«Hotrec» ist der Dach­verband der Hotels, Restaurants, Bars und Cafés und ähnlicher Einrichtungen in Europa: ein Zusammenschluss von 47 nationalen Verbänden aus 36 Ländern, darunter auch die Schweiz. Als Stimme des europäischen Gastgewerbes ist «Hotrec» aktiv im Kampf um die Klimawende. Mit der Net-Zero-Hospitality-Roadmap werden europäische Betriebe ermutigt, gegen den Klimawandel, den Verlust von Biodiversität und die Umweltzerstörung vorzugehen, die eine existenzielle Bedrohung für die Erde darstellen.

Um Netto-null-Emissionen bis 2050 zu erreichen, ist entschlossenes Handeln erforderlich.
Alexander Vassilikos, Präsident von Hotrec

«Um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, müssen sich alle bemühen, eine Erwärmung über 1,5 Grad zu verhindern», schreibt «Hotrec»-Präsident Alexander Vassilikos in der Roadmap. Diese hat der Verband Anfang September veröffentlicht. Damit will er die Reduzierung der CO₂-Emissionen in allen Wirtschaftssektoren bis 2030 erreichen und Netto-null-Emissionen bis 2050. Der Verband erklärt nachhaltiges Planen und Umsetzen zur Chefsache. «Um Netto-null-Emissionen bis 2050 zu erreichen, ist entschlossenes Handeln erforderlich.»

Instrumente unterstützen das Netto-null-Ziel
Verschiedene, auf die Branchenbedürfnisse abgestimmte, Instrumente und Methoden wurden zur Messung und Reduzierung von Emissionen entwickelt. Darüber hinaus fördern zahlreiche globale, regionale und lokale Initiativen die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch. Es profitieren nicht nur Restaurants und Hotels, sondern auch der Lebensmittel-, Getränke- und Unterhaltungssektor. Die Initiativen zeigen: Die Verlagerung zur Messung und Reduzierung von Emissionen ist bereits im Gang.

Dennoch sind noch umfangreiche Arbeiten und Unterstützung nötig, um das Tempo des Wandels zu beschleunigen. Gerade KMU-Betriebe sollen unterstützt werden. «Der Übergang zu Netto-null-Emissionen kann kleine und mittlere Unternehmen vor grosse Herausforderungen stellen, vor allem aufgrund eines Mangels an Wissen, Erfahrung, Finanzierung, Zeit und konkurrierender geschäftlicher Prioritäten», so Vassilikos.

Allerdings bringe sie auch zahlreiche Chancen mit sich. «Die Restaurants und Hotels gewinnen neue Kunden, weil sie die Erwartungen der Gäste erfüllen. Die Reputation steigt, neue Einnahmequellen können erschlossen werden, und die Gesamtleistung wird verbessert.»

Klimabewusstsein, Bildung und Kommunikation
Mit der Net-Zero-Hospitality-­Roadmap soll das Gastgewerbe zu einem schnelleren Handeln bewegt werden. Sie unterstützt die Branche mit einer Analyse der Herausforderungen, aber auch mit Möglichkeiten und verfügbaren Unterstützung für die Betriebe, die sich um die Erreichung von Netto-null-Emissionen bemühen.

Wir können viel beisteuern, um unseren Planeten für kommende Generationen zu bewahren.
Alexander Vassilikos, Präsident von Hotrec

Es sind speziell Methoden, Werkzeuge, Initiativen und Fallstudien ausgewählt worden, die insbesondere kleinere und mittlere Betriebe unterstützen. Die Empfehlungen sind praktikabel und leicht anwendbar. Sie sind allen Betrieben zugänglich, ungeachtet davon, ob sie «Hotrec»-Mitglieder sind oder nicht. Dabei werden insbesondere die Themenbereiche Klimabewusstsein, Bildung und Kommunikation, Messmöglichkeiten und Dekarbonisierung behandelt.

Das Gastgewerbe als Gamechanger
«Hotrec» ist davon überzeugt, dass das Gastgewerbe bei der Klimawende innerhalb der kollektiven Anstrengungen eine wichtige Rolle einnimmt. «Wir können viel beisteuern, um unseren Planeten für kommende Generationen zu bewahren», schreibt der Präsident.

Von Fallstudien lässt sich lernen
«Hotrec» arbeitet in seiner Roadmap mit vielen Fallstudien von Hotels, Restaurants, Cafés und Nachtclubs. Sie wenden verschiedene Massnahmen zur Messung und Reduzierung ihrer Kohlenstoffemissionen an, bevorzugen die lokalen Produkte und Dienstleistungen, fördern die Null-Abfall-Philosophie und kommunizieren diese Initiativen effektiv.

Es gibt kreative Beispiele, wie die Betriebe ihr nachhaltiges Handeln an die Kunden weitergeben. So werden beispielsweise Informationen über CO₂-Emissionen auf Speisekarten veröffentlicht, um die Gäste zu einer verantwortungsvolleren Entscheidung zu bewegen.


Die Roadmap von «Hotrec» 

1. Restaurant Fotografiska in Estland  [IMG 2]
Die Küchenphilosophie des Restaurants Fotografiska in Estlands Hauptstadt Tallinn basiert auf dem Gedanken von Null-Abfall. Man verarbeitet alle Lebensmittel von «Root to Leaf» und von «Nose to Tail. Auch beim Mobiliar und Geschirr achtet man auf Nachhaltigkeit. Das Sauerteigbrot wird auf Tellern serviert, die aus Backblechen einer ehemaligen Brotfabrik hergestellt wurden, und der Brotaufstrich auf Unikaten von Weinflaschen.

