Für den Schweizer Tourismus war 2018 ein gutes Jahr. Der Aufschwung bei den Logiernächten, der sich bereits 2017 abzeichnete, setzte sich wie erhofft fort und verstärkte sich in der zweiten Jahreshälfte noch. Durchwachsen ist die Bilanz dagegen in der Politik. Zwar sind die grossen Katastrophen aus Sicht der Tourismusbranche ausgeblieben – etwa eine Annahme der Selbstbestimmungs- oder der beiden Agrarinitiativen –, mehrere wichtige Kernanliegen bleiben jedoch weiterhin ungelöst. Auf eine definitive Version des Gegenvorschlags des Bundesrats zur Fair-Preis-Initiative, die ein branchenübergreifendes Bündnis vor gut einem Jahr erfolgreich einreichen konnte, wartet man noch. Wenig Bewegung gibt es bei den sogenannten «Knebelverträgen» der Online-Buchungsplattformen. Obwohl die Politik in den Nachbarländern und in Brüssel ihren Hoteliers Schützenhilfe gegen die übermächtigen Plattformen leistet, verharren in der Schweiz beide Seiten in Lauerstellung, während sich die Politiker damit begnügen, den langsam mahlenden Mühlen der Wettbewerbskommission zuzusehen. In Trippelschritten vorwärts geht es immerhin bei den Herausforderungen durch die Sharing Economy. Eine Einigung mit Airbnb auf Bundesebene über den Einzug von Gästetaxen liegt nach wie vor in weiter Ferne, es wächst jedoch die Zahl der Kantone, die sich mit dem Bettenvermittler jeweils bilateral geeinigt haben und somit fairere Wettbewerbsbedingungen ermöglichen.

Ausstattung der Förderinstrumente bis ins Jahr 2023
Bleibt also alles beim Alten im neuen Jahr? Betrachtet man die politischen Wunschlisten für 2019 der Wirtschaftsverbände von inner- und ausserhalb der Branche, wähnt man sich tatsächlich um ein Jahr zurückversetzt. So liest sich die aktuelle Ausgabe des Booklets «Politische Schlüsselthemen», welches die Branchenverbände hotelleriesuisse und Parahotellerie Schweiz Jahr für Jahr gemeinsam herausgeben, wie ein Update der Version von 2018. Eine augenfällige Veränderung gibt es dennoch. Und versteht man ihre prominente Platzierung an vorderster Stelle des Booklets als Gewichtung, dann ist sie das vielleicht zentralste Anliegen der Branche für das neue Jahr: die Sicherung der touristischen Förderinstrumente.

Kurze Rückblende. Der Bundesrat hat vor gut einem Jahr seine Tourismusstrategie verabschiedet. Sie ist sozusagen eine Blaupause für die Ausrichtung des Schweizer Tourismus in der absehbaren Zukunft. Wichtiger Bestandteil dieser Strategie ist die Unterstützung der touristischen Akteure mit Fördermitteln. Die Gefässe, über die diese Mittel verteilt werden, sind unter anderem die klassischen touristischen Förderinstrumente Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH), die Neue Regionalpolitik des Bundes (NRP) und Innotour (siehe htr-Ausgabe 25/2018 oder Online-Artikel). Zudem fördert der Bund die 
Branche über die Finanzierung der nationalen Marketingorganisation Schweiz Tourismus. Da die aktuelle Förderperiode Ende Jahr ausläuft, müssen die Mittel für die Periode 2020–2023 noch in diesem Jahr abgesegnet werden. Die Botschaft zur Standortförderung 2020–2023 soll im Frühjahr veröffentlicht werden. Das Parlament wird das Geschäft voraussichtlich zwischen April und September beraten. Da mit der Sprechung der Fördermittel auch eine gewisse Weichenstellung erfolgt, setzen sich neben hotelleriesuisse und Parahotellerie Schweiz auch Gastrosuisse, Seilbahnen Schweiz (SBS), und der Schweizer Tourismus-Verein (STV) Schulter an Schulter für eine grosszügige Finanzierung ein.

