Mark Ziegler, Sie sprechen von bewusst gelebter Spiritualität. Die Kartause Ittingen ist ein Ort mit klösterlicher Vergangenheit – was bedeutet er Ihnen ganz persönlich?
Ich selbst lebte bereits als kleines Kind direkt neben der Kartause Ittingen – ein Ort mit unglaublich vielen Möglichkeiten. Die Aufgabe ein solches herausforderndes, sinnstiftendes und spannendes Konstrukt zu leiten hat mich seit jeher fasziniert.
Die Aufgabe ein solches herausforderndes, sinnstiftendes und spannendes Konstrukt zu leiten hat mich seit jeher fasziniert.
Die katholische Kirche ist heute auch wegen der Missbrauchsskandale in der Kritik. Haftet das der Kartause Ittingen an?
Nein, sie waren während der Klosterzeit noch sind sie heute ein Thema hier.
Weshalb?
Kartäusermönche lebten und leben heute noch als Einsiedlermönche in der Gemeinschaft und haben keinen Kontakt zur Aussenwelt. Seit der Stiftungsgründung von 1977 ist die Kartause Ittingen ein weltliches Kultur- und Seminarzentrum.
Wie integrieren Sie das historische und geistige Erbe der Kartause Ittingen in Ihr Angebot?
Wir leben die klösterlichen Werte in unserer täglichen Arbeit. Dies fängt bei der Selbstversorgung an, wobei wir Menüs anbieten, aus rein eigener Produktion. Es geht weiter mit der Fürsorge durch unsere Angebote im Wohnen und Arbeiten für Personen mit Unterstützungsbedarf und wird abgerundet mit der Förderung der Kultur mit unseren renommierten klassischen Konzerten sowie unserem Partner, dem Kunst- und Ittinger Museum des Kantons Thurgau.
Vervollständigen Sie folgende Sätze
Ein Kraftort ist … ein Ort, an dem man ankommt, der einen ganzheitlich einnimmt und nachhaltig Energie gibt, und es ist ein Ort, an den man immer wieder gerne zurückkommt.
Kultur und Spiritualität … sind zwei der von uns gelebten klösterlichen Werten (Bildung, Fürsorge, Gastfreundschaft und Selbstversorgung).
In einem ehemaligen Kloster darf man nie … glauben, dass es immer schon so gewesen ist und es sich nicht weiterentwickelt hat.
Kloster und Genuss … schliessen sich keinesfalls aus, der Genuss soll aber bewusst gelebt werden.
Und die Spiritualität?
Die Spiritualität wird vom Tecum, dem Zentrum für Spiritualität der evangelischen Landeskirche Thurgau, umgesetzt. Es ist uns ein Anliegen den Gästen die Geschichte der Kartause, aber auch wie wir die klösterlichen Werte in unserer Zeit leben, näherzubringen.
In einer sich immer schneller drehenden Welt werden Rückzug und Auszeiten immer wichtiger. Schlägt sich diese Sehnsucht in den Buchungszahlen nieder?
Wir haben 2024 unsere beste Auslastung in der Geschichte generieren dürfen, was Ihre Aussage bestätigt. Weiter zeigen uns auch die Übernachtungszahlen von den Wochenenden ein gutes Verhältnis zwischen Seminar- und Wochenendgästen an. Dies deutet darauf hin, dass die Kartause Ittingen Resortcharakter bietet; die Gäste besuchen die Kartause, um dort Zeit zu verbringen – geschäftlich wie privat.
Die ausladende Anlage liegt direkt neben Frauenfeld und unweit von Zürich. Profitieren Sie von Tagesgästen?
Wir haben sehr viele Tagesgäste – kaum zeigt sich die Sonne, ist die Anlage und die Restaurantterrasse voll von Besuchern. Diese bestehen dann hauptsächlich aus Individualgästen beziehungsweise Kulturinteressierten.
Was sind die grössten Herausforderungen?
Die Stiftung Kartause Ittingen wurde vor knapp fünfzig Jahren gegründet, mit dem bis heute geltenden Geschäftsmodell. Dieses hat über lange Zeit sehr gut funktioniert, wobei die Kosten für den Unterhalt der Klosteranlage und die Mehrkosten für die Selbstversorgung durch die Gastronomie und Hotellerie getragen werden konnten. Aufgrund der immer höheren Personal-, Betriebs- und Unterhaltskosten wird es auch für uns immer schwieriger, rentabel zu bleiben. Gleichzeitig ist es für Grossinvestitionen an der Klosteranlage schwieriger geworden, Spenden zu sammeln.
Aufgrund der immer höheren Personal-, Betriebs- und Unterhaltskosten wird es auch für uns immer schwieriger, rentabel zu bleiben.
Was ist Ihre Vision für die Kartause Ittingen?
Das Modell der Kartause mit den gelebten klösterlichen Werten ist ein geniales Konzept, welches in seinen Grundstrukturen dem Zeitgeist entspricht. Meine Vision ist es, dass dieser Mehrwert weiterhin bei den Gästen Anklang findet und so auch finanziert werden kann. Dafür werden aber gewisse Weiterentwicklungen nötig sein.
Und was ist ihr persönlicher Ausgleich zum Arbeitsalltag?
Ausserhalb der Arbeitszeit geniesse ich die Zeit mit meiner Frau und unseren beiden Kindern. Sport ist mir auch wichtig: auf den Inline-Skates oder im Wildwasser finde ich den perfekten Ausgleich.
Stiftung Kartause Ittingen
Die Stiftung Kartause Ittingen, gegründet 1977, ist zu einem KMU herangewachsen und beschäftigt mittlerweile 180 Mitarbeitende in umgerechnet 140 Vollzeitstellen, 60 Erwachsene mit einer Beeinträchtigung und bildet 22 Lernende in acht verschiedenen Berufen aus. Zur Thurgauer Stiftung gehören ein Hotel mit Restaurant, verschiedene Seminarmöglichkeiten, ein Gutsbetrieb, Museen und Gärten. Die Kartause Ittingen war ursprünglich ein Augustinerkloster, wurde 1461 von den Kartäusern übernommen und auf ihre Bedürfnisse angepasst. Im Zuge der Säkularisierung ging sie 1848 in Privatbesitz über und wurde in einen landwirtschaftlichen Betrieb umgewandelt.
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