Die Karte enthält hauptsächlich vegetarische Gerichte aus lokalen und saisonalen Zutaten. Das Restaurant wurde vom «Guide Michelin 2022» mit einem grünen Stern für sein grünes Engagement ausgezeichnet. 2023 würdigte die Europäische Kommission Tallinn als die «grüne Hauptstadt Europas». Davon inspiriert, wurden auch die anderen Restaurants Tallinns aufgefordert, umweltfreundliche Gerichte anzubieten.


2. Restaurant Onyx Műhely in Ungarn  [IMG 3]
Das Restaurant Onyx Műhely in Budapest ist das erste Restaurant Ungarns, das eine umfassende Kohlenstoffberechnung erstellt, um die Emissionen seines Betriebs zu kennen und zu kommunizieren. Mit der Firma Zero Karbon kommt ihm dabei ein Spezialist für Kohlenstoff­berechnungen zu Hilfe. Damit die Gäste eine achtsame Entscheidung treffen können, wird der CO₂-Fuss­abdruck der Gerichte offen­gelegt.

Das «Onyx Műhely» beschäftigt einen Nachhaltigkeitsmanager. Man will den ökologischen Fussabdruck senken und biologische Produkte aus der Region verwenden. Ein Augenmerk wird auf die Energieeffizienz und Abfallvermeidung gelegt. Der Betrieb hat auch Schritte in Richtung Selbstversorgung unternommen: Er hat eine eigene Hühnerfarm mit Freilandhaltung und plant eine eigene Obst- und Gemüseplantage.


3. Hotel Six Senses in Portugal  [IMG 4]
Das Herrenhaus des «Six Senses» in Lamego, Portugal, steht auf einem Hügel mit Blick auf weinbewachsene Terrassen und den Fluss Douro. Es widmet sich dem Erbe der Region, das seit 2001 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Das Luxushotel verschreibt sich dem Erhalt seiner 3500 botanischen Arten. Ein Waldgebiet von zehn Hektaren soll wiederhergestellt werden.

Das «Six Senses» fungiert als Mitbewahrer der Biodiversität eines 500 Meter langen Baches, der das Grundstück durchquert. Es unterstützt die lokale Umwelt-NGO Apega, die sich für den Schutz der Esel vor dem Aussterben einsetzt. 50 Prozent der Einnahmen aus den Wasserverkäufen im «Six Senses» fliessen in einen Nachhaltigkeitsfonds, der gefährdete Tierarten unterstützt. Das Hotel bietet 270 unterprivilegierten Kindern aus der Region Hilfe durch Beratung, Bildung und Psychotherapie.


4. Café Život in Kroatien  [IMG 5]
Das Café Život ist das erste vegane Zero-Waste-Café, das 2022 im Sommerbadeort Poreč in Kroatien eröffnete. Die Inhaberin Anamarija Prgomet ist ebenfalls Gründerin der Zero-Waste-Initiative in Kroatien. Alles im Café Život ist wiederverwendbar oder organisch abbaubar. Das Geschirr und die Möbel wurden von kroatischen Kreativen hergestellt. Die meisten Möbel im minimalistischen Café sind aus Holz.

Das gesamte Speise- und Getränkeangebot wird ausschliesslich von kleinen Produzenten der Halbinsel Istrien bezogen. Beispielsweise wird das Bier von Hand gebraut, der blaue Gin und das Gebäck stammen von Familienbetrieben aus Poreč. Durch die kurzen Transportwege reduziert sich der CO₂-Fuss­abdruck auf ein Minimum. Der Kaffee wird umweltfreundlich und nachhaltig angebaut und ist mit dem Fairtrade-Label ausgezeichnet.


5. Berghotel Rehlegg in Deutschland  [IMG 6]
Das Berghotel Rehlegg liegt im deutschen Berchtesgaden, direkt an der Grenze zu Österreich. Das 4-Sterne-Hotel ist das erste klimapositive Hotel in Oberbayern und eines von nur 13 «Green-Sign»-Hotels mit dem Maximallevel 5 in Deutschland. Es garantiert 100 Prozent Klimaneutralität. Inmitten eines Unesco-Biosphärengebiets, bietet das familiengeführte Hotel Innen- und Aussenpools, die mit einer eigenen Solarthermie beheizt werden. Die hoteleigenen Naturkosmetikprodukte werden nach strengen ökologischen Richtlinien hergestellt.

Die Speisekarte basiert auf Produkten, die fast ausschliesslich von regionalen Kleinbauern stammen. Die Gäste können sich ein Elektroauto und E-Bikes mieten, die mit im Hotel erzeugtem Strom geladen werden. Das Hotel wird ohne den Einsatz von Chemikalien gereinigt.


6. Kulturzentrum SWG3 in Schottland  [IMG 7]
Das «SWG3» ist ein Kunst-, Musik- und Kulturzentrum mit Club in Glasgow und gleichzeitig der erste Club der Welt, der die Körperwärme von Konzertbesuchern und Tänzern nutzt, um gewisse Apparaturen durch das System Bodyheat mit Strom zu versorgen. Die Wärme wird über eine Trägerflüssigkeit zu 200 Meter langen Bohrlöchern geleitet, und damit wird die thermische Batterie aufgeladen. Im Anschluss wird die Wärme in Strom umgewandelt und für die Lüftung, Kühlung und Heizung des Clubs eingesetzt.

Das neue System ermöglichte es, die alten Heizkessel abzuschalten und die Emissionen des Zentrums um etwa 70 Tonnen CO₂ pro Jahr zu reduzieren. Das Kunst-, Musik- und Kulturzentrum hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 kohlenstoffneutral zu werden. Trotz der hohen Kosten von rund 600´000 britischen Pfund für, sollen die Investition innerhalb etwa fünf Jahren amortisiert sein.

Die Roadmap von Hotrec wurde bei Toposophy Ltd. in Auftrag gegeben.