Schengen droht zum Bauernopfer zu werden
Ein Bereich, in dem keine Ruhe einkehrt, ist das Verhältnis zur Europäischen Union. 2018 trat mit der Stellenmeldepflicht eine Regelung in Kraft, deren Ursprung 
in der Annahme der «Massen­einwanderungsinitiative» im Jahr 2014 liegt. Ob das neu eingeführte Instrument das Plebiszit erfüllt und eine sinnvolle und praktikable Massnahme zur Eindämmung der Einwanderung darstellt, darüber gehen die Meinungen auseinander – auch in unserer Branche. Vorerst abgewendet wurde so wenigstens eine Verletzung der Bilateralen Verträge mit der EU, die die Gegner der «Masseneinwanderungsinitiative» befürchtet hatten und die ein Ende der für den Schweizer Tourismus so zentralen Personenfreizügigkeit bedeutet hätte. Doch es gibt längst neuen Streit mit der EU: Seit Jahren verhandeln Bern und Brüssel über ein Rahmenabkommen, welches den Marktzugang für Unternehmen sowie die juristische Streitbeilegung regeln soll. Ein Vertragsentwurf liegt seit Dezember 2018 vor, ist jedoch hierzulande heftig umstritten. Ein entsprechender Rahmenvertrag ist in Bern voraussichtlich noch bis Ostern in Konsultation. Während die SVP einen solchen Vertrag grundsätzlich ablehnt, fürchtet man links um den Lohnschutz und pocht auf nur schwer mit internationalem Recht zu vereinbarenden flankierenden Massnahmen. Und selbst wenn im Parlament eine Mehrheit zustande kommt, wäre die Zustimmung des Stimmvolks alles andere als sicher.

Nicht weniger brisant ist auch die Referendumsabstimmung zur Verschärfung des Waffenrechts im Mai. Auf dem Spiel steht hier die Mitgliedschaft der Schweiz bei Schengen und damit erneut eine Regelung, von der der Tourismus profitiert. Immerhin ist Schengen Garant dafür, dass Gäste aus 
dem nahen Ausland sowie Ferngäste im Besitz von Schengen-Visa ungehindert in die Schweiz einreisen können.

Verkompliziert werden beide eu­ro­papolitischen Dossiers durch Entwicklungen, auf die die Schweiz keinen direkten Einfluss hat: der unabsehbare Ausgang der Brexit-Verhandlungen zwischen der EU-27 und Grossbritannien sowie die im Mai bevorstehende Europawahl. Bis beides über die Bühne gegangen ist, darf die Schweiz kaum auf nennenswerte Zugeständnisse seitens der EU hoffen. Unbeliebt macht sich Bern überdies mit der Verschleppung der sogenannten Kohäsionsmilliarde für östliche EU-Mitglieder.

Trotz – oder gerade wegen dieser zahlreichen Stolpersteine setzt sich die Tourismusbranche für gute Beziehungen mit der EU ein. Im Booklet der Beherbergungsbranche mahnt sie: «Das Vertragswerk der Bilateralen und ihre Fortführung sind für die Schweiz essenziell. Nur eine vernetzte und offenen Schweiz kann langfristig erfolgreich sein. Eine Abschottung gefährdet den gesamten Wirtschaftsstandort.» Auch Gastrosuisse-Sprecherin Astrid Haida betont: «Die Fortführung der Schengen-Zusammenarbeit ist für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Schweiz von grosser Bedeutung.» Auf Unterstützung dürfen die Touristiker dabei von anderen Wirtschaftsverbänden hoffen. So hat Economiesuisse 
die Beziehung Schweiz-EU ganz oben auf seine Agenda gesetzt. Aus Sicht der Wirtschaft benötige die Schweiz eine stabile, innenpolitisch tragfähige Lösung zur Ausgestaltung der zukünftigen Beziehungen zum grössten Handelspartner, wie der Verband auf Anfrage mitteilte. Und auch beim Referendum zum Waffenrecht setze sich die Wirtschaft vehement für ein Ja ein. In Sachen Rahmenabkommen, Personenfreizügigkeit und flankierenden Massnahmen will sich zudem der Schweizerische Arbeitgeberverband weiterhin «konstruktiv beteiligen», stellt Kommunikationschef Fredy Greuter in Ausicht.

