Der Tourismussektor in der Schweiz ist ein wichtiger Wirtschaftszweig. 2022 wurden im Schweizer Tourismus 35,4 Milliarden Franken Gesamteinnahmen und eine Bruttowertschöpfung von 16,6 Milliarden Franken erzielt. 2023 wird laut Prognosen mit 40 Millionen Übernachtungen zum Tourismus-Rekordjahr. Dem Schweizer Tourismus geht es gut, und das soll auch so bleiben. Doch welchen Einfluss hat der Fachkräftemangel auf diese so personalintensive Branche? Kann das Potenzial der weiblichen Arbeitskräfte exemplarisch zur Meisterung dieser Herausforderung aktiviert werden, und was muss dafür unternommen werden?

2023 wurde der Verein Equality 4 Tourism gegründet. Gründungsmitglieder sind die Schweizer Jugendherbergen, Hotellerie­Suisse, Schweiz Tourismus, der Schweizer Reise-Verband, SBB und ZFV. Das Ziel des Vereins ist es, den Tourismus für die Zukunft auszurichten und weit über die Geschlechterdiversität hinaus das Potenzial von Arbeitskräften zu erschliessen.

Basierend auf den Zahlen einer Marktvoruntersuchung aus dem Jahr 2022, können konkrete Massnahmen und Handlungsempfehlungen entwickelt oder auch Best-Practice-Beispiele geteilt werden. Erste Ergebnisse lassen vermuten, dass sehr wohl einige touristische Organisationen und Betriebe den Wettbewerbsvorteil von gemischten Führungsteams erkannt haben. Bei den touristischen Betrieben wurden beispielsweise alle Aktiengesellschaften und die Zusammensetzung ihrer strategischen Gremien – Verwaltungsräte, operative Führungspositionen – in einer Vorstudie ausgewertet. Dabei ergibt sich folgendes Bild: Der Anteil an Frauen in Verwaltungsräten beläuft sich auf 17 Prozent, was gemäss «Diversity Report 2023» im schweizerischen Durchschnitt von nicht börsenkotierten Aktiengesellschaften unterdurchschnittlich ist.

Der Anteil von Frauen mit Zeichnungsberechtigung liegt um 2 Prozentpunkte höher, also bei 19 Prozent. In der zweiten Gruppe, bei den touristischen Verbänden, sind Frauen mit 9 Prozent in den Verwaltungsgremien vertreten. Interessanterweise besitzen aber doppelt so viele Frauen – 31 Prozent – eine Zeichnungsberechtigung. Unter den Körperschaften, zu denen auch die öffentliche Hand zählt in Form von Tourismusämtern, Standortförderungen etc., finden sich 32 Prozent Frauen in Leitungspositionen.

Veränderung beginnt nicht nur am Kopf, sondern auch im Kopf einer Organisation.
Janine Bunte, Präsidentin Verein Equality 4 Tourism

Was gilt es für den Verein Equality 4 Tourism zu tun, um das Potenzial von 50 Prozent der Arbeitsmarktkraft zu aktivieren? In erster Linie müssen wir nun zuhören, lernen und den Dialog suchen. Darum haben wir am 31. Oktober den ersten Round Table einberufen und Vertretende aus Hotellerie, Gastgewerbe, Transportgewerbe sowie dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) an einen Tisch gebracht. Aus erster Hand durften wir an diesem Anlass erfahren, welche Herausforderungen effektiv bestehen und wieso es gewissen Unternehmen wie beispielsweise der Stanserhorn-Bahn dennoch gelungen ist, eine ausgewogene Geschlechterdurchmischung zu erreichen.

Als Take-away aus diesem ersten Round Rable konnten wir viele spannende Ideen und gute sowie weniger erfolgreiche, doch sicher lehrreiche Erfahrungsberichte mitnehmen. Es gibt ein Bewusstsein für die fehlende Durchmischung im Tourismus, es gibt auch einen gewissen Frust respektive eine gewisse Resignation aufseiten der Arbeitnehmenden.

Der Anlass hat unter allen Beteiligten eine spürbare Aufbruchstimmung ausgelöst, und das Statement von Eric Jakob, Leiter der Direktion für Standortförderung beim Seco: «Ich nehme aus dem heutigen Anlass mit, dass die Tourismusbranche eine sehr geeignete Branche ist, um Equality, Diversität und Inklusion besser verstehen zu lernen.», hat bei vielen auch über den Round Table hinaus zum Denken angeregt.

Der Tourismus weist per se über alle Hierarchiestufen eine hohe Durchmischung auf. Nutzen wir diese Tatsache, um das heute fragmentierte Wissen zu bündeln und in Best-Practice-Cases zugänglich und nutzbar zu machen. Somit kann eine Veränderung aus der Stärke heraus angegangen werden. Das Wichtigste bleibt aber: Veränderung beginnt nicht nur am Kopf, sondern auch im Kopf einer Organisation.