Marc Almert ist der beste Sommelier der Welt. Der 27-jährige Experte für Weine und Getränke gewann die Sommelier-Weltmeisterschaften 2019 im belgischen Antwerpen. Im Finale setzte sich der gebürtige Deutsche gegen die Dänin Nina Hojgaard Jensen sowie Raimonds Tomsons, den Europameister 2018, aus Lettland durch. Der Kölner arbeitet seit zwei Jahren im Sterne-Restaurant «Pavillon» des Luxushotels Baur au Lac in Zürich und wurde 2017 bereits als bester Sommelier Deutschlands ausgezeichnet. Der Schweizer Vertreter Fabio Masi aus Genf hat den 32. Rang erreicht. Begleitet wurde er vom nationalen Sommelier-Verbandspräsidenten Piero Tenca und dem Unterzeichnenden als offizieller Schweizer Korrespondent.

Vier Tage lang kämpften 66 Sommeliers aus 63 Ländern um den  Titel «ASI Best Sommelier of the World». Diese Weltmeisterschaft ist einzigartig und findet seit 1969 nur alle drei Jahre statt. Organisiert wird sie zusammen von der ASI (Association de la Sommellerie Internationale) und den 63 nationalen Sommelierverbänden. Der internationale Wettbewerb bietet die perfekte Gelegenheit, Fachleuten und der Öffentlichkeit zu zeigen, wie sich das Handwerk der Sommeliers weiterentwickelt hat. Marc Almert gilt als Überraschungssieger, denn mit ihm hat die Jugend die Spitze der Sommeliers übernommen. Auch die Zweitplatzierte Dänin gehört zur neuen, jungen Sommelier-Generation. Alle bestandenen Favoriten der letzten Jahre waren vorher ausgeschieden.

Der Auftritt von Marc Almert hat eindrücklich gezeigt, dass ein moderner, zeitgemässer Sommelier nicht mehr allein durch gelerntes Weinwissen überzeugt und punktet. Marc Almert verkörpert eine Generation, die Ehrgeiz mit Bescheidenheit, Dienstbereitschaft, Anstand und Bodenständigkeit verbindet. Eine Jugend, die unaufgeregt, pragmatisch, strukturiert und zielgerichtet an eine Prüfung geht und nicht verbissen den Sieg nur mit angelerntem, lexikalischem Fachwissen sucht. Almert hat nie gestresst, verbissen, nervös oder übermotiviert gewirkt. Seine Auftritte sind stets sympathisch, humorvoll, witzig, professionell und höflich gewesen. Die Herzlichkeit gegenüber seinen Gästen auf der Bühne ist glaubwürdig, ruhig unaufgeregt und nicht angelernt, sondern im täglichen Berufsalltag gelebt.

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Neue Strukturen beim internationalen Verband
Viel zum Sieg der Jugend in der Sommellerie hat auch die Veränderung in der organisierenden ASI beigetragen. Sie habe die früheren, manchmal intransparenten Strukturen überwunden und sei dank ihrer Grösse mit 63 Nationen demokratischer geworden. Dazu kommt, dass keine Amateure mehr als Gäste teilnehmen und das begleitende Publikum der teilnehmenden Nationen Profis und Journalisten sind. Dadurch ist die Atmosphäre mit vielen Masterclasses auch berufsorientierter und professioneller geworden.

Acht komplexe Aufgaben mussten die Finalisten innert 40 Minuten lösen. In zahlreichen Blindproben erkannte Almert die richtigen Weine, empfahl die dazu passenden Speisen und ordnete berühmten Weinnamen die richtige Rebsorte zu. Auch wie man ein belgisches Bier perfekt zapft, zeigte er Juroren, die auf der Bühne wie eine Schar Gäste agierten. Selbst in der finalen Disziplin, bei der er im direkten Vergleich mit seinen Kontrahenten eine Magnum-Flasche perfekt auf 16 Gläser verteilen musste, meisterte Almert souverän, hochkonzentriert, ruhig und sehr überzeugend seinen gesamten Auftritt.

Gastfreundliche Belgierinnen und Belgier
Auch nach seinem Sieg blieb Marc Almert beim Aperitif und Galadiner besonnen und genoss den Moment des unerwarteten Erfolgs. Die internationale Sommellerie ist im Begriff von der Jugend erobert zu werden. Dieses Gefühl erfasste alle Besucher auch deshalb, weil die Belgische Sommelier-Gilde während den fünf Tagen von einer Kompanie junger, freundlicher und unaufgeregten Sommeliers und Sommelièren bedient wurden. Der Belgische Präsident William Wouters kann sehr stolz sein auf den Nachwuchs in seinem Land.

«Ein Sommelier ist nicht nur ein Weinkenner. Er ist vielmehr ein Genussmanager», so Almert. Er muss in der Lage sein, den Gast während seines kompletten Restaurantbesuchs zu beraten. Hinzu kommt ein geschultes Auge für menschliche Interaktion, eine breite soziale Intelligenz und das Wissen um wirtschaftliche Kriterien wie beispielsweise ein effizientes Management.

«Wie eine kurze Kaffeepause»
Marc Almert ist mit dem Ziel nach Antwerpen gereist, den Halbfinal unter den letzten Zwanzig zu erreichen. In Wirklichkeit war das Finale für ihn aber nur noch Zugabe in einem traumhaft gut verlaufenen Wettbewerb. Vor seinem Auftritt hatte er zwei Stunden in einem Keller warten müssen, während seine Rivalen schon an der Reihe waren. «Wie eine kurze Kaffeepause» sei das gewesen, sagte Almert dem Moderator, verglichen mit den Runden zuvor. Seine Überraschung sah man ihm deutlich an, als er das Ergebnis hörte, blitzte für eine Sekunde skeptisches Staunen in Marc Almerts Gesicht auf. Er dreht sich zur Seite, fasst sich mit der Hand vor die Augen und wirkte für einen kurzen Moment auf der Bühne verloren. Dann brandet Applaus auf, Jubelschreie aus dem Publikum waren zu hören, und Almert fängt sich wieder.

Der grösste Erfolg seiner Karriere ist perfekt. Der junge Getränkefachmann, der zum ersten Mal an einem internationalen Contest teilnahm und auf Anhieb gewann, war die grosse Überraschung vor 2000 Zuschauern im Königin-Elisabeth-Saal in Antwerpen. Seit zwei Jahren arbeitet er als Sommelier bei seinem Mentor, dem Restaurantleiter Aurélien Blanc im Sternerestaurant «Pavillon» in Luxushotel Baur au Lac in Zürich, der ihn in seinen Zielen sehr unterstützt. Der Sieg des Kandidaten der Deutschen Sommelier-Union gehört damit auch ein wenig der Schweiz. Für die nächsten drei Jahre ist er nun der amtierende Weltmeister der Sommeliers.

Bericht von Bruno-Thomas Eltschinger vom Sommelierverband Schweiz