekaufte Anzeige, auf der aber nicht ein klassisches Werbesujet mit möglichst originellem Slogan prangt – sondern eine von uns produzierte Reportage mit Geheimtipps im Zeitungsstil. Vergessen Sie nicht: «Content is king» – subtil verpackt, clever platziert. Früher nannten wir das trivial: «Publireportage». Klingt weniger sexy, meint aber das Gleiche.
Für einen Germanisten ist dieser Begriffssalat aus Anglizismen ein doppelt schmerzhafter «Pain Point»: Den Sprachliebhaber quält es, weil die deutsche Sprache von ihrem Prinzip her präzis und klar ist. Und dem Kommunikationsfachmann stehen alle Haare zu Berge, denn Verschleierungsfloskeln sind ein echtes No-Go. Die hohe Kunst beim Texten lautet einfach: Bring es auf den Punkt.
Reto Wilhelm ist geschäftsführender Inhaber der Kommunikationsagentur Panta Rhei PR, die sich unter anderem auf PR, Marketing und Werbung in Tourismus, Hotellerie & Gastronomie sowie Mobilität und Freizeit spezialisiert hat. Er ist zudem Verwaltungsrat der Engadin Tourismus AG.
