Die zweitgrösste Jugendherberge der Schweiz in Genf verlässt auf Januar 2015 den Dachverband Schweizer Jugendherbergen (SJH) und geht ab diesem Zeitpunkt einen eigenen Weg. Der Verein wird damit keine Jugendherberge mehr in Genf haben. Diese Fakten kommunizierte der SJH bereits Ende Mai.

Massive Kritik aus Genf
Am Mittwoch wandte sich nun die Genfer Jugendherberge mit happigen Vorwürfen an die Öffentlichkeit. Der Austritt wurde als Protest gegen die immer höheren Preise des SJH bezeichnet. Man wolle sich nicht «dem Diktat des nationalen Vereins beugen, der seine Preise den in der Hotellerie üblichen Tarifen annähern» wolle.

Die regelmässigen Preiserhöhungen entsprächen nicht mehr der ursprünglichen Philosophie und dem primären Ziel der Jugendherbergen, jungen Touristen und ganz speziell Schulen preisgünstige Übernachtungen anzubieten, stellten die Genfer fest.
Kritisiert wurde zudem, dass der Verein die Westschweiz eher vernachlässige und ihre Tätigkeit auf die Deutschschweiz konzentriere.

SJH-Mediensprecher Oliver Kerstholt zeigte sich am Donnerstag auf Anfrage erstaunt über die Argumentation der «Genfer Kollegen», die nicht dem entspreche, was in den Vertragsverhandlungen Anfang Jahr besprochen worden sei.

Unveränderter Grundauftrag
Ziel und Grundauftrag der SJH sei seit 90 Jahren der qualitätsbewusste, sozialverantwortliche und umweltverträgliche Jugend- und Familientourismus und die Förderung zwischenmenschlicher Begegnungen. Daran habe sich in den vergangenen Jahren nichts verändert.

Die Preise seien in den letzten Jahren nur dort gestiegen, wo auch das Angebot verbessert worden sei. Wo das Angebot noch dem früheren Standard entspreche, seien die Preise nur gerade der Teuerung angepasst worden, so Kerstholt. Da die Jugendherberge Genf ein Franchise-Nehmer gewesen sei, sei Genf zudem in der Preisgestaltung frei gewesen.

In der Westschweiz ist der Verein mit neun von schweizweit 53 Betrieben vertreten, im Tessin gehören vier Jugendherbergen zum SJH. Ziel sei es, in allen Landesteilen und Regionen entsprechend den touristischen Potentialen in vergleichbarem Masse vertreten zu sein, heisst es beim Verein.

Investitionen auch in der Westschweiz
Im vergangenen Frühling erst seien 2,5 Mio. Franken in den Umbau und die Erweiterung der Jugendherberge in Avenches (VD) investiert worden. Im Sommer habe man zusammen mit der Stadt Sanierungsmassnahmen in der Jugendherberge Lausanne vorgenommen. Der SJH suche derzeit in Genf nach einem eigenen Standort.
In der Jugendherberge Genf wurden letztes Jahr 94'500 Übernachtungen verzeichnet. Das sind 10 Prozent aller Übernachtungen in Schweizer Jugendherbergen. Die grössten «Jugis» des Vereins sind nun Lausanne, St. Moritz, Davos und Basel.

Seit 2002 regte der Verein grosse Umbauten an unter anderem in Davos, Zermatt, Zürich, Basel, Interlaken, Gstaad und Saas Fee. In Interlaken entstand dabei innerhalb der Jugendherberge ein öffentliches Restaurant und in Saas Fee wurde ein Wellness-Bereich gebaut.

Wellness bleibt Ausnahme
Diese Umbauten stellten Anpassungen an heutige Gästebedürfnisse dar, stellte Kerstholt fest. Ohne diese Schritte hätten die SJH heute keine Daseinsberechtigung und keine Überlebensgrundlage. In Saas Fee habe sich aus dem Bedürfnis der Gemeinde nach einer Sanierung der defizitären Freizeitanlage eine einmalige Chance ergeben. Wellness werde für die SJH wohl eher eine Ausnahme bleiben.

Den Beitritt des SJH zum Dachverband hotelleriesuisse 2013 bezeichnete Kerstholt als einen weiteren Schritt in Richtung Professionalisierung. Die Klassifizierung durch den Unternehmerverband der Schweizer Hotellerie helfe, die Qualität zu steigern und die Einordnung in das gesamtschweizerische Klassifikationssystem erhöhe die Orientierung für den Gast. (sda/ad)