Ausgangslage: Die Eltern von Bettina Zinnert führten als Inhaber über viele Jahre in Wengen insgesamt drei Hotelbetriebe unter der Marke Wengen Classic Hotels: das Hotel Silberhorn, das Hotel Belvedere und den Wengener Hof. Die Hotels generierten mit insgesamt 161 Zimmern rund 60'000 Logiernächte und waren somit für die Destination bedeutend (2019 in Lauterbrunnen generierte Logiernächte: rund 550'000). Neben den Eltern war auch eine der Töchter, Andrea Gutbrod, in den Hotelbetrieben tätig.
Diese entschloss sich 2014, mit ihrem Mann nach Deutschland zu ziehen, womit eine familieninterne Nachfolge praktisch nicht mehr möglich schien. Ein Verkauf an Dritte stand zur Diskussion. Die zweite Tochter, Bettina Zinnert, war zu diesem Zeitpunkt als Investmentbankerin tätig. Sie kehrte daraufhin nach Wengen zurück, um ihre Eltern zu unterstützen. Als kurz nach ihrer Rückkehr ihr Vater unerwartet verstarb, entschloss sie sich, die Nachfolge an die Hand zu nehmen und die Familienbetriebe weiterzuführen.
Strukturierung der Nachfolgeregelung
Die Betriebe wurden von den Eltern rechtlich und buchhalterisch pro Hotel als Kollektivgesellschaft geführt. In einer ersten Phase wurden diese Kollektivgesellschaften 2013 in Aktiengesellschaften überführt (Übernahme Aktiven und Passiven). Aufgrund der steuerlichen Rahmenbedingungen mussten diese Aktiengesellschaften mindestens fünf Jahre im Besitze der Eltern verbleiben, womit ein Verkauf erst ab 2018/19 getätigt werden konnte.
Ansonsten wären hohe steuerliche Forderungen auf die Eltern zugekommen. Die Eltern Zinnert hatten einen Ehe- und Erbvertrag mit gegenseitiger Begünstigung abgeschlossen. Nach dem Tod von Vater Zinnert wurde damit die Mutter Alleineigentümerin beziehungsweise Alleinaktionärin der drei Hotel-AGs.
Die Nachfolge in der Hotellerie ist komplex und finanziell geprägt.
Peter Gloor, Direktor SGH
Als Klarheit darüber bestand, dass Bettina Zinnert die Nachfolge antreten wird, gründete sie eine Holdinggesellschaft, welche dann die drei Hotel-AGs übernahm. Der Verkauf der Aktien der drei Gesellschaften erfolgte durch die Mutter damit an die Holding. Mit den Steuern wurde ein Ruling vereinbart, welches auch erlaubte, die Bedienung der Schulden in der Holding durch den Cashflow der drei Gesellschaften zu ermöglichen.
Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgte durch ein Darlehen der Mutter, welches verzinst und amortisiert werden musste. Die drei Betriebe hatten in ihren Büchern die normalen Finanzierungen der Immobilien. Das gesamte Verschuldungspotenzial liess damals eine Kaufpreisfinanzierung durch Banken nicht zu.
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Rolle der SGH
Die operative Führung der drei Betriebe wurde nach der erfolgreichen Umsetzung der Nachfolgeregelung durch Bettina Zinnert wahrgenommen. Ihre Vision und Strategie war, die Betriebe weiterhin erfolgreich im Markt zu festigen und weiterzuentwickeln. Dabei musste sie erfahren, dass eine Weiterentwicklung einerseits aufgrund der Belastung aus der operativen Tätigkeit und andererseits hinsichtlich Finanzierbarkeit immer fraglicher wurde.
Deshalb entschloss sich Bettina Zinnert, die Holding mit den drei Beteiligungen an einen Investor zu verkaufen, der diese Weiterentwicklung vorantreiben konnte. Mit der Beaumier-Gruppe wurde dieser 2022 gefunden. In der Zwischenzeit hat die Beaumier-Gruppe die beiden Aktiengesellschaften «Belvedere» und «Wengener Hof» fusioniert und die beiden Hotelbetriebe baulich in das 5-Sterne-Grand-Hotel Belvedere überführt. Die Vision von Bettina Zinnert wurde damit umgesetzt.
Im Rahmen der Verkaufsabsichten hat Bettina Zinnert die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) beauftragt, die drei Aktiengesellschaften nach der Discounted-Cashflow-Methode (DCF) zu bewerten und den Aktienwert der Gesellschaften zu ermitteln. Dies als Grundlage für die künftigen Verkaufsgespräche. Als Mitfinanziererin war die SGH in den einzelnen Betrieben bereits involviert. Diese Mittel dienten zur Realisierung von Investitionen im Laufe der Jahre, insbesondere beim Hotel Silberhorn für den Wellnessbereich.
Fazit aus Sicht der SGH
Die Nachfolgeregelung in der Hotellerie ist ein komplexer Prozess, bei dem finanzielle Aspekte eine zentrale Rolle spielen. Die Bewertung des Unternehmenswertes und der Liegenschaft, die Tragbarkeitsberechnung sowie die unterschiedlichen Perspektiven von Käuferschaft und Verkäuferschaft sind entscheidend für eine erfolgreiche Übergabe. Eine sorgfältige frühzeitige Planung und ausreichendes Eigenkapital sind hierbei unverzichtbar.
Indem beide Parteien realistische Erwartungen und ein tiefes Verständnis der finanziellen Rahmenbedingungen entwickeln, kann der Übergabeprozess reibungslos und erfolgreich gestaltet werden. Ein Nachfolgeprozess sollte frühzeitig gestartet werden, idealerweise fünf bis zehn Jahre vor dem geplanten Übergabetermin. Dies ermöglicht eine sorgfältige Planung, eine Einarbeitung der Nachfolgerin oder des Nachfolgers und eine reibungslose Übergabe, um den Fortbestand und den Erfolg des Unternehmens sicherzustellen.
Am SGH-Finanzforum traten folgende Fachleute auf: Andrea Roman Bernhard, Direktor Wüest Partner AG, Bettina Zinnert, Owner & Business Advisor Zinnert Advisory AG sowie ehemalige Besitzerin und General Manager (2014–2022) der Wengen Classic Hotels Silberhorn, Belvedere und Wengener Hof, Reto Grohmann, Leiter Beratung SGH, und Giles Zollinger, Leiter Finanzierung SGH. Moderiert wurde der Anlass von SGH-Direktor Peter Gloor.