Weniger Bürokratie, Sicherung der Altersvorsorge, Fachkräftemangel
Weitgehende Einigkeit herrscht unter Wirtschaftsverbänden beim Thema Abbau von Bürokratie und Regulierung. Die Beherbergungswirtschaft sieht hier dank der Digitalisierung neue Chancen, zum Beispiel in Form eines One-Stop-Shops für die touristischen Förderinstrumente oder einer zentralen Plattform für Meldepflichten (Logiernächte, Gästemeldepflicht, Kurtaxe). Die Seilbahnen Schweiz appellieren ans Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und wünschen sich eine «wirklich gelebte administrative Entlastung für die Seilbahnunternehmungen», zum Beispiel durch schlankere Bewilligungsverfahren oder eine bessere Verfahrenskoordination bei Bund/Kantonen/Gemeinden. Auch der Schweizerische Gewerbeverband will sich 2019 seinen Kerngeschäften widmen, und da sei der Kampf für die Bremsung der Regulierungskosten vorrangig, so Kommunikationsleiterin Corinne Aeberhard.

Bei der Reform der Altersvorsorge ziehen die Verbände ebenfalls am gleichen Strick. hotelleriesuisse und Parahotellerie Schweiz befürworten die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. «Überhöhte Mehrwertsteuererhöhungen» lehnen sie dagegen ab. Das Rentenniveau soll zumindest mittelfristig auf dem heutigen Niveau stabilisiert werden. Gastrosuisse will 2019 die ­Ausarbeitung der AHV-Reform ebenfalls eng begleiten. Zudem blicke der Verband gespannt auf eine allfällige Referendumsabstimmung bei der Steuervorlage und AHV-Finanzierung (STAF) (möglicherweise ebenfalls am 19. Mai). Die herrschende Rechts- und Planungsunsicherheit schade dem Wirtschaftsstandort Schweiz, ist der Verband überzeugt. Economiesuisse betont die Wichtigkeit eines «endlich wieder international anerkannten Steuerregimes». Auch der SGV will sich für die Annahme des STAF im Rahmen der Referendumsabstimmung einsetzen. Und der SAV warnt davor, die Schweiz könnte die Reform der Altersvorsorge verschlafen. «Die STAF darf die Politik nicht dazu verleiten, die dringliche Reform der Altersvorsorge aufzuschieben», so Fredy Greuter.

Ein politischer Dauerbrenner ist der Fachkräftemangel. 2019 will sich speziell die Beherbergungsbranche dafür einsetzen, die Höheren Fachschulen zu stärken, etwa indem ihre Bezeichnung geschützt wird und sie als Institutionen anerkannt werden. Die Diplomierten sollen so den Wert ihrer Qualifikationen einfacher vermitteln können.


Wahlen im Herbst: Hoteliers nach Bern
Am 20. Oktober 2019 wählen die Schweizer Wahlberechtigten ein neues Parlament. Der 200-köpfige Nationalrat und der aus 46 Mitgliedern bestehende Ständerat werden kantonsweise neu bestellt. Doch während beispielsweise die Landwirtschaft mit zahlreichen Köpfen in beiden Kammern stark vertreten ist, hat die Hotellerie seit Jahrzehnten keinen Volksvertreter mehr nach Bern geschickt. Zwar kandidierte Andreas Züllig, Direktor des «Schweizerhof» Lenzerheide, 2011 für den Nationalrat, jedoch ohne Erfolg. Im Wahljahr 2019 wirft Züllig, inzwischen unter anderem Präsident des Branchenverbands hotelleriesuisse, für die FDP Graubünden erneut seinen Hut in den Ring. Welche Politik man von ihm erwarten darf, dafür gab Züllig bereits einen Vor­geschmack. Mit Äusserungen ge­gen­über Ostschweizer Medien löste er Ende Jahr einen kleineren «Shitstorm» aus: In Bern gebe es keine Tourismusvertreter aus dem Kanton Graubünden. Überhaupt habe der Tourismussektor als eine der wichtigsten Exportindustrien der Schweiz auf nationaler Ebene eine zu schwache Stimme. [IMG 2]

Bis jetzt ist Züllig der einzige aktive Hotelier, der bei den Eidgenössischen Wahlen 2019 antreten will. Mit Hans Kipfer, Berner EVP-Grossrat, ausgebildeter Hotelier/Restaurateur HF und Gastgeber der Gastwirtschaft Schlossgut in Münsingen, kandidiert immerhin ein weiterer Gastgewerbler. Bei hotelleriesuisse hofft man indes auf weitere Kandidaturen aus der Branche.