Die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns) haben weniger als acht Monate benötigt, um rund 119'000 beglaubigte Unterschriften zu sammeln. Anders als die Masseneinwanderungsinitiative lässt die "«Volksinitiative für eine massvolle Zuwanderung» (Begrenzungsinitiative) keinen Spielraum für Interpretationen.

Nach Annahme der Initiative hat der Bundesrat ein Jahr Zeit, um mit der EU die Beendigung der Personenfreizügigkeit auszuhandeln. Gelingt das nicht, muss er das Abkommen kündigen. Neue Verträge, die Ausländerinnen und Ausländern Personenfreizügigkeit gewähren, sind verboten.

Drittstaaten-Regime
Nach Beendigung der Personenfreizügigkeit soll für die Zuwanderung aus der EU das gleiche Regime gelten wie gegenüber Drittstaaten, wie SVP-Präsident Albert Rösti vor den Bundeshausmedien sagte. Er verwies auch auf den Zuwanderungsartikel in der Verfassung, der einen Inländervorrang sowie Höchstzahlen und Kontingente vorschreibt.

Das Parlament hat jedoch nur eine Stellenmeldepflicht beschlossen. Die Begrenzungsinitiative ist die Reaktion der SVP und der Auns auf diese mangelhafte Umsetzung. Auns-Präsident Lukas Reimann (SVP/SG) sprach von einem «demokratischen Befreiungsakt und einem Warnschuss an Politiker, welche die Interessen der Schweizer Bevölkerung nicht kennen oder nicht kennen wollen».

«Ökonomische Logik»
Nach Ansicht von Rösti muss die Personenfreizügigkeit aus wirtschaftlichen Gründen beendet werden. Er verwies auf das Bruttoinlandprodukt, das seit Jahren pro Kopf kaum wächst. Er erinnerte an die hohe Erwerbslosigkeit, von der vor allem Ausländer betroffen sind. Er kritisierte die Belastung der Sozialwerke und den Druck auf die Löhne. Hauptgrund dieser Entwicklung ist laut Rösti der freie Personenverkehr mit der EU. Er sieht darin nichts als ökonomische Logik: Aufgrund des höheren Lohnniveaus in der Schweiz bestehe ein Sog nach Arbeitskräften, bis sich die Löhne angeglichen hätten, sagte der Berner Nationalrat.

Zu den Verlierern dieser Entwicklung gehörten Ausländerinnen und Ausländer, die bereits in der Schweiz arbeiteten, erklärte SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger (BL) . Sie würden von billigeren ausländischen Arbeitskräften verdrängt. Verlierer seien auch die Schweizer Steuerzahler, die Hochschulabsolventen und die älteren Schweizerinnen und Schweizer, die vom Arbeitsmarkt gedrängt würden.

Drohende Guillotine
Für die SVP und die Auns sind diese Auswirkungen der Personenfreizügigkeit so dramatisch, dass sie auch ein Ende der Bilateralen I in Kauf nehmen. Kündigt die Schweiz die Personenfreizügigkeit, fallen wegen der Guillotine-Klausel die Abkommen über technische Handelshemmnisse, das öffentliche Beschaffungswesen, Landwirtschaft, Forschung sowie Luft- und Landverkehr automatisch dahin.

Der Bundesrat habe ein Jahr Zeit, mit der EU eine Lösung für die nicht betroffenen Bereiche zu finden, sagte Rösti. «Wenn ein Jahr nicht reicht, gilt es, die Guillotine in Kauf zu nehmen.» Laut SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) hat die EU ohnehin kein Interesse an der Kündigung dieser Verträge. «Ich gehe nicht davon aus, dass sich etwas ändert im wirtschaftlichen Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU», sagte er.

Erfolglose Verhandlungen
Die Kündigung des Freizügigkeitsabkommens stand bereits im Zusammenhang mit der Masseneinwanderungsinitiative zur Diskussion. Sowohl der Bundesrat als auch die Initianten machten dazu vor und nach der Abstimmung widersprüchliche Aussagen.

Der Bundesrat hatte schon damals eine Verhandlungslösung mit der EU gesucht, in Brüssel aber auf Granit gebissen. Für die EU ist die Personenfreizügigkeit der Preis für den Zugang zum EU-Binnenmarkt. (sda)